Adebare im Memelland

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<<<Erzählungen aus Schmelz


Adebare im Memelland

Kein Wunder, dass Adebars im Memelland sich`s auf einem Leitungsmast häuslich eingerichtet haben! Die sonst bevorzugten Stroh- und Reetdächer sind rar geworden. Dafür sind jetzt viele Häuser mit Eternitplatten gedeckt. Die sind recht glatt und lassen keinen genügend breiten Dachfirst zu. Nestbau für die großen Vögel daher fast unmöglich! Und die Storchenkinder können sich da oben kaum gefahrlos bewegen. Also, was liegt näher? Nestbau auf einem Leitungsmast! Der bietet außerdem mancherlei Vorteile: Er ist hoch genug, um vor Feinden sicher zu sein – wenn auch ziemlich luftig und sonnenwarm. Er lässt von da oben einen weiten Blick über das umliegende Gelände zu – quasie in die Speisekammer. Und schließlich die einzigartige Verbindung mit der Außenwelt über die zahlreichen Leitungen, die unter dem Nest hindurchführen! Dem gegenüber bevorzugt der nahe Verwandte von Adebars mit schwarzem Gefieder – um nicht diskriminierend „Schwarzstorch“ zu sagen – den nahen Wald. Er meint, dort im Geäst eines Baumes sicherer zu sein.

Aber gerade die genannten Vorteile des Leitungsmastes sind im Memelland ganz besonders wichtig – besonders was die Außenbeziehungen angeht! Denn diese Storchenbehausung hat Telefon-, Telefax- und Internetverbindung! So ist auf jeden Fall sichergestellt, dass die Memelländer seit Jahren ihre Kinderwünsche hier bequem anmelden und rasch erfüllt bekommen. Früher war das eine richtige Krux: Die vorhandenen Geschwister legten außen auf die Fensterbank ein paar Stücke Würfelzucker, die Adebars sich dann nachts abzuholen pflegten. Das muss ziemlich mühsam gewesen sein in der Dunkelheit! Und tagsüber brüllten die Marjellens und Bowkes lauthals: „Storch, Storch, Bester, bring mir eine Schwester“. Oder: „Storch, Storch, Guter, bring mir einen Bruder“. Die Entscheidung, was es endlich wird, lag dann bei Adebars. Und die taten ihr Bestes! Manchmal wurde aber auch auf die Störche geschimpft. Das war eigentlich immer dann der Fall, wenn ein sogenannter „Unfall“ den Kindersegen bescherte.

Bei Adebars ist vor allem in jedem Frühjahr Hochsaison mit den Menschenkindern. Wegen des ungeheuren Kindersegens ist bei Adebars jedenfalls Arbeitsteilung angesagt! Vater Adebar ist Hausmann und organisiert in erster Linie die Bestell- und Liefertermine. Mutter Adebar holt derweil die Neugeborenen aus dem Poggenteich und trägt sie behutsam zu den erwartungsvollen Empfängern. Das ist aber keine ganz leichte Arbeit; denn der memelländische Nachwuchs ist ganz schön gewichtig, besonders der Dickschädel! Darum muss Vater Adebar das eine oder andere Mal mit ran! Vor allem, wenn Zwillinge zu transportieren sind. In seiner Abwesenheit muss dann sein genügend erwachsener Storchennachwuchs die anfallenden Organisationstätigkeiten wahrnehmen. Das klappt meistens auch einigermaßen.

In letzter Zeit schafft`s Frau Adebar aber alleine. Gegenüber früher, als man viele Kinder brauchte, um die Arbeiten rund ums Haus zu schaffen, begnügen sich viele Menschen heute bloß mit einem Kind oder mit zwei, höchstens drei Kindern. Und sind zufrieden!

Aber eines schönen Tages im August oder September jedes Jahres sind Adebars weg, ausgeflogen. Das Nest auf dem Leitungsmast ist leer! Zwei Wochen zuvor hatten sie ihre Jungvögel in Begleitung einiger erfahrener Altstörche auf die Reise in den Süden geschickt. Mit Hilfe der Thermik sind nun alle instinktiv 10000 Kilometer über den Bosporus nach Afrika gesegelt, wo es zurzeit schön warm ist. Störche aus anderer Gegend bevorzugten die Iberische Halbinsel als Zugroute nach Süden. Aber im Frühjahr des folgenden Jahres werden Adebars wieder im Memelland sein und ihre alte Wohnung auf dem Leitungsmast beziehen. Denn mit dem Babygeschäft muss es doch weitergehen!