Kindergartenfreuden

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<<<Erzählungen aus Schmelz


Kindergartenfreuden

Von Gerhard Krosien

Heute hat jedes Kind einen gesetzlichen Anspruch auf einen Kindergartenplatz. Das ist recht neu, es war also nicht immer so! Schon gar nicht, als ich in dem Alter war. Aber auch ich ging in einen Kindergarten, nämlich Ecke Mühlenstraße/6. Querstraße in Schmelz.

Morgens brachte mich Mutter hin, abends holte sie mich dort ab. Dies, obwohl sie nie berufstätig war. Aber die anderen drei Geschwister und ihr großer Haushalt waren wohl Grund genug, mich einerseits eine Weile los zu sein, mich andererseits aber auch gut behütet zu wissen. Im Übrigen war es seinerzeit wohl ein Anliegen der damals Regierenden, Familien mit mehreren Kindern zu entlasten und auch einen gewissen politischen Einfluss auf die Kindeserziehung zu nehmen.

Mir gefiel es damals recht gut im Kindergarten. Es gab viel interessantes Spielzeug dort, und ich lernte viele gleichaltrige Marjellens und Bowkes unseres Stadtteils kennen - auch ihre Mucken. Der eine aß viel, der andere wenig. Der eine war vorlaut, der andere kleinlaut. Es gab „Anführerfiguren“, und es gab – wie man heute sagt – „Wasserträger“. So wie Kinder eben sind.

Hin und wieder wurde von Transporteuren eine große Holzkiste in den Kindergarten gebracht. Brett für Brett und äußerst behutsam wurde die Kiste von einer „Tante“ in weißem Kittel geöffnet, umringt von der gesamten Kinderschar. Stück für Stück wurde jedes Teil vorsichtig und geheimnisvoll herausgehoben und von überraschtem Staunen der Kinder begleitet. Das Packmaterial – meistens Holzwolle - wurde genauestens untersucht. Darin sollte doch kein einziges Spielzeug übersehen werden. Denn Spielzeug für den Kindergarten enthielt die Kiste. Die gesamte Zeremonie war für uns damals so, als ob wir alle zur gleichen Zeit Geburtstag feierten und unsere Geschenke auspackten. Ein tolles Erlebnis für uns alle!

Zwischendurch machte eine „Tante“ immer wieder mal eine kleine Pause, öffnete die Tür eines Hängeschrankes oben an der Wand, nahm einen tüchtigen Schluck aus einer Flasche und schüttelte sich danach kräftig. Die „Tante“ musste wohl sehr krank sein. Wir hatten nämlich schon öfter beobachtet, dass sie diesen schweren Gang tat. Die „Medizin“ - wie sie das Zeug in der Flasche uns gegenüber auf unsere Fragen hin bezeichnete - muss wohl auch ziemlich bitter gewesen sein! Warum hätte sie sich denn sonst wohl jedesmal so schütteln müssen, wenn sie davon getrunken hat? Danach wurde sie aber zunehmend fröhlicher! Also muss ihr die Medizin gutgetan haben!

Wie gesagt, mir hat es im Schmelzer Kindergarten eigentlich immer gut gefallen. Nur eine Sache gefiel mir nicht. Und die habe ich auch bis heute nicht vergessen: Gegen 10 Uhr bekamen alle Kinder jeden Vormittag eine große Tasse Haferschleim vorgesetzt. Die musste leer getrunken werden, „damit die Kinder groß und stark werden“. Haferschleim, ungesüßt und ohne Milch, war für uns ein furchtbares Getränk. Alles sträubte sich in einem gegen so ein „Gesöff“. Jeder versuchte, diese Tortur irgendwie zu umgehen. Aber die „Tanten“ waren mitten unter uns und passten wie mit Argusaugen auf, dass jeder von uns seine „Pflicht“ erfüllte. Mit zugehaltener Nase, zugekniffenen Augen und mit Todesverachtung stürzte ich das „Zeug“ in wenigen großen Schlucken runter. Weg war es! Und geschadet hat das wohl auch niemand. Denn die meisten von uns haben diese „Speisung“ nicht nur überlebt. Sie sind danach auch tatsächlich meist „groß und stark“ geworden. Und heute trinken so etwas ja auch Erwachsene, wenn sie mal Probleme mit ihrem Magen bekommen, sogar ärztlich verordnet. Also, was heute gut ist, muss damals auch gut gewesen sein. Nur - Kindergartenkinder haben oft einen etwas anderen Geschmack!