Aus dem Alltag einer Landfrau zu Hause
Quelle des Lebens von Maria Boehme[1], 1976
Höhepunkt des Sommers war natürlich die Erntezeit, erst die Futterernte, später die Getreideernte. Auch wenn wir längst mit modernen Maschinen wie Mähbindern, Höhenförderern und Zugmaschinen ausgerüstet waren, musste doch alles, was gesunde Beine hatte, auf Feldern und in Scheunen mit zupacken - selbst die lieben Feriengäste aus der Stadt. Die Hausfrau sorgte für gutes Vesper mit frischgebackenen Krapfen, das die Kinder mit Körben aufs Feld trugen. Als ich noch nicht zehn Jahre alt war, war mein Amt schon das Weiterfahren, was ich mit viel Stolz ausübte. Unsere Erntewagen waren stets vierspännig bespannt, ich ritt auf dem Sattelpferd und lenkte das Gespann durch die Reihen der Getreidehocken. Mulmig wurde es allerdings, wenn die Pferde von Bremsen geplagt wurden. War schließlich ein Feld abgeerntet und alles trocken in die Scheune gekommen, war es ein herrlich befriedigendes Gefühl.
Die strenge Zeit des Hochsommers wurde aber auch von Geselligkeiten angenehm unterbrochen, wozu Geburtstage Anlass gaben - selbst mitten in der Woche. Es wurde dazu nicht eingeladen. Wo man befreundet war, fuhr man hin. Man ließ den Kutscher anspannen, der so auch seinen Festtag hatte. Solche Geburtstage wurden immer ganz groß nach langen Vorbereitungen gefeiert. In Blumen- und Gemüsegarten mussten alle Beete durchgehackt, die sandigen Wege in Mustern geharkt werden. Das Haus wurde blitzblank geputzt und der Kaffeetisch schließlich beladen mit vielen erlesenen Kuchensorten. Alles musste bereit sein, wenn die Kutschen vorfuhren. Das war immer eine heitere, große Geselligkeit, ein zwangloses Kommen und Gehen. Zwischen Kaffee und Abendbrot wurde der Betrieb besichtigt. Während der Hausherr seinen Tierbestand zeigte, lustwandelten die Damen fachkundig durch die Gärten. Immer noch einmal, kein Eckchen blieb unbesehen, die neuesten Sommerblumen und Dahliensorten wurden bestaunt, auch freigebig Absenker und Samen verteilt. Es waren anregende Stunden, willkommene Ruhepausen im strengen Trab des Landfrauenalltags.
Kaum war die Ernte eingebracht, musste gleich mit der Herbstbestellung der Felder begonnen werden. Wegen des frühen Winters hielt man sich gerne an feste Termine: So musste bis zum 15. September zugesät und bis spätestens 15. Oktober die Winterfurche gepflügt sein. Schon Ende August machten sich die Störche, deren Anwesenheit wie die der Kiebitze zur Landschaft gehörte, auf die Reise nach Süden.
Wenn es noch so gut herbstlich nach abgetrocknetem Kartoffelkraut roch, war die Rebhuhnjagd im Gange. Das Vieh wurde wieder eingestallt. Es war in den ersten Nächten sehr unruhig, da es noch nicht gewöhnt war, angebunden an der Raufe zu stehen. Jetzt war es wichtig, allabendlich das Ableuchten nicht zu vergessen: Vor dem Schlafengehen gingen wir nochmals durch die Ställe, um zu sehen, ob alles in Ordnung war.
Diese frühen, langen Herbst- und Winterabende gaben auch rechte Muße, sich allerlei schönen Handarbeiten zu widmen. Die Stadt war weit, sehr viel Abwechslung hatten wir nicht, so wurde mit umso mehr Freude jeden Monat das Handarbeitsheft erwartet, das je nach Können zum Sticken, Stricken oder Weben anregte, während der Hausherr vielleicht über eine neue Fruchtfolge der Feldwirtschaft grübelte und die Jagdhunde möglichst dicht am Kachelofen träumten.
So ähnlich kam und verging ein Sommer bei uns im kleinen Dorf - mit viel Arbeit und Plänen, aber auch mit Sorgen um Wetterunbill oder Krankheiten im Viehstall, ein unerschöpflicher Quell des Lebens.
Fußnoten
- ↑ Genehmigung für die Veröffentlichung in GenWiki im „Portal Pillkallen“ unter der Auflage der ausschließlich nicht-kommerziellen Nutzung liegt von der Rechteinhaberin Frau Dr. Kathrin Boehme vom 24.02.2012 vor.
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