Die Probstei in Wort und Bild/112
GenWiki - Digitale Bibliothek | |
---|---|
Die Probstei in Wort und Bild | |
Inhalt | |
<<<Vorherige Seite [111] |
Nächste Seite>>> [113] |
Hilfe zur Nutzung von DjVu-Dateien | |
Texterfassung: korrigiert | |
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Bevor dieser Text als fertig markiert werden kann, ist jedoch noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
|
Begüterten meistens weg, da diese häufig eine allerhöchste Konzession zur Hauskopulation suchen, und dann in der Stille, oder in einer ganz kleinen Gesellschaft ihre Eheberedung vollziehen. Ich werde hier eine große Hochzeit genau beschreiben, da mehrere Gebräuche bei derselben den Geist der Nation charakterisieren, und ein vielseitiges Interesse haben. Eine alte Sitte, dat Brudschattsammeln, ist seit 1794 abgeschafft. Die Braut ging mit einem Kissenüberzug und einem Stock in alle Dörfer der Probstei, und vor ihr eine Frau mit einem Sack. Sie ging meistens in alle Häuser, sammelte sich Lebensmittel, Federn, Geld zum Anfang ihres Hausstandes, und auch die Frau erhielt ein Geschenk. Diese Sitte kostete jedem Hufner jährlich an fünf Tonnen Roggen, die anderen Geschenke ungerechnet. Da diese Sitte im Grunde eine drückende Brandschatzung war,da sie oft als Bettelei gemißbraucht wurde, da sie den Leichtsinn in Schließung der Ehen begünstigte, da endlich mehrere auf den Brautschatz gingen, die gar nicht wirkliche Bräute waren, beschlossen wir bei der Stiftung unserer Armenanstalt, einen Versuch zu machen, sie mit der ganzen einheimischen Bettelei auszurotten. Wir zogen, da sie Nationalsitte war, darüber die Stimmen sämtlicher Eingesessenen ein, und so ward ihre Aufhebung mit 331 Stimmen gegen 176 beschlossen.
Daß die meisten Ehen in der Probstei bei den nächtlichen Besuchen der Mädchen auf dem Bette verabredet werden, ist eine unleugbare Thatsache. Doch führt auch zuweilen der Tanz die Liebenden zusammen und mehrere Ehen sind, besonders bei Begüterten, Folgen früherer Vereinbarung der beiderseitigen Eltern, wobei dann hauptsächlich ein Hufentausch, oder Erhaltung des Vermögens, und die lange bestehende Familienverbindung berücksichtigt wird.
Die Einladung zur Hochzeit (Köstbidden) geschah vor Zeiten sehr feierlich. Bräutigam und Braut ritten durch die ganze Probstei, er von einem Freunde, sie von einer Freundin begleitet. Der Einladende bediente sich folgender Formel: „Ick wull Juk to Köst birr'n, Morn over acht Däg, na min Vatters Huus, schulln vorleef nehm, wat ick upbring'n kann.“ Darauf sagte der Begleitende: „De Bebj wuk nich geern weget hebben, möt so veel beeter nahdenken, as't bestellt ist.“ Dann erwiderte der Eingeladene: „O! is goj noog bestellt.“ Dies hat jetzt aufgehört.
Kurz vor der Hochzeit wurde die Aussteuer (de Waar) der Braut ins Haus des Bräutigams gefahren (Brudkisten fahren). Der Bräutigam führte den einen mit vier Pferden bespannten Wagen, der Vater oder Bruder der Braut, oder der Bauknecht im väterlichen Hause den andern. Der Fahrende wurde mit einem gelben seidenen Tuche beschenkt, der ihm in Form eines Quadrats vorn an den Hut gesteckt ward. Hierzu wurden die Pferde ordentlich eingefahren, denn es mußte im Galopp von der Hofstelle, durch die Dörfer, und ebenso ins Haus des Bräutigams gehen. Auf den Wagen standen gewöhnlich drei große Kisten, deren eine Flachs, die andere Leinen, die dritte Kleidungsstücke und bunt ausgenähte Stuhlpolster enthielt. Mit den Kleidungsstücken trieb man große Verschwendung. Es gehörte zu einer guten Aussteuer eine solche Menge fertig gemachter Kleidungsstücke, daß es unmöglich war, sie alle im Leben aufzugebrauchen, und daher fand sich im Nachlaß der Probsteier Frauen gewöhnlich eine Menge durchaus noch nie gebrauchter Kleidungsstücke. Die Betten wurden hinten in den Wagen gelegt, und in ihnen lagen die Musikanten, welche bei der Abfahrt, bei der Ankunft und auch zuweilen durch die Dörfer blasen mußten. Die hölzernen Stühle, auf welchen der Name der Braut und die Jahreszahl angebracht waren, wurden ringsum bei den Kisten eingesteckt. Auf jedem Wagen saß ein Mädchen, die eine hielt einen Spinnrocken, die andere ein anderes Haushaltungsgerät in der Hand. Auch bei dieser Gelegenheit fand Bewirtung statt.
Nun kam die Feier der Hochzeit. Die Braut fuhr in einem mit vier Pferden bespannten Wagen zur Kirche. Sie saß in der Mitte, vor ihr ihre Zuführer, hinter ihr die Brautjungfern, zuweilen folgten auch mehrere Frauen. Die Braut war sehr festlich geschmückt. Sie trug auf dem Kopf einen Brautschmuck eigener Art (Bindchen), in Form einer größeren Krone, mit vielen Perlen,