Die Deutschen Kolonisten in Bessarabien/19
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Deutschlands jener Zeit. - Obwohl Lindl die andern Kolonien
außer Sarata nie besuchte und dort predigte, so sprach
man doch allgemein von ihm, und in sehr vielen regte sich
das Verlangen ihn zu hören. Daher konnte man Sonnabends aus
den Kolonien ganze Wagenreihen voll Menschen und einzelne
Fußgänger nach Sarata zur Predigt eilen sehen, so daß der
Sarataer Betsaal nicht alle Zuhörer fassen konnte, und Lindl
oft von dem hohen Altane am Pfarrhause oder von einem
Bretterhaufen herab predigte. Tausende von Thränen flossen
unter der Predigt Lindls, und Hunderte von Menschen wurden
erweckt und bekehrt. In dem Dachkämmerchen des Pfarrhauses
lag ein Vorrath von Petersburger Bibeln, Testamenten,
Schulbüchern und Erbauungsschriften, und davon theilte er den
bücherhungrigen Fremden gerne mit. So wurden, außer Bibeln
und Testamenten verbreitet, Arndts, Bogatzkis, Hillers,
Luthers, Scrivers, Kempis, Louwignis, Goßners und Anderer
Schriften, von Traktaten waren in Umlauf: das Herzbüchlein,
die Bekehrung des armen Sünders zu Gott mit der
Parabel von der Hirtentreue Jesu Christi, Worte der Liebe
an Jünglinge, der Wegweiser für junge Wanderer am Scheidewege,
Lindls Predigten, das Sonntagsblatt, Nachrichten aus
dem Reiche Gottes und viele andere, die fleißig gelesen wurden
und daher eben so viele Prediger waren. Wer ein Sarataer
Gesangbuch erhalten konnte, schätzte sich überglücklich. Die
Gläubigen, welche sich nun Brüder und Schwestern nannten,
fühlten das Bedürfnis näheren Anschließens und gemeinsamer
Erbauung; man vereinigte sich zu Privatversammlungen in
den Häusern, wie man sie in Sarata gesehen hatte; Kinder
und Greise fingen an aus dem Herzen zu beten, und Jünglinge
z.B. ein Ernst Tschr. in Fere-Champenoise und ein
Fritz Lkk. in Leipzig, fingen an vor großen Versammlungen
zu predigen, welches man als eine Erfüllung Joel 3, 1. 2.
ansah, und das Feuer wurde größer. Systematisch waren die
Vorträge dieser Jünglinge zwar nicht, aber es war herzergreifend,
diese in dürftige Kleidung gehüllte Jünglinge mit
Kraft und Kühnheit auftreten, in ihrer schlichten Sprache und
unter Anführung vieler Schriftstellen Sünde und Laster strafen,
zur Buße und Bekehrung auffordern, und aus voller Inbrunst
der Seele beten zu sehen und zu hören. Viele Thränen
flossen in den Versammlungen, und wir werden gewiß manche
Seele im Reiche Gottes finden, die durch sie erweckt und zu
Jesu geführt wurde. Er war überhaupt eine segensreiche Gnadenzeit