Festschrift Kirchenkreis Striegau 1932
Kirchenkreis Striegau in Geschichte und Gegenwart
Festschrift zur General-Kirchenvisitation 1932
Herausgegeben von Pastor P. Hechler, Saarau i. Schl.
An die evangelischen Gemeinden des Kirchenkreises Striegau.
Vom 2l. Mai bis 4. Juni 1932 gedenke ich im Kirchenkreise Striegau eine Generalkirchenvisitation abzuhalten und bei der Gelegenheit jede einzelne Gemeinde zu grüßen. Es ist mir aber schon jetzt ein Bedürfnis, allen Gemeinden, ihren Pfarrern, Mitgliedern des Gemeindekirchenrats und Gemeindeverordneten, ihren Lehrern und Gemeindebeamten ein herzliches Wort des Grußes zu sagen.
Die Generalkirchenvisitation findet in besonders ernster Zeit statt. Unser Volk ist bis in die letzten Gründe aufgewühlt und in einer politischen Gärung begriffen, wie wir es seit dem Umsturz im Jahre 1918 nicht mehr erlebt haben. Die Gedanken unendlich vieler unserer Volksgenossen haben für nichts anderes mehr Zeit als für Politik. Dabei aber zeigt es sich, wie zerspalten und innerlich zerklüftet unser armes Volk ist. Keiner traut dem anderen, der seine politische Meinung nicht teilt. Keiner hält .es für möglich, daß auch in einer anderen Partei gute Kräfte wirksam sind und sich entfalten möchten. Dazu kommt aber, daß von außen und von innen sich Mächte an unser Volk herandrängen, deren ausgesprochene Absicht es ist, unser Volk von seinem Gott loszumachen. Die Gottlosenbewegung erhebt drohend ihr Haupt. — Darum tut es bitter not, daß alle, die mit Ernst Christen sein wollen, sich auf das letzte, höchste Ziel besinnen und dem zustreben. Soll in den Tagen der Visitation das Evangelium unter uns laut werden und neue lebendige Vorsätze in uns wachrufen, dann müssen wir einmal versuchen, über alle die trennenden Zäune hinwegzublicken und einander die Hände zu reichen mit dem ernsten Willen, uns ganz in den Dienst unseres himmlischen Herrn und Königs zu stellen.
Wir alle wissen und sagen uns täglich aufs neue, daß im letzten Grunde unserem Volke nur das treue Festhalten an Gott helfen kann. All unser Tun und Wirken ruht auf unserem Glauben und empfängt aus unserem Glauben immer neue Kraft. Darum möchte ich bei meinen Besuchen von Gemeinde zu Gemeinde nichts anderes bringen als das alte Evangelium von der Gnade Gottes, wie es in Jesus Christus uns aufgeleuchtet ist. Zu diesem Evangelium unsere Kinder hinzuzuführen, bei dem Evangelium unsere Erwachsenen festzuhalten und das Evangelium unseren lieben Alten bis zum letzten Stündlein zu predigen, das ist Ziel und Aufgabe unserer evangelischen Kirche.
Halten wir treu zum Evangelium, so dürfen wir dessen gewiß sein, daß davon auch unser Volk und Vaterland Nutzen und Segen haben wird. Alle die vaterländischen Bewegungen, die unser Volk augenblicklich durchströmen, erhalten nur dann ihre Kraft und Tiefe, wenn wir wirklich Christen sind. Darum habe ich keinen größeren Wunsch als den, daß wir uns auf dem Boden des Evangeliums treffen und einander das Herz mit dem Evangelium stärken. Dazu segne Gott selbst uns die Wochen der kommenden Visitation! Er fördere das Werk unserer Hände bei uns, ja das Werk unseren Hände wolle er fördern.
D. Zänker, Generalsuperintendent.
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Schlußwort des Herausgebers
Geschichte und Gegenwart in den evangelischen Gemeinden des Kirchenkreises Striegau — beides wollte diese Schrift vor Augen führen. Wenn für die Zukunft etwas geschaffen werden soll (jede Reichsgottesarbeit ist Arbeit für die Zukunft, ja für die Ewigkeit!), dann muß Geschichte gegenwärtig, Gegenwart Geschehen, Tat Leben sein. Wir können nur lernen aus der Geschichte für die Gegenwart. Wehe uns, wenn wir nur der Gegenwart leben und alles Vergangene vergangen, vergessen, verworfen sein lassen. Es gehört zu den Fehlern des Deutschen, daß er so wenig aus der Geschichte lernt. sollen wir deutsche evangelische Christen am Fuße der Sudeten Mittelschlesiens auch in diesen Fehler verfallen? Möchte diese Festschrift anläßlich der Generalkirchenvisitation im Striegauer Kirchenkreise etwas dazu beitragen, Dankbarkeit und Freude an der Geschichte, freudiges Schaffen bei den großen Gegenwartsaufgaben geweckt zu haben. Heil dem, der seiner Väter gern gedenkt! An ein geschichtliches Ereignis sei noch zum Schluß erinnert (siehe Seite 70). Nach der Mongolenschlacht 1241 wird Striegau zerstört. Der deutsche Ritterorden der Johanniter baut die Stadt unverzagt und unverzüglich wieder auf, und zwar auf höher gelegenem Gelände. Vieles ist zerstört worden von evangelischem Gemeindeleben, durch Gegenreformation einst, durch Gegenbewegung gegen Kirche und Christentum jetzt. Da gilt es, aufzubauen auf höherem Gelände, unverzagt und unverzüglich, wie es vor 700 Jahren die Jobanniterritter getan haben! Dann wird auch für die Stadt Gottes das Psalmwort Wahrheit: „Gott ist bei ihr drinnen, darum wirb sie festbleiben!“ Ich schließe mit dem Magdeburger Schöffenwort, das aus dem Jahre 1523 stammt, als die Reformation eingeführt worden war: „Haltet hart und fürchtet euch nicht, Euer Gott, der lebt, der für die Seinen ficht!“
P. Hechler