Krankenschwester Elsa Brandström - der Engel von Sibirien
Krankenschwester Elsa Brandström
Als Elsa Brandström (eigentlich: Brändström) drei Jahre alt war (* 26. März 1888 in Sankt Petersburg), kehrte ihre Familie von Sankt Petersburg nach Schweden zurück. Ihr Vater ermutigte sie zu Selbständigkeit und Entschiedenheit, die Konfirmation war für sie deshalb nicht selbstverständlich: sie ging erst zum Dompropst, um sich von ihm Rat zu holen. Der sagte, er wolle keinen Druck auf sie ausüben, sie könne sich frei entscheiden. Das überzeugte sie, sie ließ sich konfirmieren.
Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges - Elsa Brandströms Vater war Botschafter, wieder in Sankt Petersburg - meldete sie sich, um sich zur Krankenschwester ausbilden zu lassen. Sie kümmerte sich zunächst um russische Verwundete; dann erlebte sie, wie erbärmlich es den deutschen Kriegsgefangenen ging: nur notdürftig versorgt und ohne Winterkleidung wurden sie in kalten Waggons in die Gefangenenlager nach Sibirien transportiert. Elsa beschloss, etwas für die Gefangenen zu tun und begleitete einen Transport gefangener Kriegsinvaliden zurück nach Deutschland. Bei einem Besuch in Berlin brachte sie eine große Hilfsaktion für die deutschen Kriegsgefangenen in Gang. Tausende von Rucksäcken mit Winterkleidung und anderem alltäglichem Bedarf wurden gepackt und über das Schwedische Rote Kreuz nach Russland gebracht.
Damit die Hilfe auch bei den Notleidenden ankomme, beschloss Elsa, den Zug nach Sibirien zu begleiten. Die Petersburger Gesellschaft war entsetzt, weil die junge Frau aus gutem Hause mitten in Krieg und Chaos ins unwirtliche Sibirien reisen wollte, aber Elsa ließ sich nicht abhalten. Was sie dann in den sibirischen Lagern erlebte, erschütterte sie zutiefst; angesichts der katastrophalen gesundheitlichen und hygienischen Verhältnisse in den Lagern für 700.000 Kriegsgefangene wurde Elsa klar, dass es mit einer einmaligen Hilfsaktion nicht getan war. Zunächst sorgte sie dafür, dass die gröbsten Missstände beseitigt wurden: sie besuchte alle Lager und erzwang mit der Kraft ihrer Überzeugung die Reinigung der Latrinen, die Verbesserung der Ernährung und andere Maßnahmen. Elsa schrieb nun ein Buch über ihre Erfahrungen in den Lagern und organisierte weitere Hilfsaktionen für die Kriegsgefangenen in Sibirien. 1923 reiste sie in die USA und hielt dort in sechs Monaten mehr als dreihundert Vorträge, dazu gab sie viele Pressekonferenzen. 100.000 Dollar kamen zusammen, das war im inflationsgeplagten Deutschland eine riesige Summe. In Sachsen und bei Berlin entstanden Sanatorien für heimgekehrte Kriegsgefangene, in der Nähe von Leipzig ein Kinderheim für Waisenkinder. Ihre Rede auf der Weltkirchenkonferenz für praktisches Christentum im August 1925 in Stockholm, unter dem Titel "Liebestätigkeit als völkerversöhnende Macht", verhallte freilich ungehört.
1929 heiratete Elsa Brandström in Dresden den Professor Robert Ulich. Im Alter von fast 44 Jahren brachte sie 1932 ihre Tochter Brita zur Welt. Vorher hatte sie sich eingestehen müssen, dass ihre drei Häuser für frühere Kriegsgefangene und Kriegswaisen nicht mehr zu halten waren. Am 30. Januar 1933, dem Tag der Machtübernahme der Nationalsozialisten, legte der christliche Sozialist Robert Ulich seine Professur in Dresden nieder, in den USA war ihm eine Gastprofessur angeboten worden. Die geplante Abreise der berühmten Brandström löste bei den Nazi-Machthabern Unruhe aus. Aus der Gastprofessur an der Harvard-Universität wurde für Robert Ulich eine dauerhafte Stelle. Elsa Brandström besorgte für deutsche Juden, die nach Amerika flüchten wollten, die Papiere und organisierte Hilfe für Neuankömmlinge. Gemeinsam wurde ein Restaurant eröffnet, in der frühere Professoren nun Teller wuschen, auch Elsa stand in der Küche.
Schon vor Ende des 2. Weltkriegs begann Elsa Brandström mit dem letzten großen Vorhaben ihres Lebens: sie sammelte Kleidung für Kinder im notleidenden Deutschland. Für den Transport ließ sie Holzkisten bauen, die als sich auch als kleine Schränke verwenden ließen: die "CARE"-Pakete waren geboren. Die ersten Kisten wurden von einem schwedischen Schiff nach Europa mitgenommen. Im Februar 1945 reiste Elsa nach Schweden, um weitere Hilfe zu organisieren. Elsa Brandström litt inzwischen an Knochenkrebs und wusste, dass sie bald sterben werde. Von Krankheit gezeichnet, kehrte sie nach Amerika zurück. 1948 hatte sie den eineinhalbjährigen Kampf gegen die Krankheit verloren. Sie starb am 4. März 1948 Cambridge in Massachusets. Die Welt trauerte um eine mutige Frau, die Hunderttausenden geholfen hatte, überall erschienen Zeitungsartikel über den "Engel von Sibirien" - ein Titel, den sie selbst nicht gern gehört hatte.
Quelle: Die Krankenschwester Elsa Brandström - der Engel von Sibirien (Genehmigung)