Kriegstagebuch des Kanoniers Arnold Bruns aus Platjenwerbe
Diese Seite wird betreut von der Forschungsgruppe des Platjenwerber Heimatvereins. Bitte unterstützen Sie uns mit Bildern und Informationen: Nehmen Sie Kontakt auf ! |
In der Familie Bruns von der alten Hofstellen Platjenwerbe Nr. 1 befindet sich eine kleine Kladde, das Tagebuch von Arnold Bruns, das er während seines Einsatzes im 1. Weltkrieg geschrieben hat.
Kriegstagebuch des Kanoniers Arnold Bruns - Platjenwerbe - 1916-1918
- Ers. Batl. Fußart. Regt. 15 II. Batterie - Graudenz – Deutsch Wangerau
- und
- 3. Batterie I. Batl. Res. Fußartl. Regt. 4 - im Felde
Transkription und Bearbeitung von Peter Branscheid - Platjenwerbe im April 2008
20.12.1916 - Gestellung in Bremen
Am 20.12.1916 muß ich mich gestellen auf Bezirkskommando II Bremen. Wir sind mit ca. 60 Mann alles alte Leute zwischen 40 – 47 aus der Umgebung von Bremen.
Weil wir aber den anderen Morgen erst weiter transportiert werden sollen hole ich mir die Erlaubniß, noch die Nacht nach Hause fahren zu dürfen. Den Abend habe ich mit meiner Familie noch Weihnachten gefeiert und ein paar vergnügte Stunden verlebt.
Am 21.12. fährt der Zug morgens 6.38 von Bremen ab. Unser Transport kommt nach Graudenz. Wir fahren über Hamburg, (hier gibts Kaffee) Lübeck, Seebad Kleinen i/ Meklenburg, (hier gibts Kaffee, Wurst u. Butter) Stettin, (hier wieder Kaffee, Wurst u. Butter) Konitz, Fucheln (hier Kaffee u. Wurst).
23.12.1916 - Ankunft in Graudenz
Wenn es bei uns schon winterlich war, so merkte man hier, daß wir ziemlich nach Osten verschoben waren und der Winter erheblich schärfer ist. Doch wir sind alle bei guter Stimmung trotz der langen Fahrt und ungeheizten Wagen. Graudenz ist eine alte Festung, die sich schon 1813 gegen Napoleon am längsten gehalten hat, doch die Stadt bietet wenig Sehenwertes.
Wir bleiben nicht in der Stadt sondern ziehen mit unserer Karawane, jeder seinen Packen von Muttern, der bei vielen nicht leicht ist, zum Tore hinaus nach einer Holzbaracke am Kleinen Pfaffenberg eine Stunde außerhalb der Stadt. Hier kommen wir 4 ½ Uhr nachmittags an u. werden vom allgewaltigen Feldwebel der II. Batterie II. Fußartillerie Ersatzbataillon 15 auf militärische Art empfangen mit den Worten, er hätte schon lange auf uns von der fetten Gegend Norddeutschlands gewartet.
Unser Lager wird uns gleich zugeteilt. Mancher von uns staunt, manchem kommen die Tränen in die Augen, daß ein deutscher Bürger als Soldat in seinen reifen Mannesjahren in einem solchen Schweinestall wohnen soll. Aus dem Lager wo eben ein anderer rausgekrochen ist, nicht gereinigt, krieg ich wieder hinein. Der Raum ist ca. 25 Mtr. lang 3 ½ Mtr. hoch u. 6 Mtr. breit. Hier sind platt auf dem Fußboden 80 Lagerstellen eingerichtet ohne Spinde, doch sind wir meistens mit 96 Mann stark und müssen 16 Mann im Gang schlafen.
3 kleine Feldöfen müssen für Wärme sorgen, wozu als Feuerungsmaterial wir meistens alte Wurzelstämme aus dem hartgefrorenen Boden hauen müssen u. heranschaffen. Weihnachtsabend kommt heran. Es wird eine kleine Feier veranstaltet, aber unter den gegebenen Umständen sind wir nicht feierlich zu Mute.
Eingekleidet werden wir erst am 28.12. Dienst wird nicht gemacht, und sagen wir uns als vernünftige Männer, weshalb läßt uns das schöne Weihnachtsfest nicht noch zu Hause bei der Familie, wenn wir hier doch weiter nichts anfangen können, als nur dem Reiche was auffressen von dem Wenigen was es hier gibt. 500 gr. Brot, ein um den andern Tag Wrucken, das sind so’ne Art Steckrüben, etwas gefrorene Kartoffel und die Kleinigkeiten als nu, wir wollen es Wurst, Fett, Mehlsuppen u. als besondere Delikatesse auch mal Runkelrüben, nennen.
Nachdem wir eingekleidet waren u. uns in dem manchmal sehr vernachlässigten Kaiser Rock wie Theaterspieler vorkamen fing auch der regelmäßige Dienst Fußdienst, Geschützexerzieren und Instruktion an.
Die Begrüßung vom Feldwebel (Pfennig) des morgens nur immer dieselbe, ihr Schweinsköppe, ihr blödsinnige Bande, sie alte Nulpe u.s.w.
Im Dienst wurden wir hoch genommen wie Zwanzigjährige. Der Dienst war sehr anstrengend, weil es fortwährend Glatteis und viel Schnee lag. Sogar mußten alte Leute von 45 Jahren, weil die Knochen nicht mehr gelenkig genug waren von einem Vizefeldwebel (Radau) sich mit der Plempe in Kreutz und an den Fingerknöchel schlagen lassen. Allerdings wurden sich immer solche ausgesucht, die es sich ruhig gefallen ließen. Nennt man solches hier in Westpreußen vielleicht Patriotismuß u. will man hierdurch uns vielleicht die Vaterlandsliebe beibringen?
Durch die Hundekälte die meine ganze Ausbildungszeit herschte u. unter den Folgen der durch allen Fugen mit Zugluft gereinigte Baracke blieb es nicht aus, daß viele von uns erkrankten an Lungenentzündung u.s.w. Gott sei Dank habe ich hier alles gesund u. gut überstanden. Wenn mir auch manchmal der Dienst schwer fällt, so kann man aber mit eiserner Energie viel abhalten.
Wie es ja so üblich ist, hatten wir am 27.1. eine Kaisers Geburtstagsfeier. Wir haben mit angesehen, wie die Feldwebel, Unteroffiziere u. der zeitige Batterieführer (Ltn.) sich mit jung. Mädchen bei Bier, Cognack, Wein u. guten Cigarren amüsierten. Und wir? Ja, als Menschen II. Klasse konnten uns den Mund wischen u. am andern Morgen, weil der Feldwebel eine schwere Nacht hinter sich hatte, von diesem die saugröbsten Liebenwürdigkeiten an den Kopf schmeißen lassen. Na, wir nehmen nicht alles mehr tragisch u. denken rutsch mich am Buckel runter.
11.02.1917 - Nach Bromberg
Wurde ich zusammen 50 Mann von unserer Battr. zum Handgranatenwerferkursus nach Bromberg abkommandiert. Trotzdem wir hier auch auf einen Infanterie Kasernhof in einer Wellblechbaracke untergebracht sind, ist es aber doch behaglicher.
Der Dienst ist leicht u. haben wir Gelegenheit jeden Abend in die Stadt gehen zu können u. können uns mal wieder frei unter Menschen bewegen, was in Deutsch Wangerau (so hieß das Nest wo wir bei Graudenz unterbracht waren) ausgeschlossen war.
Die Verpflegung ist hier auch besser.
Der Kursus dauerte bis zum 18.2.17. Am letzten Tage habe ich noch das Pech, und werde beim Scharfwerfen von einem kl. Granatsplitter am Kopfe verwundet, es ist aber nicht erheblich, doch muß ich mich zum Verbandsunterstand begeben u. werde da verbunden.
18.02.1917 - Kommen wir wieder in Deutsch Wangerau Graudenz an.
Viele von unseren Kameraden sind inzwischen schon abgerückt ins Feld u. wir sind jetzt an der Reihe.
19.02.1917 - Nach der Festung Graudenz
Werden wir mit 6 Mann ausgesucht um auch ins Feld auszurücken.
Ich wäre noch gerne erstmal auf Urlaub zu Hause gefahren u. trotzdem die Verfügung besteht, daß Soldaten wärend ihrer Ausbildungszeit ehe sie in’s Feld geschickt werden, Heimaturlaub haben sollen, werden wir abgeschoben. Aber auch dies muß man überwinden können.
Wie der Feldwebel uns unsere Papiere verabfolgt meinte er, nu, sie sind alles alte Leute u. wenn sie 6 Monate draußen gewesen sind kommen sie ja wieder zurück, aber dann können sie doch sagen, wir sind draußen im Felde gewesen. Dabei war der gute Mann 15 Jahre Soldat gesund u. selbst noch nicht im Felde gewesen.
Wir kommen direkt in die Festung von Graudenz u. werden dort eingekleidet. Wohin wir ins Feld kommen wissen wir noch nicht.
23.02.1917 - Abgerückt ins Feld
Morgens 4 Uhr müssen wir 6 Mann ohne Führer von Graudenz abrücken. Unser Marschbefehl lautet nach Rußland.
Es geht bei ca. 30 Grad Kälte in ungeheizten Eisenbahnwagen über Osterode, Allenstein, Insterburg, Tilsit, rechts an Schaulen vorbei, Radsiwilischki nach Jelowka nahe von Dünaburg.
24.02.1917 - Der Weg zur Front
Nachmittags kommen wir auf der Endstation Jelowka an ca. 34 Stunden dauerte die Fahrt. Als Verpflegung hatten wir von Graudenz für 2 Tage 2 Pf. Brot u. 180 Gr. Speck bekommen. Unterwegs gab’s nichts, selbst auf den Bahnhöfen konnte man für Geld nicht mal eine Tasse warmen Kaffee bekommen, doch wir waren von Muttern noch gut verproviantiert u. konnten es somit aushalten. Auch hatten wir das Glück auf der Fahrt von Allenstein nach Insterburg von einer jungen Ostpreußin, die mit in unserem Wagenabteil eine Strecke fuhr, einen Topfkuchen geschenkt zu bekommen. Sie hatte Mitleid mit uns alten Kriegern, ihr Mann war auch im Felde und gab sie gern den Kuchen an uns trotzdem er eigentlich für Verwandte bestimmt war. Hier meldeten wir uns bei der Bahnhofskommandantur um Auskunft zu erhalten wo unsere Batterie in Stellung war. Wir krigten den Bescheid, daß die Batterie uns schon nachgefragt hätte u. wir uns folglich dorthin auf den Weg zu begeben hätten. Es war eine Strecke ca. 26 Klm. lang. Nachdem wir hier etwas warmen Kaffee u. Brot bekommen hatten machten wir uns mit unserm schweren Gepäck u. der Futterkiste auf den Weg nach unserm Bestimmungsort Lubgang. Vollständig fremd im heilgen Rußland Schnee haushoch so müssen wir 6 Mann unsern Weg suchen.
Wir marschieren über Neu-Mitau, Sofienhofen. Hier setzt ein tüchtiges Schneegestöber ein, so schlimm daß wir bald keinen Weg noch Steg sehen können. Dazu wird es Nacht. Mit Anstrengung äußerster Kraft gehts aber doch weiter bis wir schließlich ganz den Kurs verloren haben. Nichts wie nur die weiße Schneedecke ist zu sehen, der eine fällt hier der andere versinkt dort bis unter die Arme. Wir halten Rat was zu machen ist. Erschöpft bis zum Äußersten sind die meisten von uns, doch wir sind uns alle einig, wir müssen weiter marschieren wir dürfen uns nicht hinsetzen sonst können wir vor Mattigkeit einschlafen u. müssen alle elend erfrieren.
Kein Haus kein Mensch ist zu sehen noch zu hören, „Doch wenn die Not am Größten ist Gottes Hilfe am Nächsten“. Das Schneegestöber hält auf u. wir gewaren in der Ferne ein Licht. Wir fassen sofort den Entschluß darauf loszugehen u. dort zu bleiben. Wie wir dort hinkommen ist es eine Panjebude (ein russ. Bauernhaus) Das Licht bestand aus einem Kiehnspan. Der Panje kam nachdem wir ihn dazu aufgefordert hatten vor die Tür u. wir machten ihn plausibel daß wir dort über-nachten wollten oder er müßte uns zur nächsten Truppenstation Ludwigskowo bringen die nach seiner Aussage nur 1 Klm. entfernt war. Trotzdem ihn beides nicht zusagte, entschloß er sich nach unserm energischen Auftreten für’s Letztere. Sein Sohn übernahm die Führung u. nach 2 stündigen Vorarbeiten durch tiefen Schnee gelangten wir bis zum äußersten erschöpft, trotz der Kälte war uns beim Tornisterriemen der Schweiß durch den Mantel gegangen, in Ludwigskowo an. Wir gaben unsern Panjeführer zum Dank daß er uns unter Dach bei deutschen Soldaten gebracht hatte Keks Tabak u.s.w.
Hier wurden wir von der Kommandantur untergebracht in einer großen Scheune. Aber noch nie habe ich so gut geschlafen wie hier in der Scheune im 6 ten Stock, es waren nämlich 6 Fullen übereinander gebaut.
25.02.1917 - Ankunft bei der Batterie
Des morgens wie ich erwache kommt mein bester Kriegskamerad Siems zu mir und gratuliert mich zu meinem Geburtstage, der grade an diesem Tage war. Er meint, diesen Geburtstag würde ich in meinem Leben wohl nicht vergessen.
Von hier wurden wir, nachdem wir telephonisch nach der Batterie gemeldet hatten, daß wir schlapp wären u. nicht weiter konnten, mit einem Schlitten abgeholt. Doch hatte der Herr Feldwebel befohlen, daß wir nur unser Gepäck aufladen sollten, wir selber aber zu Fuß gehen sollten. Doch an diesen Befehl haben wir uns nicht gehalten.
Des Nachmittags kamen wir bei der 3. Batterie Reserve Fuß 4. an der wir zugeteilt sind. Wir werden gleich eingeteilt u. können in unserer Behausung einziehen, bleiben in der Sammelstelle u. wohnen in Panjebuden. Der Dienst u. die Behandlung ist hier im Felde doch ein ganz andere u. viel kameradschaflicher. Der Dienst besteht haupt-sächlich aus Wache u. Arbeit. Auch muß ich viel als Begleitmann mit Gespanne unterwegs sein nach Jelowka, Bevern, Dweten u.s.w.
Der Winter ist hier in Rußland sehr scharf, doch die Kälte ist trocken u. läßt sich bei 40 Grad noch ertragen. Meine blasse Gesichtsfarbe verschwindet hier, ich habe eher Ähnlichkeit mit einem Indianer fühle mich aber sehr gesund.
17.03.1917 - Zur Feuerstellung
Wurde ich zur Geschützbedienung eingeteilt und kam in die Feuerstellung, Geschützexerzieren, Wache, zur Beobachtung u.s.w. lösen sich hier ab.
Wir liegen neben Illuxt vor der Düna doch der Russe ist nicht so bösartig und läßt sich das Kriegführen hier wohl aushalten, obwohl die Verpflegung oft sehr zu wünschen übrig läßt. Es ist hier landschaftl. teils eine schöne Gegend, kleine Seen u. sehr viel Wald hauptsächlich Fichten u. Kiefern. Viele von diesen Bäumen werden übern Schnee, der manchmal 1 Mtr. u. noch höher liegt, abgesägt u. mit Pferden zusammen geschleppt zum Verfeuern u. Bauen. Schade um dies schöne Nutzholz. Wir wohnen hier in selbstgebaute Unterstände tief im Walde verdeckt. Diese sind sehr wohnlich eingerichtet, meistens für 6–8 Mann eingerichtet je eine Geschützbedienung zusammen. Ich gehöre zum I. Geschütz, habe ganz angenehme Kameraden doch sind es alles welche von der Magdeburger Gegend, wie ja auch unser ganzes Regt. ein Magdeburger ist, u. vermisse ich sehr die Norddeutsche Aufrichtigkeit.
Wenn wir in Graudenz bei der 9 cm Kanone u. der schweren Feldhaubitze 96 ausgebildet sind so haben wir hier die schwere Feldhaubitze 02. So muß nun alle naselang uminstruiert werden, aber es läßt sich alles lernen. Auch gibt es vieles Interessantes, wenn man z. B. von der Hauptbeobachtung die zwischen 5 hohen Bäumen 15 Mtr. hoch eingebaut ist mit 2 kl. Zimmern wovon das eine geheizt werden kann mit allerdings Holzkohlen die ja keinen Rauch entwickeln, denn der Rauch verät die Stellung, die feindlichen Stellungen durch ein Scheerenfernrohr beobachten kann die ganze zugefrorne Düna vor sich hat.
Auch wurde ich dazu kommandiert Bleikabel zu legen nach der vorgeschobenen Beobachtung die bei der Infanterie im Graben gelegt werden mußte. Hier war das Leben schon etwas gefährlicher denn hier sausten die Granaten und Schrapnels.
Am 12/4. bekam ich grade wie ich auf Wache gezogen war einen Fernspruch daß unser kl. Willi schwer erkrankt war u. ich zu Haus auf Urlaub kommen mögte. Trotzdem ich gleich um Urlaub nachsuchte wurde mir dieser einfach abgeschlagen. Der Feldwebel wie auch Batterieführer sind beide jung und unverheiratet u. kennen kein Mitgefühl, Zeit war genug bei diesem Stellungskrieg u. Mannschaften waren auch genug da es fehlte seitens der Herren nur der gute Wille, aber mit uns können sie es ja machen.
Am 2. Ostertag mußten wir den ganzen Tag unnütze Arbeit verrichten. Auf unsere Anfrage, weshalb dies sein müßte sagte der Offz. Stellvertreter Dieke, wir hätten jedenfalls keine Kriegsanleihe genug gezeichnet deswegen sei dieser Befehl von der Batterie gegeben.
10.04.1917 - Schieden wir aus der 78. Reserve Division der wir bisher angehört haben aus u. werden der 232. Division zugeteilt.
22.04.1917 - Abgerückt zur Bahnstation Jelowka u. Verladung
Morgens 7 Uhr rückten wir mit unserer Batterie ab. Ich werde dem 4. Munitionswagen zugeteilt.
Die Schneeschmelze hat eingesetzt es geht durch den dicksten Schlamm zur Station Jelowka ca. 26 Klm. weit. Hier kommen wir am 23. morgens 8 Uhr an von unten bis oben mit Schlamm bedeckt. Empfangen hier Munition u. werden gleich verladen aber wohin geht der Kurs? Nachmittags 2 Uhr fahren wir ab. Um 5 Uhr in Ratlischki die volle Verpflegung 1 Teller Mehlsuppe. Am 24. morgens 4 Uhr in Radzivilipski (Verpfleg. Hafergrützsuppe) über Koszedari (Verpfl. Reissuppe) und Grodno hier Ankunft 8 abends (Verpfl. Nudelsuppe). Es geht weiter über Bialystock nach Brest-Litowsk. In Soremscha am 25. morgens 6 Uhr Nudelsuppe. Ankunft in Brest-Litowsk 11 Uhr vormittags. Hier wie auf der ganzen Strecke bis nach Chelm (Cholm) vor allem am Bugfluss haben sich harte Kämpfe abgespielt. Kein Gebäude ganz u. viel Heldengräber. Allenthalben sieht man aber wie die deutschen Soldaten vor allem hier in Polen Ordnung schaffen, neue Bahnen Anlagen u.s.w.
In Chelm kommen wir nachmittags 4 Uhr an. Wir wissen jetzt dass wir nach Süden verschoben werden u. nicht nach der Westfront kommen. Hier in Chelm (Verpfl. Dörgemüse) sind wir auf östereichisches Verwaltungsgebiet übergetreten. Hier kosten 4 ganz kl. Brötchen 1 Mk. Es gibt vieles zu kaufen von den Juden aber alles rasend teuer. Es geht weiter nach Lemberg. Verpfl. abends 10 Uhr in Sabata 100 gr. Brot 30 gr. Fleisch, am 26. morgens 6 Uhr in Rawa-Ruska 100 gr. Brot 30 gr. Wurst. Mittags 12 Uhr Ankunft in Lemberg. Hier giebts Pferde-bohnensuppe u. 1 Stck Brod die uns aus der gnädigen Hand eines russischen Gefangenen zugeteilt wird. Ja man merkt’s an der Verpflegung, wie an der Behandlung daß wir im Lande der Nazis der Östereicher sind.
26.03.1917 - Ankunft in Galicien
Von Lemberg 2 Uhr nachmittags abgefahren. Um 6 ½ abends kommen wir auf der Endstation Olesko an. Um 7 Uhr war alles ausgeladen u. setzt die Batterie sich gleich in Marsch. Jetzt wissen wir, daß wir hier in Galicien Krieg führen sollen.In Uzedow wird biwakiert die Nacht. Es ist aber ziemlich kalt u. kriechen wir uns mit 6 Mann bei so’n Panje unter. Wir schlafen mit der ganzen Familie in einem Raum doch freuen wir uns, daß wir Unterkunft haben. Wir hatten uns auf der Bahn unterwegs etwas Kartoffel geklaut, die bekommen uns gut passe, denn Verpflegung giebts nicht u. da sind Pellkartoffel für einen hungrigen Magen eine Delikatesse.
27.04.1917 - Zur Front
Rücken wir weiter zur Front über Pothorze nach Huta-Pieniacka wo unsere Feuerstellung u. auch Sammelstelle ist.
Die Behausung, die uns als Quartiere angewiesen sind miserabel, doch wir freuen uns, daß wir mal wieder an Ort und Stelle sind. Jetzt kocht unsere Feldküche, Gott sei Dank, wieder u. ist somit die Verpflegung doch etwas besser. Unsere Geschütze fahren gleich in Stellung, Feuerstellung u. Sammelstelle liegen nur 300 Mtr. voneinander.
28.04.1917 - Bekomme ich durch einen Funkspruch die Nachricht, daß mein kleiner Willi gestorben ist. Auf meine immer wiederholte Vorstellung um Urlaub wurde mir gesagt, es gäbe viel schlimmere Fälle u. könne dies nicht berücksichtigt werden. Da heißt es, Zähne zusammenbeißen u. unter dem Joch wounter man sich befindet sich fügen. Mit dem vom Feldwebel mir erteilten Rat, was wollen sie jetzt zu Hause fahren, sie können ja doch nicht mehr daran abändern, war ich abgefertigt.
Wir gehören hier zu 27. Öster. Infanter. Truppen Divis. Die Artilleriekämpfe sind hier zeitweise sehr heftig. Am 6/5. gelegentlich eines Wachdienstes lagen wir im heftigen Granatfeuer.
Am 8/5. war ich auf der Hauptbeobachtung u. habe durch das Scheerenfernrohr gesehen, wie Östereicher u. Russen harmonisch zwischen den Stacheldrahtverhauen verkehren u. dies nennt man Krieg. Ja, wir Deutschen sollen fremder Völker Erde verteidigen u. welch ist der Dank dafür? Daß wir wohl mit guten Worten aber nicht mit der guten Tat behandelt werden.
Mit viel tschechischen Soldaten kommen wir hier zusammen doch dies ist eine Marke Soldaten wie sie schlechter gar nicht hergestellt werden können. Am 12/5. fiel durch Fliegerbeschießung Gefr. Riportz. Am 23/5. nachmittags lag unser Dorf unter ziemlich starken russ. Artilliriefeuer Grananten schwer. Kaliber. Doch Gott sei Dank ist in unserer Batterie kein Schaden angerichtet.
Am 26/5. schweres Artilleriefeuer unsere Batterie ein Mann verwundet.
Am 28/5., den 2. Pfingsttag, 29 u. 30/5. lag unser Ort teils unter schwerem Feuer. In der vordersten Front war bis zum 13/6. heftige Gefechtstätigkeit mit allen Waffen.
12.06.1917 - Auf Urlaub
Am 12/6. abends, ich stand gerade Posten, bekomme ich die freudige Mitteilungen, daß ich mit noch 8 Kameraden am nächsten Morgen auf Urlaub fahren kann. Wie ich von Wache abgelöst bin wird alles schnell gepackt, zur Entlausung u. alles reisefertig gemacht. Ja was kann’s schöneres geben für einen Soldaten als nach Muttern auf Urlaub zu fahren. Am nächsten Morgen 8 Uhr müssen wir 9 Urlauber vor der Schreibstube antreten. Wir werden von unserem Spieß genau gemustert auf ordnungmäßigen Urlaubsanzug gut rasiert u.s.w. Der Feldwebel ließ noch mal als Machthaber sein volles Zornesgefühl über uns niedersausen, alle Mannschaften die für Landwirtschaftsarbeiten beurlaubt wurden konnte er nicht verknacken aus dem Grunde, weil diese immer einen längeren Urlaub bekommen u. er als gelernter Schuhmacher keinen Begriff davon hatte was für einen Nutzen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse für unsere Kriegsexistenz haben.
Nachdem uns unser Urlaubspaß u. Fahrschein ausgehändigt worden ist können wir abrücken. Von andere Truppenteile werden die Urlauber zur Bahn mit Wagen gefahren unsere Offz. u. Feldwebel lassen sich als Menschen besserer Güte natürlich auch fahren, aber wir können den Marsch von 26 Klm. zu Fuß abtippeln nach Bahnhof Ozidow. Es ist sehr warm und staubig aber alles erträgt man, es geht ja nach Muttern.
13.06.1917 - Um 2.35 Uhr fahren wir mit 1400 Mann verpackt in 41 Viehwagen von hier ab. Die Fahrt geht über Lemberg (hier gibt’s als Verpflegung ½ Ltr. Kaffee. Ja, der Deutsche kann nicht allein Krieg führen sondern auch hungern.)
Weiter über Rzeszow, (Verpfl. ½ Ltr. Kaffee u. 50 gr. Speck) Tarnow. Hier Ankunft am 14/6. mittags (Verpfl. Wassersuppe mit Maisgries verdünnt u. 150 gr. Hacksehnen dazu) über Krakau nach Oderberg wo wir abends 9 Uhr ankommen (Verpfl. ½ Kaffee u. 26 gr. Wurst). Am 16/6. morgens 7 Uhr kommen wir in Breslau an (Verpfl. 150 gr. Brot mit Schmalz verstrichen u. 100 gr. Wurst. Wir merken an dieser Verpfl. daß wir in Deutschland sind.)
Es geht weiter über Loegnis, Sagan, Kottbus, Fürstenwalde, Kirchheim, Falkenberg, Wittenberg, Biederitz, Magdeburg, Braunschweig, Lehrte nach Hannover. Hier kommen wir am 17/6. 10 Uhr morgens mit unserem Faz. Zug (heißt Feldarbeiterzug) an. 90 Stunden haben wir wohlgemut im Viehwagen unter fortwährenden hin- und her schmeißen ausgehalten. Von Hannover fahren wir mit 3 Kameraden um 2 Uhr weiter nach Bremen. Von hier telephoniere ich nach Haus daß ich um 6 Uhr mit dem Zuge in Lesum ankomme. Die Freude ist groß.
09.07.1917 - Rückfahrt zur Front
Ist die schöne Urlaubszeit vorbei u. gehts wieder ran an den Feind. Morgens 7.14 Uhr fahre ich von Lesum ab u. besteige in Hannover wieder den Faz Zug. Ich hatte mir von Haus eine Hängematte mitgenommen falls wir wieder auf der Reise als Behausung einen Viehwagen haben sollten. Doch diesmal fahren wieder 3 Klassen. Aber die Hängematte wird doch im Wagen hinkonstruiert und schläft’s sich wunderbar drin.
Wir fahren dieselbe Strecke die wir gekommen wieder zurück, doch mit einem anderen Gefühl als die Herfahrt.
Inzwischen haben sich heftige Kämpfe in der Gegend von Tarnapol abgespielt und begegnen uns viel Lazaretzüge. Wir werden wieder an den Ernst unserer Aufgabe erinnert. Leid tun uns die vielen Flüchtlinge die wir hier sehen von der ostgalizischen Front u. Haus, Hof und alles haben zurücklassen müssen.
Wir fahren jetzt nach Zloczow und kommen hier am 12/7. 7 Uhr abends an. Marschieren gleich weiter bis Sassow hier übernachten wir in eine ausgebrannte Papierfabrik. Am andern Morgen geht’s weiter unter fortwährenden Regen. Nach im Ganzen 30 Klm. Marsch kommen wir wieder in unserer Stellung an durchnäßt bis auf die Haut. Der Dienst nimmt gleich seinen Anfang. Auf Wache ziehen. Fußmannschaften müssen antreten die Urlauber vortreten. Wir sind mit 3 Mann und bekommen gleich besondere Fungtionen. Es regnet immer noch Tag und Nacht. Unsere Lumpen werden nicht trocken. Aber ein preuß. Soldat muß alles aushalten können. Die Herren Feldwebel sind ja auf Menschentrizelieren geeicht. Es wird keine Rücksicht genommen, daß wir Leute von 43 Jahren u. drüber sind. Vieles was hier Befehl ist, ist nach den Vorschriften nicht zulässig.
Am 19/7. machen wir einen Angriff auf die russische Stellung. Unsere Batterie verschoß ca. 750 Granaten. Ich war bei dem Trommelfeuer auf der Beobachtung. Gleichzeitig hatten wir auch ein heftiges Gewitter. Es bebte die Erde u. es bebte in den Wolken ein grausiges Gefühl. Ich danke meinem Schöpfer daß ich nicht als Infantrist in vorderster Linie zu kämpfen brauchte.
Dieser Angriff brachte uns einen Geländegewinn, 27 Gefangene u. 1 Off. ein. Auf einem Abschnitt von 300 Mtr. haben 18 Batterien gefeuert.
Am 29/7. des Abends 7 ½ Uhr griffen wir wieder an, der Russe antwortet mit Gasgranaten. Ausgerüstet mit der Gasmaske ziehn wir uns mit unsern Pferden zurück nach Bergabutzka. Dies dauert bis 9 Uhr um 10 Uhr sind wir wieder in unsere Quartiere.
Wir haben einen Schwerverwundeten. Dieser Angriff brachte nur 24 Gefangene, 1 Fähnrich u. 4 Minenwerfer ein.
Am 8/8. war bei unserem Quartier ein Sturmbatailon aufgestellt. Der Batailonskommandör besichtigte die Truppe. Es waren 624 Mann + 24 Offz. Unter den Klängen des Parademarsches wurde die Parade abgenommen. Der Major hielt folgende Ansprache.
Guten Morgen Kameraden! Ihr, die besten ausgesuchten Leute seid dazu auserwählt, als Sturmtruppe den Feind als Erste anzugreifen u. ihn bis zur 3. Stellung aus seinen Gräben hinauszuwerfen. Ich erwarte von Euch, daß ihr morgen alle eure Pflicht tut u. gemeinsam mit unsern Bundesgenossen den Östereichern den Feind wie es angeordnet ist zurückschlagt. Ich hoffe auf einen vollen Erfolg. Wiedersehn! –
Die Musik spielt wieder aber im Stillen denke ich, viele von diesen jungen strammen Leute hören die Musik zum letzten mal. Warum muß dies sein? Das Herz tut einem weh um solche Leute.
Dann kommt noch der Befehl, zuerst greifen die Flammenwerfer u. dann die Handgranatenwerfer an.
Am 9/8. abends 6 Uhr soll der Angriff beginnen. 23 Batterien trommeln bis 9 Uhr abends u. haben ca. 20000 Granaten abgeschossen.
Unsere Sturmtrupps gingen bis zur 4 ten feindl. Stellung vor brachten ca. 100 Gefangene 2 Offz. u. 3 Minenwerfer zurück. 2 tote Öster. Offz. sind zurückgebracht, aber wieviel Mannschaften haben ihr Leben ausgehaucht? Die russ. Gefangenen sind hier in unserer Nähe, alles junge kräftige Männer viele Asiaten darunter. Nach den Aussagen unserer Leute haben die Russen in den Unterständen haufenweise als wenn sie schliefen tot gelegen an Gasvergiftung. Auch haben wir auf unserer Seite 60 Vermißte.
Am 23/8. machten die Russen um 8 Uhr abends einen Feuerüberfall auf unsere vorderste Stellung. Unsere Werferbatterie (Auch Norddeutsche) singt 4 stimmig, „Wer hat dich du schöner Wald aufgebaut so hoch da droben“, da schlagen auch hier die Granaten ein die Schrapnells platzen in der Luft, der Chor stockt singt aber gleich weiter „Wenn mit grimmgen Unverstand Wellen sich bewegen, nirgend Richtung nirgend Land vor des Sturmwindsrachen, einer ist der in der Nacht einer ist der uns bewacht u.s.w.“ Das ist deutsche Kriegsstimmung. Die Zeit bis zum 16/9. war keine rege Gefechtstätigkeit außer Fliegerbeschießungen wodurch wir durch Sprengstücke, Blindgänger, Ausbläßer u.s.w. manchmal in Gefahr waren.
Jetzt kommt der Befehl, daß wir wieder abrückken sollen. Wir sollen am 23/9. in Ozidow verladen werden. Also kehren wir wieder Galizien den Rücken. Wenn das galizische Volk auch arm ist so gibt es hier aber viel Naturschönheiten u. kunstvolle Kirchen. Der Galizier ist ein besserer Ackerbauer wie der Pole trotzdem ist von einer deutschen Kultur auch hier keine Spur.
22.09.1917 - Von der Galicischen abgerückt
Am 22/9.17 morgens 530 rücken wir von Huta Piniaka ab den 26 Klm langen Weg nach Ozidow, hier übernachten wir. Am Nachmittag des 23/9. werden wir verladen u. fahren 430 ab. Wohin mag es nun gehen? Erst in Kurland dann in Galicien doch wohin es auch gehen mag unser Kriegsgott verläßt uns nicht. Es war wieder mal ein anstrengender Marsch, bei solch Hitze u. Staub das man nicht aus den Augen sehen kann, für einen bald 43 Jährigen Krieger.
Es geht über Lemberg, Rawa-Ruska. Wir wissen, daß es wieder nach Norden geht. Brest Litowsk, Grodno, hier kommen wir am 25/9. mittags an. Pferde schieren alles wird ausgeladen lautet das Kommando. Also kommen wir hier in Quartier. Werden in eine frühere Schule jetzt Kaserne untergebracht.
Hier sind die Spuren des Krieges noch vielfach zu sehen, 2 große Brücken über den Njemen liegen noch wie sie gesprengt worden sind, nur die Fahrrinne ist freigemacht.
Grodno ist eine Stadt nach russ. Verhältnissen die Juden beherrschen den Handel. 3 Tage liegen wir hier. Diese 3 Tage gehen mit Appells, Antreten u. Fußdienst hin. Ruhe darf der Soldat nicht haben.
Am 28/9. kommt der Befehl, nachmittags 2Uhr30 alles marschfertig sein. Wir haben wenig von Grodno sehen können vor 6 Uhr abends durfte niemand in die Stadt u. dann nur mit besonderer Genehmigung.
Rauchen auf Wache, Packplatz u. Marsch ist streng untersagt, man will uns hier den Kasernendrill wieder beibringen. Doch nehmen wir alle diese Befehle nicht so tragisch. Um 7 Uhr abends fahren wir von hier wieder ab. Es geht wieder zurück über Bialystock, Warschau hier wird uns gesagt daß wir in Kalisch entlaust werden sollen. Wir ahnen jetzt daß wir nach Deutschland kommen denn sonst würden wir nicht entlaust u. es soll doch die Einwanderung der russ. Läuse nach Deutschland streng unterbleiben. Die Entlausung dauert 6 Stunden u. wird nach allen Regeln der Kunst gehandhabt. Unsere Lumpen sind vollständig zusammen geschrumpft mitsamt den Läusen.
Es geht weiter über Lissa, Glogan, Sagan nach Magdeburg.
31.09.1917 - In Langenweddingen b/ Magdeburg
Wir kommen in der Nähe von Magdeburg (Langenweddingen) in Quartier am 31/9. Ich war bei einem Großbauer Besitzer von 1300 Morgen Land (Guht Plümeke Langestraße 30) im Quartier.
Ich habe jetzt nichts Eiligeres zu tun als zum Postamt zu gehen u. nach Haus zu telephonieren, daß ich wohlbehalten in Deutschland angekommen bin, hatten zu Haus doch längere Zeit nichts von mir gehört. Von hier bekam ich noch 3 Tage Urlaub, aber auch nur nach mehrmaliger Vorstellung. 16 Tage haben wir hier gelegen. Die Zeit ist mir nicht lang geworden. Viele haben ihre Frauen hierher kommen lassen, was auch ich tat. Und so haben wir schöne Tage verlebt. Doch ebenso wie schlechte gehen auch gute Tage hin.
16.10.1917 - Abfahrt nach Flandern
Am 16/10. werden wir wieder verladen. Der Eine meint es geht nach Italien der Andere nach den Vogesen u.s.w. Doch alle sind wir der festen Meinung, daß wir mit unsern Knallerbüchsen (d. alte Feldhaubitze 02) nicht nach Flandern, wo es jetzt so wild hergeht, hinkommen.
Bei vielen die hier ansässig sind sind die Angehörigen bei unserer Abfahrt an der Bahn. Eine Militärkapelle spielt u. manches Auge wird naß als wir abfahren u. vorläufig, mancher für immer, Deutschland Lebewohl sagen. Die Fahrt geht über Cassel, Dortmund, Krefeld, Anrath, Achen, Herbesthal nach Belgien. Am 18. morgends fahren wir über die Grenze. Es geht durch lange Tunnels über Thäler nach Lüttich. Wenn wir in Deutschland allenthalben einen herzl. Empfang u. Abschied empfanden so begrüßt uns hier alles kalt u. wiederwärtig. Ja, wir sind wieder in Feindesland.
Es geht weiter über Löwen die Stadt wo unsere Soldaten von den Zivilisten aus den Häusern so fürchterlich beschossen worden sind im August 1914 u. darauf unsere Soldaten schrecklich Rache genommen haben.
Heute am 18/10. vor 4 Jahren feierten wir die hundertjährige Wiederkehr der Völkerschlacht bei Leipzig. Wenn wir damals auch wohl schon ahnten, bei der schönen Feier in meinem Heimatsort wo ich auch dieses bei der Pflanzung der Erinnerungseiche noch besonders hervorhob, daß wir nach den ganzen Verhältnissen zu urteilen noch mal die Klingen mit unsern Nachbarvölkern kreuzen müßten so hat doch keiner dran gedacht, daß der Krieg so an Umfang, so lange u. so schrecklich sein würde u. wer hätte geglaubt, daß ich alter Knochen noch dabei sein müßte.
Es geht weiter über Brüssel, Gent. Wir wissen jetzt was wir alle nicht vermuteten, daß wir doch nach Flandern kommen. Militärtransporte gehen fortwährend hin u. her, ein anderer Betrieb als im Osten.
Weiter geht’s nach Brügge. Hier geht’s links ab nach Thourout dann wieder nordwärts die Strecke nach Ostende. Werden in Iseghem am Abend des 19/10. ausgeladen u. kommen außerhalb des Ortes in eine recht zugluftige Scheune in Quartier. Streu als Unterlage giebts nicht für Mensch u. Pferd. Aber die Nacht geht hin.
Am 20/10. mittags (wir waren grade bei Mittagessen) kam ein feindl. Flugzeuggeschwader u. belegte den Flufplatz hier in unserer unmittelbaren Nähe mit 24 Bomben, 3 Soldaten u. 2 Zivilisten kommen dabei zu Tode.
In solcher Nähe haben wir die Fliegerbomben doch noch nicht heulen hören. Wir merken, daß es hier eine recht kriegerisch gestimmte Gesellschaft ist.
Wir schlagen uns in unserm Windschloß im Pferdemist noch eine Nacht um die Ohren. Trotz der Kälte schläft man vor Abgespanntheit doch einige Stunden.
Heute am 21. ist Sonntag ich gehe zu einem Zivil. (Flamen) Kann mich mit meinem Plattdeutsch sehr gut verständigen. Die Flamen sind durchweg freundlich zu uns.
Hätte gern ein Lebenszeichen nach Hause abgeschickt, aber es ist keine Post loszuwerden.
Des Abends um 6 Uhr kommt der Befehl, in Stellung zu rücken. Unsere Offz. waren des Morgens schon abgerückt um eine Stellung zu erkunden.
Um 6 Uhr 30 rücken wir, (die Gefechtsbatterie) ab. Die Gefechtsbagage bleibt hinten. Es ist gutes klares Wetter. Wir maschieren über Thourout, Kortemark, Amersvelde, Haarenlinde. Hier sind wir um 10 ½ Uhr abends. Von hier soll uns ein Uffz. von der Division abholen u. in Stellung bringen. Aber der gute Mann kommt nicht. Wir warten u. warten. Das I. Geschütz hat die Deichsel gebrochen, die Wege sind sehr schlecht, dazu stockfinstere Nacht. Der Geschützdonner kommt immer näher. Müde u. abgespannt kauern wir auf der Straße rum. Alle Gebäude die wir antreffen sind kurz u. klein. Wir suchen Obdach in einem Stall, hier wird alles zugestellt u. zugehängt u. ein kl. Feuer angemacht damit wir uns etwas wärmen können, doch müssen wir sehr vorsichtig mit jedem Lichtschein sein damit die Flieger uns nicht auskundschaften. Entlich 330 morgens am 22/10. kommt der Führer.
22.10.1917 - Fahren in Flandern in Stellung.
Am 22/10. fahren wir in Flandern in Stellung. Die Batterie setzt sich in Bewegung. Wir kommen über Invartegat, hier stehen die deutschen Batterien dicht an dicht u. donnern raus was eben raus zu kriegen ist. Wir sehen u. hören das Einschlagen der feindl. Geschosse alles große Caliber. Das Artilleriefeuer ist so stark daß man sich mit seinem Nebenmann nicht verständigen kann. Immer wütender wird es. Der 5. 6. u. 7. Munitionswagen sind in Granatlöcher stecken geblieben, ich gehöre zum 4. Wagen. Wir fahren weiter nach Junkershove. Granaten schlagen in umittelbarer Nähe bei uns ein, wir wälzen uns im Dreck, aber weiter geht’s. Da bleibt der 2. Wagen stecken der Vorderwagen ist in einen Granattrichter gefahren die Protzöse (Verbindung von Vorderwagen zur Lafette) abgebrochen u. liegt bald das Unterste oben. Wir können nicht vorbei u. müssen halten. Das feindl. Feuer wird immer stärker es kommt von vorn u. beiden Flanken. Jetzt schießt er mit Gasgranaten, wir setzen unsere Gasmaske auf, dichte vor uns steigen unaufhörlich rote Leuchtkugeln auf. Unsere Infantrie verlangt Sperrfeuer der Feind greift an.
Alle Mannschaften vom 2. 3. u. 4. Wagen müssen ran um den 2. Wagen wieder flott zu kriegen. Granaten werden ausgeladen, doch alle Anstrengungen sind nutzlos. Wir haben die ersten Verwundeten. Der Tag fängt an zu grauen. Wenn die feindl. Flieger uns hier überaschen sind wir alle verloren. Unser Zugführer giebt uns auf unser energisches Zureden schließlich den Befehl, jeder bringe sich in Sicherheit. Auch die Pferde werden abgespannt u. in Deckung gebracht. Die Wagen bleiben stehen. Wir suchen einen Stollen auf. – Platt auf dem Bauche haben wir gelegen u. gedacht, ob wir den Morgen noch mal wieder sehen werden? Das Gedicht Th. Körners kommt mir in den Sinn „Vater ich rufe Dich, brüllend umwölkt mich der Dampf der Geschütze, sprühend umzucken mich rasselnde Blitze, Lenker der Schlachten, ich rufe Dich, Vater Du führe mich,“ u. wieviel schrecklicher sind die Schlachten jetzt gegen 1813. Was nur ein menschliches Gehirn erdenken u. ersinnen kann wird als Mordwerkzeug gegen die Menschen verwandt.
Am Morgen läßt das feindl. Feuer etwas nach. Wir machen uns auf den Weg zu unserer Feuerstellung doch kein Geschütz kein Wagen hat in Stellung fahren können, alles ist unterwegs stecken geblieben.
Wir treffen einige von unsern Offz. hier an in einem Unterstande. Diese haben seit 24 Stunden auch nichts mehr gegessen u. getrunken. Waren doch schon am Tage vorher des morgens zum Erkundungsritt fortgemacht. Das was ich noch an Lebensmittel bei mir habe wird gemeinsam mit den Offz. gegessen.
Dann wurde ich vom Batterieführer fortgeschickt wo der Dokkart, auf den das Handgepäck u. Essen für die Offz. war, abgeblieben sei. Wie ich aus dem Unterstand heraustrete sind grade 3 feindl. Flieger über uns in ca. 50 Mtr. Höhe. Diese werden von unseren Maschinen-gewehren gleich vertrieben. Doch ahnen wir daß unsere Stellung hier ausgekundschaft ist und es bald wieder Eisen regnen wird. Ich mache mich auf den Weg. Jetzt bei Tage sehe ich, was alles die Nacht angerichtet hat. Die Straßen kurz u. klein ein Granatloch reiht sich ans andere. Hier liegen Pferde dort Geschütze u. Wagen dazwischen tote Kameraden. Ein trauriges Bild. Da kommen Infantristen aus der vor-dersten Linie keine Schuhe u. Stiefel über den Füßen alles ist im Schlamm stecken geblieben. Schützengräben giebts hier nicht mehr nur noch Granatlöcher wo die Infantr. sich 24 Stunden in halten muß, alle 24 Stunden wird abgelöst. Aber diese 24 Stunden genügen um körperlich u. selisch einen Menschen kaputt zu machen, u. wieviele kommen aus dieser Hölle nicht zurück. Den Offz. Dokkart finde ich nicht, es liegt mir auch wenig dran noch weiter dahinterher zu suchen, denn inzwischen ist der Tommy wieder angefangen aus allen Schlün-den zu speien, doch der Mensch ist ein Gewohnheitstier u. gewöhnt sich auch an große Gefahren. Man sucht sich bald hier bald dort Deckung. Hier schreien Verwundete dort laufen Sanitäter, doch komm ich, Gott sei Dank, heil zu unserer Feuerstellung zurück. Melde beim Chef, daß ich den Dokkart nicht aufgefunden habe.
Den ganzen Tag u. die darauf folgende Nacht wird daran gearbeitet um die Geschütze in Stellung zu bringen in dem fürchterlichen Morast u. dabei sich nicht von feindl. Fliegern erwischen lassen. Unsere Feuerstellung heißt hier Nachtegall am Houthoulster Wald.
Unsere 4. Batterie die vor uns in Stellung fuhr hatte durch Fliegerbomben 5 Tote u. 6 Verwundete außerdem eine Anzahl toter u. verwundeter Pferde.
Am folgenden Tag fahre ich mit der Küche zurück zur Sammelstelle in Portchuk b/. Thourout. Hier, 5 Stunden, hinter der Front lebt es sich doch ruhiger. Bin hier bei sehr guten Leuten im Quartier u. habe Zeit dies niederzuschreiben. Wir haben diese Tage 2 Tote u. mehrere Verwundete gehabt. Ich danke meinem Schöpfer daß ich gesund aus diesem Schlamassel heraus gekommen bin. Die Nacht vom 21.-22. u. der folgende Tag war ein Großkampftag. Der Engländer griff mit aller ihm zu Gebote stehenden Macht an. Unsere Feuerstellung liegt vor den Feldbatterien und schießen nur Sperrfeuer 2600 Mtr. bis zuletzt runter auf 1800 Mtr. Deswegen sind wir auch so einem fürchterlichen Kreutzfeuer ausgesetzt. Der Tommy schießt meistens mit sehr großcalibrigen weittragenden Schiffsgeschützen u. die können wir mit unseren Knallerbüchsen nicht bekämpfen. Wir müssen uns nur auf Sperr- u. Abwehrfeuer legen, damit unsere Infantrie einigermaßen geschützt ist. Welch ein trauriges Bild dies Kampfgebiet bildet ist nicht zu beschreiben irgend etwas Ganzes was Menschenhand und die Natur geschaffen hat giebts dort nicht mehr. Schön angelegte Heldenfriedhöfe wurden durch Granaten vollständig aufgerissen u. verbreiten einen fürchterlichen Geruch. Unsere toten Kameraden haben im Grabe keine Ruh.
Wir haben eine A. u. B. Geschützbedienung. Alle 4 Tage wird abgelöst. Durch die vielen Verluste kann die Batterie trotzdem alles heran geholt wird u. meistens nur 3 Geschütze in Stellung sind, (ein Geschütz bekam am 2. Tag einen Volltreffer) die Bedienungsmannschaften nicht zusammen finden u. müssen schon Fahrer mit ran.
Doch wegen mein Alter bleibe ich mit noch einigen Alten zurück. Wir werden als Ordonanzen u. Burschen verwendet.
01.11.1917 - In Handzame
Am 1/11. werde ich mit einem Offz. Waffenmstr. u. noch 9 Mann zu einem Maschienengewehrkursus nach Handzame abkommandiert. Hier siehts auch böse aus liegt unter feindl. Feuer. Nachdem wir 1 Woche hier gewesen sind müssen wir abrücken, weil der Engl. den Ort beschießt, nach Thourout. Auf dem Marsch treff ich Fr. Höljer, Vegesack, der als Kompanieführer grade seine Kompagnie in die Flanderschlacht führte.
In Thourout wurden wir in ein Kloster untergebracht, aber auch hier sind (sieht) man die Verwüstungen des Krieges, kein Fenster ganz mehr. Die Flieger kommen sehr häufig u. legen ihre Eier ab. Das Kloster dient als Krankensammelstelle. Hier liegen wir nur 2 Tage u. kommen nun in Privatquartiere. Hier ist nämlich noch Ziviel u. sind auch die Geschäfte noch zum großen Teil auf. Ich verlebe hier gute Tage. –
Unsere Batterie muß schlimme Tage durchmachen. Alle Geschütze sind demoliert unser Munitionslager 1250/15 Granaten und wer weiß was für andere Munition alles ist durch Volltreffer in die Luft geflogen. Unsere Batterie ist vorläufig erledigt. Durch planmäßiges feindl. Feuer sind außerdem noch 3 Batterien erledigt. Unsere Verluste sind bedeutend. Wir kämpften hier in Flandern bei der 20., 40. + 8. Division unter Kronprinz Rupprecht v. Baiern.
24.11.1917 - Von Flandern nach Cambrai
Am 24.11. rücken wir von Thourout wieder ab zur Batterie.
Am 25.11. morgens rückt die Batterie ab. Wir marschieren 26 Klm. weit nach Gnesellaere hier beziehen wir Quartiere. Doch sind wir kaum zur Ruhe da kommt auch schon der Befehl, um 1 Uhr nachts abrücken. Wir kommen bis zur Bahnstation Maldagem ca. 12 Klm. entfernt. Wenn gestern der Wind u. Regen schon stark waren so ist es die Nacht fürchterlich Regen, Schnee + Sturm durcheinander. Um 5 Uhr stehen wir an der Verladerampe u. müssen bei diesem Hundewetter warten bis 9 Uhr ehe wir verladen werden. Doch ein Soldat muß alles über sich ergehen lassen können. Der Zug setzt sich in Bewegung aber wohin steuert der Kurs? Es geht über Gent, Mons bis Caudry hier heißt es nachts 2 Uhr am 27.11. alles fertig machen, aussteigen. Nach einer Stunde setzt sich die Batterie in Marsch. Wir wissen jetzt, daß wir in die Gegend von Cambrai kommen wo der Engländer in den letzten Tagen stark angegriffen u. unsere Front etwas eingedrückt hat. Wir marschieren 8 Klm. bis Briastry. Hier kommen wir in Quartier. Wenn wir uns in Flandern gut mit den Zivielleuten verständigen konnten so ist hier in Frankreich die Verständigung sehr schwer. Doch die Leute sind zu uns gut haben aber im Allgemeinen mit den Deutschen nicht viel im Sinn. Wir liegen hier auf einem großen Hof haben Landwirtschaft, Brennerei + Webfabrik. Der Mann ist in deutscher Gefangenschaft in Minden. Die Frau war 6 Monate als Geißel für die verschleppten Elsässer in Holzminden. Daher kann man sich nicht wundern, wenn eine solche Frau Haß gegen die Deutschen hat. Aber die Madame unterhält sich, so gut es gehen will, sehr viel mit uns, zumal sie auch schon etwas deutsch in Holzminden gelernt hat.
Am 28/11. abends 7 Uhr kommt plötzlich der Befehl zum Abrücken. Unsere Geschütze sind schon in der Nacht vorher in Stellung gefahren. Es geht zurück über Caudry, Esnes an die Front nach Bauteux. Auf den Straßen staucht sich der Verkehr stark auf. Allenthalben Hemmungen u. Halt durch die vielen Kolonnen + Bagagen. Viele gefangene Engländer begegnen uns, diese mit ihrem kleinen Stahlhut machen niederge-schlagene verdutzte Gesichter.
Wir kommen gegen Morgen bei unserer Feuerstellung an, hier riecht’s wieder nach Krieg tote Kameraden u.s.w. liegen herum. Schrappnells platzen Granaten heulen. Wir kampieren unter freiem Himmel Quartiere giebts nicht. Dies ist bei Schnee, Regen u. Kälte grade kein Genuß, auf solche Weise 3 Tage u. Nächte auszuhalten zumal wir auch kein Feuer machen durften wegen der Fliegergefahr. Wir liegen hier in eine Waldschlucht.
Die Wege zur Beobachtung u.s.w. sind sehr gefahrvoll weil der Engländer das ganze Gelände unter Feuer nimmt. Den 4/12. kommt unsere Batterie in Reservestellung u. wir kommen zurück nach Walincourt. Haben hier Zivielquartier. Auch hier treffen wir gute Leute an. Der Mann ist in Deutschland in Friedrichsfelde in Gefangenschaft. Am 7/12. abends kommt der Befehl den anderen Morgen 7 Uhr weiter rücken. Wir haben hier wieder unsere Schuldigkeit getan. Diese Schlacht heißt die Tankschlacht. 300 Tanks hatte der Engländer eingesetzt 100 davon haben wir erobert außerdem 9000 Gefangene.
Am 8/12. morgens 8 Uhr rücken wir ab, aber seit 4 Uhr sind wir schon auf den Beinen damit Pferd, Offizier u.s.w. sein Recht bekommt u. das Gepäck verladen wird. Lieber jeden Posten in der Batterie machen als die Ehre haben u. Offz. Bursche zu sein.
Nach 35 Klm. Marsch werden wir am Nachmittag in Solosmes einquartiert auf eine Ferm (ein großes Bauergut). Hier bleiben wir bis zum 17/12. dann rücken wir weiter über le Cateau ca. 36 Klm. weit nach Grougis im Bereich von St. Quentin. Hier ist das Quartier nicht schön. Die Leute sind verstockte Franzosen. Aber auch hier giebts nicht lange Ruh. Am 20. abends 10 Uhr kommt der Befehl den anderen Morgen 9,30 mit einem Geschütz 2 Munitionswagen u. Zubehör abrücken. Wir marschieren 25 Klm. zurück nach Hauncourth. Wenn wir beim letzten Marsch fortwährend Schneegestöber hatten haben wir jetzt starke Kälte u. Rauhreif. Nach langem Warten bekommen wir ein leidliches Quartier.
Unser 1. Geschütz geht in Stellung um sich einzuschießen. Die andern Geschütze kommen nach u. fahren in Stellung.
Ich habe das Glück u. bleibe im Quartier. Hier verlebe ich mit noch einigen Kameraden das Weihnachtsfest. Selbst der deutsche Weih-nachtsbaum, den man hier in Frankreich nicht kannte, fehlt uns nicht u. wenn er auch nur mit 3 Lichtern geschmückt ist. Der Kuchen von Haus ist ausgeblieben aber das Kommisbrot ersetzt alles, dazu eine Pfeife Taback u. die lieben deutschen Weihnachtslieder erschallen aus 4 rauhen Kriegerkehlen durch unser Franzosenquartier. Unseren Quartierleuten kamen bei unseren Bardensang die Tränen in die Augen. –
Mit sorgsamer Vorbereitung wird der Angriff gegen die Engl. Stellung am 30/12. eröffnet. Wir sind an derselben Stelle wo wir am 27-30/12. gekämpft haben.
Nachmittags werden hier 300 gefangene Engl. durchtransportiert. Der Stoß ist geglückt, aber die Front ließ sich nicht halten u. mußte auf der alten Linie zurückgegangen werden. Hier gehörten wir der 28. R.D. an Infantr. Regtr. 161, 65 u. 28. –
Am 4/1.18 rücken wir wieder von Hauncourth ab nach Grougis wo wir vordem lagen. Hier sind wir bei 2 alten Leuten im Quartier. Habens sehr gut.
Am 12/1.18 werde ich mit einem Leutnd. zum Batail. Stab kommandiert nach Füpichny. Hier verlebe ich Kaisers Geburtstag u. sehe, wie hinter der Front von den Stabsoffzieren ein solcher Tag gefeiert wird. Ich muß Torten u. Kuchen backen der Stabskoch u. die Quartiermacher müssen kochen u. braten, Wein u. Seckt fehlen nicht. So kann denn geschlemmt werden bis die Herren elend sind. Wir haben auch hier gute Quartierleute (Brauereibesitzer) ich backe für denen oft Brod u. bekomme als Gegenleistung Karninchenbraten u. Waffeln. Die Kaiser-geburtstagsfeier ist den Franzosen ein Ekel, weil sie, wie mir der Brauereibesitzer sagt, der festen Überzeugung sind, daß der Kaiser der Schuldige am ganzen Kriege sei. Obwohl wir sehr dagegen redeten u. ihre Ansichten als grundfalsch hinstellten waren die Leute nicht zu überzeugen.
Am 8/2.18. bin ich zur Batterie zurück kommandiert.
12.02.1918 - Heimaturlaub
Am 12/2.18 fahre ich auf Heimaturlaub von Grougis. Wieder einmal habe ich meine Freiheit u. bin aus dem Zwangsleben heraus für 18 Tage. Doch die Freude soll nicht lange dauern. Am 23/2. bekomme ich Nachricht, daß ich mich am 25/2. wieder in Marsch setzen müsse zur Batterie wegen allgemeiner Urlaubssperre.
28.02.1918 - Zurück in der Batteriestellung
Am 28/2. kam ich nach viel hin u. her reisen wieder bei der Batterie an. Diese war nicht mehr in Grougis sondern in Hannases. Aber kaum angekommen wurde ich auch schon wieder abkommandiert, erst versetzt zur Kollonne u. am selben Tage wieder abkommandiert zum Batl. Stab nach Bernot. Unser Stab ist Munitionsstab der 36. Infantr. Division. Hier liegen wir auf einem großen Wirtschaftshof u. sehen wie unsere Etappenkameraden hier ein wohlgefälliges Leben führen. Keine Gefahren, satt zu Essen u. gute Bedienung von seiten des Zivils. Doch spricht man mit diesen Leuten dann sind sie es die das Vaterland erretten u. nicht wir Frontsoldaten, u. dabei haben die meisten dieser Helden noch nie eine Granate einschlagen sehen. Wenn aber ein feindl. Flieger sich von weiten hören läßt dann verschwinden sie im nächsten Keller.
Vom 15-20/3. werden gewaltige Truppenmassen hier zusammen gezogen. Immer mehr schiebt sich alles zur Front. Die Truppen sind nicht unterzubringen u. müssen tagelang im Dreck draußen biwak-kieren, bis St. Quentin liegt alles voll.
Wir werden jetzt ganz der 36. I. D. zugeteilt. Zu unserer Div. gehören Infantr. Regt. 175, 128 u. 5. Grenadire, 36. Feldart. 5. Pioniere, 17. Trän, 4. Batl. R. F. 4 welches wir sind u. andere.
20.03.1918 - Zur Front
Am 20/3.18 rücken auch wir zur Front. Unsere Batterien waren die Nacht vorher in Stellung gefahren. Es hat fürchterlich geregnet u. die Straßen sind dick mit Schlamm bedeckt. Wir übernachten bei unseren Batterien im Biwak an einem Abhang im Gestrüpp. Wegen Kälte u. Nässe ist an Schlaf nicht zu denken. Auch sind feindl. Flieger fortwährend über uns. Große Leuchtkugelfallregen werden abgeschmissen hunderttausend von Leuchtkugeln alle feurig rot erhellen das ganze Gelände. Ein wunderbar schöner Anblick, doch wie bitter verhängnißvoll kann’s für uns werden. Die Fliegerbomben kommen auch gleich hinterher, aber Gott sei dank nicht in unsere Nähe.
Am 21/3. punkt 5 Uhr morgens setzt auf unserer ganzen Front das Tod u. Verderben bringende Trommelfeuer ein, welches in einer fürchterlichen Art bis 11 Uhr morgens anhält. Es wird nach Planquadrat geschossen d. h. jeder Batterie ist nach der Karte ein bestimmtes Quadrat zugewiesen zu beschießen. Die Entfernung ist genau berechnet. So’n Quadrat wird vollständig umgewühlt.
Der Tommy antwortet die ersten paar Stunden noch ist aber durch die Übermacht bald zum Schweigen gebracht. Um 8 Uhr morgens rücken wir ab. Es herscht ein starker Nebel vermischt mit Gas, auch sind Nebelgranaten abgeblasen. Obwohl uns der Schlamm bis überm Stahlhelm eingespritzt hat ist es doch immer besser wie eine brennende Hitze. Des Mittags kommt die Sonne durch u. man kann alles weit umher beobachten. Gewaltige Mengen Truppen sind schon im Vormarsch u. immer wälzen sich neue Reserven heran. Um 4 Uhr nachmittags sind wir über die 3 ersten engl. Stellungen hinweg. Wir rücken gleich hinter der Infantr. mit vor. Unser Stab geht immer an die Spitze vom Bataill. Man sieht, daß bei jeder Truppe Offensievgeist herscht, alles drängt vorwärts. Jeder Soldat hat die feste Zuversicht, das hierdurch der Krieg bald beendet werden kann. Doch die traurigen Begleiterscheinungen eines kühnen Vormarsches bleiben auch nicht aus. Hier Verwundete u. tote Kameraden u. Engländer dort eine ganze deutsche Feldbatterie, die sich im Nebel verfahren hat, von feindl. Maschienengewehrschützen vollständig niedergemäht u.s.w.
Der Feind hält sich in der 4. Stellung sehr zehe, wir werden stark beschossen, neue Infantr. Reserven werden eingesetzt von uns u. der Feind muß seine starke 4. Stellung auch aufgeben u. weiter zurück.
Nach längerem Marsch hin u. her rücken wir in Stellung u. verbleiben die Nacht bei einem großen Stollenunterstand in einem Steinbruch. Hier haben wenigstens ein ganzes Regt. Engl. gehaust. Wir finden hier an Eßvoräten, Rum u. alle möglichen Uniform Bekleidungsstücke u. andere Sachen vor. Wir tun uns ordentlich was zu Gute. Wenigstens 1000 Gefangene sind hier zusammen gebracht viele Verwundete zusammengetragen.
Dieser erste Vormarschtag brachte unsere Division 1200 Gefangene Engl. u. 35 Geschütze ein außer dem vielen anderen Kriegsmaterial. Die Gefangenen sind durchweg alles stramme Leute aus dem engl. Mutterland.
Unsere Division war als erste Angriffsdivision eingesetzt. Uns folgen die 8. 9. u. 10. Division die nach uns eingesetzt wurden. Es geht weiter links von St. Quentin.
Am 22/3. rücken wir auch wieder vor immer den Feind auf den Versen. Es ist schaurig schön anzusehen wie Truppen vorrücken u. wieder im Biwack liegen.
Des morgens haben wir immer Nebel, dies ist für uns sehr von Vorteil, weil die feindl. Flieger unsern Aufmarsch nicht beobachten können, (Soeben begegnen uns gefangene Engl. die verwundete Deutsche u. Engl. zurückbringen) doch am Tage ist immer das schönste Wetter, aber die Hitze bringt Durst u. die Gegend hier ist sehr wasserarm, was für Mensch und Pferd sehr ermattend ist. Kaffee- u. Essen kochen ist jetzt Nebensache die Verpflegung kann nicht ran kommen, doch wir schnurren uns was zusammen u. die eiserne Portion muß herhalten. Nach längerem Marsch wird wieder draußen kampiert. Obwohl es kalt ist schläft man im Freien wie in einem Himmelbett, der Feind befunkt uns fortwährend aber man hört es nicht mehr.
In eine schlimme Situation geriet ich eines Morgens als ich mit einer Meldung im dicksten Nebel zur Batterie mußte. Kaum 100 Mtr. vom Batl. Gefechtsstand fort hatte ich jede Richtung verloren, kam in ein zerstörtes Dorf welches fürchterlich beschossen wurde die Granaten sausten mir um die Ohren, aber keine Menschensele kam mir zu Gesicht. Wollte noch abwarten bis der Nebel verschwunden war, aber bis dahin konnte das ganze Batl. schon abgerückt sein. Nach längerem hin u. her irren hatte ich das Glück u. traf einen von unseren Fernsprechern. Wir gingen die Leitung entlang bis zur Zentrale u. von hier aus die Fernsprechleitung in der Hand kam ich an meinen Bestimmungsort an. Ein zweites mal ein paar Tage später kam ich in dieselbe Verfassung, aber da habe ich zur rechten Zeit kehrt gemacht.
Am 23/3. des Nachmittags setzen wir uns wieder in Marsch, es geht wieder in die vorderste Linie. Ein schwerer Kampf spielt sich hier am Sommekanal ab. Auf unserer Seite ein freies abfallendes Gelände dagegen auf der anderen Seite des Kanals Wald + Gestrüpp. Hier hat sich der Feind festgesetzt. Fürchterlich haben die Engl. Scharfschützen u. Maschienengewehre zwischen unsern Reihen aufgeräumt. Unsere Infantr. hat sehr schwere Verluste. Doch es ist erreicht, auch hier muß der Feind weichen. Wir kommen um 6 Uhr abends am Kanal an. Es wurden eiserne Portionen ausgeteilt u. es giebt zum ersten Mal wieder seit 4 Tagen etwas Warmes im Leibe. Doch kaum haben wir unsern Topf im Kochen da heißt es auch schon wieder Stellungswechsel. Doch der Topf, den wir uns aus einem engl. Graben geholt haben, muß mit, die edle Speise können nicht zurück lassen. Die Nacht wird wieder bivakiert.
Am 24/3. des morgens geht’s weiter der Tommy rennt davon wir können nicht so schnell nach. Wir gehen übern Kannal. Der Engl. hat alle Übergänge gesprengt, doch unsere 5. Pioniere haben in ein paar Stunden den Übergang wieder hergestellt. Es geht bei St. Simon weiter vor. Allenthalben sieht man die fürchterlichen Spuren von der großen Sommeschlacht 1916 u. unsern damaligen Rückzug. – Unzähliges Kriegsmaterial liegt umher. – Mein Kamerad sagt zu mir, heute ist Sonntag: Wir waren alle in der Zeit verbüstert ausser diesen einen. Nun kam es uns zum Bewustsein, daß es Palmsonntag war. Ja, man kennt keinen keinen Sonntag noch Alltag keine Ordnung, halb verwildert.
Die Nacht quartieren wir uns in eine Ferm ein. Die Zivilleute sind geflüchtet, doch ist von allem noch genug für uns vorhanden, Futter für die Pferde u. Karninchen, Hühner u.s.w. für uns. Es wurde geschlach-tet, gekocht + gebraten u. wollten wir mal gut leben, aber die Kriegslage ließ dies nicht zu, plötzlich kommt der Befehl, weiter nach vorne. Wir marschieren auf Freniches zu. Der Engländer hat sich aus dem Staube gemacht wir haben hier Franzosen vor uns. Franz. Verwundete u. Gefallene liegen am Wege große Trupps Gefangene werden zurück gebracht. Kurz vor Freniches bekommen wir ein starkes Artillerie Feuer, ausser einige Verwundete kommen wir aber glücklich in Freniches hinein. Ich muß mit zum Batl. Gefechtsstand u. sind wir ziemlich weit vor unseren Batterien. Die Stellung ist erst eben von den Franzosen verlassen, unsere Maschinengewehre tacken noch hinter dem Franzmann her, unsere Infantr. ist im unaufhaltsamen Vordringen den Feind vor sich herjagen, unsere Batterien pfeffern verherend auf die feindl Linien. Unser Gefechtsstand ist in einem Hause auf einer Anhöhe, von hier aus kann man Freund + Feind beobachten. In den Häusern liegt noch alles so wie die Zivilleute es verlassen haben. In unserm Quartier brennt das Feuer noch unter der Bohnensuppe, der Kanarienvogel in seinem Bauer guckt uns ganz fremd an, Hausgerät Lebensmittel Wein u. anderes liegt in jedem Haus umher.
25.03.1919 - Freniches
Glückliches Deutschland daß der Krieg nicht im eigenen Lande ist, schrecklich auf solche Weise seine Scholle verlassen zu müssen. Hier können wir mit Ruhe 5 Stunden schlafen.
Am andern Morgen d. 26/3. geht’s von hier weiter vor über Fretoy nach Baulje. Tote oftmals sehr in Stücke zerissen liegen allenthalben umher. Die Nacht haben wir in Baulje übernachtet. Am 27/3. rücken wir weiter vor. Die drauffolgende Nacht beziehen wir draußen Biwack. Des abends wird ein Flieger bei uns abgeschossen. Am Nachmittag des 28., es ist Karfreitag, rücken wir wieder weiter. Das Wetter ist rechnerisch u. kalt, die Nacht ist alles andere als angenehm. Alles staut sich auf den Straßen zusammen u. kommen wir nicht vorwärts.
Am 29. bekommen wir den Befehl, den Feind von der Seite anzugreifen, vor uns verteidigt der Franzmann hartnäckig seine Stellungen welche sehr gut ausgebaut, wie wir später gesehen haben, waren. Die Nacht ist anstrengend. Des morgens um 7 Uhr beginnt der Angriff. Wir unterstützen hier die 5. Garde Division. Nach kurzem heftigen Trommelfeuer wird der Feind bis zu seiner 3. Stellung zurückgedrängt, hier hält er sich sehr zähe. Dies ist am 30/3. Sehr viel Artillerie hat der Feind hier stehen u. kostet es uns alle Energie weiter vorzudringen. Aber auch die 3. Stellung muß schließlich weichen. Ein Labirint von Schützengräben durchwandern wir hier mächtige tiefe Stollen sind hier angelegt. Unsere Verluste sind schwer mancher brave Kamerad hat hier sein Leben ausgehaucht.
30.03.1919 - Conchey
Die Nacht vom 30.-31. übernachten wir in einem Walde im feindl. Stollen. Hier bekommen wir sehr starkes Feuer. Der Karfreitag war nicht schön aber am schönen Osterfest sollten wir noch Schlimmeres erfahren. Der erste Ostertag ging für uns noch so leidlich hin. Doch war es ein bedauerlicher Tag für unsere 4. Batterie diese hatte 7 Tote u. 8 Verwundete. Die Verlustzahlen in unserm Batl. mehren sich ganz erheblich. Kameraden mit denen man eben gesprochen waren im nächsten Augenblick nicht mehr unter den Lebenden. Der zweite Tag war auch bald für mich verhängnisvoll geworden. Wir lagen mit 4 Kameraden in einem Loch gegen Sprengstücke etwas geschützt u. aßen unser primitives Mittagsbrot. Auf einmal kommt eine schwere Granate angeheult u. schlägt eine Eiche direkt vor unserm Loch auf Mannshöhe ab pflanzt diese gleich daneben wieder in den nassen Kleiboden ein. Wir hatten uns gleich alle platt geworfen u. kamen mit dem Schreck u. etwas zerfetzten Uniformen davon, doch war unser Gepäck zum Teil sehr durchlöchert. Der Feind gab eine Lage nach der andern rüber u. mußten wir uns schnell in Sicherheit bringen. Beim ersten Einschlag war mir meine Pfeife fortgeflogen 5 Mtr. weit, doch ehe ich mich in Sicherheit bringe muß ich mir erst die Pfeife holen denn in diesem zerstörten Gebiet giebts keine Pfeifen u. ohne Pfeife u. Taback lebt kein richtiger Kriegsmann. Ich laufe nach einem Stollen, doch hier ist alles voll, dazu hat dieser nur einen Ausgang. Eine Granate schlägt jetzt dicht vor den Ausgang ein u. hätte uns bald alle verschüttet. Wir müssen raus u. hinlegen Sprung auf Marsch Marsch geht’s aus dem Walde raus ins freie Feld. Hier suchen wir uns einen ziemlich guten sicheren Stollen auf. Doch bekomme ich von unserm Batl. Kommandör noch den liebenswürdigen Auftrag mit einigen Gespannen die noch im Walde stehenden Wagen soweit sie noch heil waren u. das Offiziers-gepäck zu holen. Alles war aus dem Walde geflüchtet weil der ganze Wald unter schwerem Feuer lag. Doch ich habe meinen Befehl ausgeführt u. danke meinem Schöpfer daß ich heil davon gekommen bin. Wir liegen hier auf freiem Gelände u. dürfen nur in den Stollen u. Schützengräben uns aufhalten. Der Feind kann alles einsehen u. die feindl. Artillerie liegt nur 3 Klm. entfernt.
Wir liegen in einem Gefechtswinkel. Die Verluste werden immer mehr. Dazu kommt, daß unsere Batterien nicht stark genug in Tätigkeit treten können weil der Munitionsnachschub stockt. Auch die Verpflegung ist mies, der Tabak bleibt ganz aus, dazu dies eintönige Maulwurfsleben, 14 Tage lang unaufhörliche Beschießung des ganzen Geländes jeden Augenblick in Lebensgefahr, da behalt einer die Ruhe u. gesunde Nerven. Unser Gefechtsstand, wo ich immer trotz meines Alters sein muß, liegt hier vor Conchey. Unsere Sammelstelle liegt 6 Klm. zurück über Tilloloys in Lonkour.
15.04.1919 - Roye
Am 15/4. werde ich zurück kommandiert zur Batterie. Die Sammelstelle der 3. Batterie liegt bei Roye. Eine schöne Stadt aber alles kaputt u. ausgestorben. Hier machen wir uns an einer Böschung alle kleine Erdlöcher u. bedecken u. statten diese so gut aus wie uns die Mittel zur Verfügung stehen. Ich wohne mit einem Berliner zusammen, nebenbei gesagt ein ganz verfressenes schmutziges Schwein, der war als Ersatz erst bei unserer Batterie angekommen u. somit kannte ich diesen guten Mann nicht genauer, sonst hätte ich lieber allein mein Loch bezogen. Es ist eine ganze Kolonie die sich hier als Erdbewohner eingebuddelt haben. Ein kleiner Wald ist aufgebaut wegen der Fliegersicht.
Es sind dunkle kalte rechnerische Tage u. kriechen wir uns gerne, wenn wir dienstfrei sind in unsere Löcher von 2 Mtr. lang u. 1 Mtr. breit trotz-dem mein Schlafkamerad mir alles andere wie angenehm war. Manchmal herschte eine Pestluft in unserm Salon als wenn eine Gelbkreuz-granate drin geplatzt sei. Die Flieger beasen uns hier häufig, doch lebt es sich hier ruhiger wie auf dem Batl. Gefechtsstand.
Die Straße Roye – Conchey liegt immer unter starkem feindl. Feuer. Von den vielen Pferden die hier fallen holen wir uns manchen Braten. Dies kommt unsern Magen gut zu passe, denn der knurrt stets über die schlechte Verpflegung. Wegen den Tabakmangel stopfen wir die Pfeife schon mit Kirschblättern u.s.w. Auch habe ich viel schw. Tee geraucht.
Am 29/4. rücken wir des morgens ab. Allgemein heißt es, wir kommen in Ruhe, die uns aber auch sehr not tut.
Es geht um Roye nach Freniches ungefehr dieselbe Strecke die wir beim Vormarsch gemacht haben. In Freniches blieben wir nach einem Marsch von 20 Klm. Zufälliger Weise kommen wir in dasselbe Haus in Quartier wo ich beim Vormarsch schon war, doch alles hat sich verändert. Aufgeräumt u. Ordnung, nur der Kanarienvogel war verschwunden, allerdingst auch Wäsche + Betten u.s.w.
Am 30/4. geht’s weiter über Libemont nach Cochney ca 25 Klm. Es regnet, die Wege sind schlammig u. das marschieren sehr beschwer-lich. Wir übernachten im Freien, doch ich habe Wache u. komme somit nicht zum schlafen. Aber kalt ists u. friert man wie ein junger Hund. Des morgens 5 Uhr geht’s weiter. Den Magen habe ich weiter nichts anzubieten wie einen kleinen Happen Brod. Aber es geht von der Front fort u. dies hält einen hoch. Wir kommen über den Crozat Kanal, aber alles haben unsere Pioniere wieder hergestellt was gesprengt war. Weiter geht’s über die Oise. Auch hier sind alle Brücken u. Wege wieder in Schuß. Gefangene Engl. + Franzosen müssen hier stramm arbeiten. Die Engländer sind in den 5-6 Wochen wo wir sie nicht gesehen haben sehr herunter gekommen u. machen einen kläglichen Eindruck nicht rasiert schwarz u. dreckig. Auch die gefangenen Engländer verspüren es am eignen Leibe wie ihre Hungerblockade gegen uns wirkt.
Traurig ist die Gegend die wir jetzt durchqueren, ganze Ortschaften liegen in Schutt u. wünsche ich jedem in der lieben Heimat der den Krieg wegen den für sich aufhäufenden Mammon ausnutzt daß er dies Trauerspiel mal sieht. Wie schön ist es doch für solche, daß andere Männer ihre Leiber zum Schutze dieser dem Feinde entgegen werfen u. sie ungehindert ihr vaterlandsloses Geschäft betreiben können. Wie glücklich kannst du Deutschland sein, daß die Kriegsfurie nicht über dich hereingebrochen ist.
Wo wir beim Vormarsch die toten Kameraden, Engl u. Franzosen liegen sahen sind jetzt die vielen Soldatengräber. Allenthalben Heldenfriedhöfe teils noch aus den vorjährigen Kämpfen. Wie oft sieht man auf diesen französischen Heldenfriedhöfen die Aufschrift, hier ruht Allemans Soldat wieviele von diesen gelten in der Heimat als vermißt.
02.05.1918 - In Nouvion le Komte
Nach reichlich 25 Klm. kommen wir in Nouvion le Komte an. Hier liegen wir jetzt am 2/5. Wie lange wissen wir nicht. Die Quartiere sind noch leidlich heil u. freut man sich ein Dach überm Kopf zu haben. Eine deutsche Militärkapelle spielt in die schöne Abend Mailuft hinein wo ich dieses niederschreibe, ein seltsamer Klang zwischen diesen Ruinen, ein wehmütiges Gefühl überkommt einem. Die Nachtigall zwitschert alles grünt u. blüht. Hoffentlich wächst auch noch mal neues Leben aus diesen Ruinen, doch Jahrzehnte werden darüber vergehen.
Am 8/5. rücken wir abends von hier wieder ab nach dem ca 25 Klm. von hier liegenden Bahnhof la Forte. Hier werden wir am 9/5. morgens verladen.
09.05.1918 - Hier Ruhe
Wir fahren bis Liart. Hier werden wir ausgeladen u. kommen gleich auf den Marsch ca. 6 Klm. weit durch den Ort Marlemont. Auf ein paar einsam liegende Bauernhöfe u. Fermen kommen wir in Quartier. Am Abend des 9/5. hier haben wir es gut. Es giebt satt Milch, Käse u. Apfelwein. Die Zivilleute sind freundl. zu uns. Auch erholen unsere Pferde sich merklich.
Am 18/5. haben wir Parade vorm Kronprinzen zu dessen Armee wir in der letzten Zeit gehören. Er sprach sich sehr lobend über unsere Division aus, eine solche unvergleichliche Division wie die 36. habe er noch nicht unter sich gehabt.
20.05.1918 - Abgerückt zur Front
Unsere Ruhe dauert auch hier nicht lange. Wir verleben hier noch eben das schöne Pfingstfest u. rücken am 20/5. wieder ab zur Front über Liart, St. Jaen Berlise, hier beziehen wir Biwack, Niocourt, Thuel, Liesse wieder Biwack. Allenthalben eine landschaftlich schöne Gegend. Wir marschieren nur in der Nacht, dies ist bei der herschenden Hitze gut trotzdem stäubt es sehr. Bis Liesse haben wir ca 60 Klm. zurück gelegt. Wir marschieren die Straße nach Laon zu. Wir kommen der Front wieder näher man merkt’s an der Fliegertätigkeit. Hier liegen wir bis zum 25/5. abends, dann geht’s weiter zur Front.
26.05.1918 - Vormarsch auf die Marne
Früh 2 Uhr geht’s Trommelfeuer los, wie es heißt aus 3500 Feuer-schlünden. Wir pfeffern raus was die Rohre halten wollen Blaukreuz, Gelbkreuz u.s.w. Um 10 Uhr rücken wir vor. Unser Fernsprech-verbindungstrupp der bei der Inftr. im vordersten Graben war ist aufgerieben. 1 Ltn. u. 1 Mann sind heil zurück gekommen die andern tot u. verwundet. Der Winterberg wie auch der Chemin de Dames (Damenweg) sind genommen. Wir gehen rechts vom Winterberg über’n Chemin de Dames: Allenthalben wieder dasselbe traurige Bild wie bei der März-Offensive. Tausende trifft man an auf den Verwundeten Sammelplätzen. Viel Gefangene begegnen uns Engländer aber zumeist Franzosen, dies sind durchweg bejahrte Leute vom Inftr. Regt. 118.
Der Chemin de Dames bildet eine starke natürliche (Höhenrücken) Verteidigungslinie u. wundern wir uns, daß der Franzmann diese so schnell aufgegeben hat. Doch gegen so fürchterliches Gas kam kein Mensch an. Die ganzen Unterstände sind vergast, es ist uns nicht möglich hinein zu gehen. Es geht weiter übern Aisne Kanal u. der Aisne am 28/5. An Schlaf ist nicht zu denken aber die Aufregung hält einem hoch. Immer wieder andere Bilder traurig u. heiter. So kommen eben 2 Verwundete an haben sich jeder ein franz. Pferd requiriert u. machen trotz ihrer Verwundungen die tollsten Reiterkunststücke.
Alles mögliche an Lebensmitteln u.s.w. wird rangeschleppt. Immer mehr Gefangene begegnen uns. Wir fahren kreuz u. quer. Kaum sind die Geschütze abgeprotzt dann kommt auch schon wieder der Befehl, Vorrücken, den Feind immer auf den Versen. So geht auch der 29/5. hin. Ich gehöre zur Gefechtsbatterie u. bin somit immer vorne. 3 Kühe, Ochsen, Hammel sind in unserm Besitz. Wir melken u. trinken Milch satt. Soeben kommt ein Eselgespann in unsere Batterie. Drauf sitzt einer von unsern Kameraden u. spielt auf einer gefundenen Handharmonika die lustigsten Weisen. Aber nach Heiteres kommt wieder Ernstes.
Es kommt ein feindl. Flieger mit deutschem Aparat u. Abzeichen auf 50 Mtr. Höhe auf uns hernieder u. beschießt uns mit Maschinengewehr. Ich nehme Deckung hinter einer Heumiete u. nehme mir den frechen Burschen mit meinem Karabiner aufs Korn. Obgleich wir den Bruder stark betippert haben konnten wir ihn doch nicht zum Landen zwingen. Unsere Batterie u. der Btl. Stab haben bei dieser Gelegenheit 6 verwundete Männer u. einige tote Pferde. Wir liegen hier in Fresnes sind über Mont + St. Martin marschiert. Am 31/5. sind wir weiter marschiert, treffen viele Tote, manchmal schauderhaft zugerichtet, an.
02.06.1918 - Bei la Charmel
Wir stehen bei la Charmel vor der Marne. Müssen oft unsere Protzenstelle verlegen wegen den Fliegern die uns fortwährend mit Bomben u. Maschinengewehren beasen. Am 2/6. des abends mußte ich einen Befehl u. Essen für’n Offz. 3 Klm. nach vorne direkt an der Marne zur Beobachtung bringen, ein sehr gefährliches Gelände wo ich auf Schritt u. Tritt beschossen werde. Der Feind liegt auf der anderen Seite von der Marne u. kann jeden Menschen hier beobachten. Den letzten halben Klm. habe ich auf den Knien zur Beobachtung zurückgelegt. Doch ich habe den Befehl ausgeführt u. bin Gott sei Dank, heil zur Batterie zurück gekommen u. konnte melden, von der Beobachtung zurück.
Sehr viel totgeschossenes Vieh sah ich hier. Die Marne zu überschreiten ist sehr schwer, weil langgestreckte Anhöhen sich jenseits des Flusses befinden u. der Feind von den Höhen alles beobacheten u. unter Feuer nehmen kann.
Am 5/6. machen wir Stellungswechsel links von la Charmel. Hier müssen wir oft Geschütze, Fahrzeug u.s.w. im Stich lassen u. mit unsern Pferden aus den feindl. Feuerbereich laufen.
Am 12/6. ließ der Batterieführer mich rufen u. frug, ob ich Hanseat sei, dann wolle er mich für Hanseatenkreuz einreichen, doch bin ich Preuße u. geht dies nicht. Vom 12.-13. die Nacht sind wir rausgezogen u. liegen jetzt im Walde nicht weit von Villers of Fere in Ruhe. Die Städte u. Ortschaften Villers, Nesle, Cherges, Fismes, Colery u. Fere wurden fürchterlich vom Feinde beschossen u. liegt es sich hier im Walde viel sicherer.
Unser Waldlager haben wir aufgegeben u. sind jetzt am 20/6. nach einem kl. Ort Lhuis übergesiedelt. Zum erstem mal seit 20/5. haben wir wieder ein Dach übern Kopfe. Aber es kommt mir im Hause schon viel zu enge u. dunpfig vor, das im Freien wohnen u. schlafen behagt viel besser man wird Naturmensch.
27.06.1918 - Tannjeres
Am 27/6. siedeln wir über nach dem benachbarten Tannjeres. Hier habe ich in einen Ziegenstall mein Quartier aufgeschlagen. Vor uns haben hier Senegalneger gehaust. Mit dem Zivil kommen wir gut aus, sie mögen uns lieber als ihre Senegalbrüder. Hier findet man Wohnungen vor die man im kultivierten Frankreich unserseits nicht für möglich hielt nämlich noch Felshöhlen worin ganze Familien hausen, obwohl nur von vorne Eingang u. Licht herein kann. Sonst ist es hier eine landschaftlich schöne Gegend.
Im benachbarten Mont Notre Dame steht auf einem hohen Berg eine uralte Kirche aus dem 9. Jahrhundert mit sehr viel Sehenswürdig-keiten. Die ganze Kuppel ist vor Jahrhunderten von den Spaniern ruiniert bei einem Kriegsdurchzug von den Niederlanden her. Doch die Überreste von Chor Turm u. alles sind gut erhalten worden. Solche Sehenswürdigkeiten sind mal eine Abwechslung im rauhen Kriegsleben.
06.07.1918 - Front bei Nesle
Am 6/7. rücken wir wieder ab zur Front. Wir kommen in ein Waldlager in der Nähe von Nesle. Die Geschütze fahren gleich mit einer Wach-mannschaft in Stellung. Hier im Wald liegt sehr viel Artillerie, Kolonnen, Bagage u.s.w. Jeder Quadratmeter ist berechnet, eine Formation liegt an die andere. Es heißt es sollen ca. 80 Formationen hier zusammen liegen. Wenn dies die feindl. Flieger wüßten welch grenzenloses Unheil kann hier angerichtet werden jede Bombe muß treffen.
Am 15/7. rücken wir weiter vor im Wald bei Fresnes. Unsere Batterie liegt wieder bei Charmel in Stellung.
Am 16/7. des morgens geht der Angriff los. Der Übergang über die Marne wird erkämpft. Pioniere Infantr. u. leichte Artillerie kommen unter schweren Verlusten über die Marne. Viele brave Kameraden haben hier den Tod gefunden, man frägt sich immer wieder, warum muß das sein.
20.07.1918 - Bei Chateau-Thierry
Am 20/7. abends müssen wir schw. Artillerie zur Verstärkung nach rechts zur 10. Landwehrdivision bei Chateau-Thierry. Die Division kann die Stellung nicht halten, doch auch wir können nichts mehr daran ändern. Rechts von Chateau-Thierry greift der Franzmann sehr stark an unterstützt von den Amerikanischen Batl. nen. Viele von den Amerik. Truppen die wir als Gefangene zurückbringen sprechen gut deutsch u. wundern sich über die gute Aufnahme die sie bei uns finden. Es war ihnen gesagt worden, sie würden von den deutschen Soldaten gleich ermordet werden.
Wir müssen den Rückzug antreten. Das feindl. Feuer verfolgt uns fürchterlich.
Am 21. des Abends fahren wir wieder in Stellung. Wir durchqueren 2 mal das feindl. Sperrfeuer, doch ich komme mit meinem Wagen gut durch.
Am 22/7. wird der Druck aber so stark das wir zurück weichen müssen, wir glaubten unsere Batterie schon verloren u. in Gefangenschaft, denn die Brücke über den Ourc-Fluß die die Batterie passieren mußte war kaputt geschossen u. war somit der Rückzug uns abgeschnitten. Doch unsere Division machte einen Gegenstoß u. auf einen weiter links liegenden Übergang konnte die Batterie sich retten obgleich hier die Verluste an Mensch u. Pferde nicht ausblieben.
Am 21/6. des Abends wird von feindl. Fliegern ein großes von uns erbeutetes franz. Munitionsdepot mit Brandbomben in die Luft gesprengt, große Kartuschlager leuchten hell auf dann fliegen Leucht-kugeln umher dazwischen knattert Inftr. u. Maschinengewehrmunition dann folgt das Bersten von den kleinsten bis zu den größten Granaten alles durcheinander. Es ist ein Höllenspektakel die Erde bebt. Wir liegen 1 Klm. ziemlich geschützt davon ab u. können die Sprengstücke uns nicht viel Schaden zufügen. Die ganze Nacht dauert dies Getöse an untermischt von den Granaten die der Franzm. uns rüberschickt. Allenthalben am Horizont sind große Brände ein schauriger Anblick.
Dies ist unmittelbar bei Fere. Wir müssen weiter zurück. Es geht oftmals querfeldein über Gräben u. Böschung aber selbst die Pferde wittern Gefahr u. setzen ihr letztes dran um zu entkommen. Der Stahlhelm wird mir vom Kopf gerissen durch einen Splitter aber der Kopf ist heil geblieben. Fürchterlich ist das Feuer daß über uns geschüttet wird. Doch „Der Dich behütet schläft nicht“ habe ich gedacht u. bin Gott sei dank, gut durchgekommen bis zum Walde bei Nesle wo wir uns wieder gesammelt haben.
Am 23. setzt rechts von uns Hindenburg einen starken Gegenstoß ein u. treibt den Franzmann wieder zurück wo er hergekommen ist.
Es ist uns aufgefallen, daß so wenig Reserven manchmal gar keine in unserm Frontabschnitt zur Verfügung stehen. Es sind sehr schwere Tage die wir durchgemacht haben u. fühle ich mich sehr angegriffen, doch Rücksicht giebts selbst mit einem 44 Jährigen hier an der Front nicht. Auch war der Luftkampf sehr lebhaft u. stürzten alle naselang welche ab. Beobachtungsballons werden in Brand geschossen die Beobachter kommen mit Fallschirmen zur Erde. So giebts fortwährend andere Bilder. Mein gutes Pferd ist mir am 18/7. bei la Charmel auch totgeschossen. – Aber man kann nicht alles Einzelne aufführen es führt zu weit u. die Momentbilder sind zu flüchtig. Die schöne Stadt Fere ist ein Trümmerhaufen. Wir ziehen uns langsam weiter zurück. Im Walde bei Nesles haben wir bis zum 26. gelegen. – Am 26. kommt Joh. Siems von Urlaub zurück mit dem schönen Heimatspaket für mich. Eine willkommene Gabe zu der jetzt schmalen Verpflegung. – Hier müssen wir auch wieder Hals über Kopf zurück die Granaten u. Flieger verfolgen uns auf Schritt + Tritt. Alle Augenblicke kommt der Befehl, fertigmachen, abrücken.
So sind wir bald hier bald dort im Biwack, bis wir in die Gegend von Fismes kommen am 30/7. Hier müssen wir rückwärtige Stellungen ausbauen. Hoffentlich kommen wir von hier in Ruhe, denn unsere Batterie ist abgebraucht. Die spanische Grippe, die sehr viele Kameraden haben, will mir noch nicht recht aus den Knochen, dazu ist man vollständig verlaust von oben bis unten, alles Reinigen u. alle Mittel helfen einen nicht davon ab. Wann hört dies menschenunwürdige Leben auf wo alles dem Ruin entgegen getrieben wird.
04.08.1918 - Der Krieg im vierten Jahr
Heute haben wir den 4. Aug. 4 Jahre Krieg u. noch kein Ende abzusehen. – Pech habe ich heute auch gehabt, habe mir die Mittelzehe am linken Fuß gebrochen, aber deswegen geht der Krieg für mich weiter. Am 4. rücken wir weiter zurück in Ruhe.
Am 5/8. traf ich in Amiefontain Herm. Kriete aus Lesum. Es ist immer eine besondere Freude wenn man zufällig Landleute aus der Heimat trifft.
Diese Gegend ist fürchterlich verwüstet kein Stein auf den anderen, kein Baum ganz, ein Granatloch am andern. –
06.08.1919 - Chateau Porcien
Am 6/8. sind wir in Chateau Porcien es geht über Rethel, Amagne-Locpuy u. Lunden am 8. in Jonval ein kleines Nest. Hier sollen wir die Ruhe genießen. Es ist für uns als wenn wir in eine andere Welt gekommen sind. Dies ewige Zerstörungswesen vor Augen haben, nichts als nur Soldaten sehen macht einen Mensch stumpfsinnig u. freut man sich wie ein Kind, wenn man geordnete Verhältnisse sieht u. darin leben kann.
10.08.1918 - Verleihung des E.K. II
Am 10/8. hatten wir Parade vor’m Divisionsgeneral. Sämmtl. Truppenteile die zur Division gehören waren durch Abordnungen vertreten. Wir waren in ein Viereck aufgestellt. Darauf besichtigte der General jede Formation sprach viele von uns an. Hierauf mußten alle die zur Auszeichnung vorgeschlagen waren in dem Viereck zusammen treten. Zu diesen gehörte auch ich, wir waren von unserer Batterie mit 5 Mann, 4 bekommen das Eis. Kreuz II. Klasse u. 1 das E.K. I. Der General (Generalmajor v. Leibzig) unterhielt sich mit jedem, auch mit mir längere Zeit. Darnach wurde mir vom Adjudanten des Generals das E. K. übereicht. Unser Batl. Kommandör heftete es mir an. Darauf folgte die Beglückwünschung vom General bis zu unsern Batterieoffizieren. Der General nahm hierauf die Parade ab. Der Parademarsch klappte trotz der alten Knochen gut. Dann rückten wir wieder nach unsern Quartieren.
Der Ruhe sollten wir uns nicht lange erfreuen. Die Nacht vom 14/8.-15/8. wurden (wir) ganz plötzlich u. unverhofft allarmiert. Der Befehl lautet, alles fertig machen um 5 Uhr Abmarsch. Um 6 Uhr morgens wurden wir schon in Attigny verladen. Wohin wollen sie jetzt mit unserer Bruchbatterie, alles halb dazu noch eine Menge Mannschaften auf Urlaub. Von der Division war nämlich der Befehl gekommen, es sollten alle Leute, die innerhalb einem Jahre kein Urlaub gehabt fahren weil voraussichtlich die Ruhe hier 3 Wochen dauert.
Wir fahren über Charleville, Namur, Mons u. kommen nach Cantin. Wir fahren hier bald auf dem einen bald auf dem andern Ufer der Maas entlang. Auf beiden Seiten hohe Felswände dazwischen das schön grün eingesäumte Flußbett mit seinen Städten u. Ortschaften. Die Maas bildet eine starke natürliche Befestigungslinie. In Cantin werden wir gleich ausgeladen und kommen am 16/8. in Bugnicourt in Quartier.
Am 20.-21. die Nacht werden wir allarmiert. Der Engländer plant einen großangelegten Angriff hier u. muß unsere Division nach vorne. Wir bleiben in Arleux die Geschütze fahren in Stellung. Ich habe das Glück u. bleibe jetzt bei der Gefechtsbagage, aber wie lange wohl? Hier treffe ich zufällig K. Fullriede aus St. Magnus. Der ist bei der Bäckereikolonne 144 des 9. Kohrs.
Am 27/8. sind wir von Arleux fortgemacht zur Front. Unsere Batterie hat ziemlich starke Verluste vor allen viel Pferde verloren. Der Engl. greift hier fürchterlich wütend an mit vielen Tanks. Auch sind feindl. Flieger sehr tätig u. kommen zu hunderten rüber. Unsere Flieger sind aber auch auf’n Posten u. sieht man stündlich Fliegerkämpfe. Die Infantrie scheint zum Vorgehen u. Standhalten auch keinen großen Mut mehr zu haben. Deswegen muß durch starke Artillerietätigkeit der Feind hauptsächlich zurückgehalten werden. Der Feind muß nach den harten Angriffen zu urteilen schwere Verluste haben. Immer wieder frägt man sich, wozu ist es nötig, daß soviele Menschenleben u. Gut unnütz geopfert werden, ist es noch immer noch nicht genug des grausamen Spiels? Hier liegen wir bei Inchie. Die ganze Front in der Gegend von Bapaume wird zurückgenommen. Unsere Div. wird rausgezogen.
02.09.1918 - Bei Lille in Ascq
Nach 3 Nachtmärsche kommen wir nahe von Lille am 2/9. in Ascg in Quartier. Hier werde ich von unserm Batterieführer als Offz. Koch angestellt u. habe mit Batteriedienst nichts mehr zu tun. Am 13/9. rücken wir nordöstlich von Lille nach südwestlich nach dem Ort Allennes. Wenn in Ascq noch wenig Kriegsspuren zu sehen waren, schöne Häuser viel Zivil, so sieht es hier nach dem Gegenteil aus. – Am 17/9. ist unsere Batterie in Stellung gerückt vor la Bassee. Am 18/9. sind wir weiter südlich gerückt nach Charphin u. Camphin. Hier lag ich erst bei einem Pfaffen in Quartier der war uns Deutschen aber nicht sehr wohl gesinnt. Nachdem kam ich bei einfachen Bürgersleuten in Quartier. Dies waren sehr gute Leute. Diese mußten aber auch ihr Hab u. Gut verlassen u. weiter zurückwandern. Ein trauriges Bild wenn man tagtäglich sieht wie alles ruiniert wird u. Greise, Frauen u. Kinder mit ihrer notdürftigsten Habe die Landstraßen belagern u. rückwärts ziehen müssen. Und dennoch tragen die Leute ihr Geschick mit dem größten Gleichmut.
Unsere Feuerstellung ist hier in Charphin auf einer Kohlenzeche. Am 2/10. sind wir weiter zurückgezogen nach Meringn ... Hier erleben wir das Friedensangebot an Willson durch die Deutsche Reichsregierung. Ob’s diesmal was wird?
Unsere Batterie liegt hier in eine Zuckerfabrik. Allerlei Friedensgerüchte durchschwirren die Luft. Die Mannschaften haben sich schon feste einen hinter die Binde gegossen in der Hoffnung bald nach Muttern zu kommen.
Am 15/10. werden wir weiter nordöstlich nach Bachy geworfen. Die folgende Nacht geht unsere Batterie schon wieder vor nach Attigny.
Man weiß nicht wie es mit dem Frieden wird, lauter unkontrulierbare Gerüchte werden laut, ist Deutschland verloren?
Alle Straßen sind durch Sperrböcke u. Pfähle, damit die Tanks nicht durchkommen können gesperrt. Mienen bis zu den größten sind an allen Knotenpunkten des Verkehrs ob Straße, Bahn oder Brücke gelegt. Doch wird kein Privateigentum ruiniert. Dies ist für jeden Soldaten wie für die Befehlhaber bei hoher Strafe streng untersagt, auch darf nicht geschossen werden.
18.10.1918 - Über Tournai nach Hergouis
Am 18/10. geht’s von Bachy weiter über Tournai nach Hergouis. Wir sind jetzt wieder in Belgien. Man sieht es gleich an der Grenze, daß im allgemeinen im bezug auf Wohnwesen u. Landwirtschaft hier mehr Ordnung herrscht als in Frankreich. Wenn auch Nordfrankreich vom Kriege sehr stark mitgenommen ist so sieht man aber an allen Einrichtungen daß trotz des Wohlstandes ein gewisses Lodderwesen herschte. – Tournai ist eine schöne Stadt wird aber bald auch das Kriegselend zu kosten bekommen.
07.11.1918 - Nach Brüssel
Am 7/11. geht’s weiter auf Brüssel. Wir kommen in einer Vorstadt in Quartier. Hier herscht Großstadtleben elektr. Straßenbahn, Theater u.s.w. Man sieht sich in eine andere Welt versetzt. Hier sieht man wie unsere Etappe lebt hier läßt sich der Krieg wohl aushalten. Unser Erstaunen ist aber groß als wir hier hören das Deutschland Republik ist, daß in unserm Vaterlande sich eine ... Umwälzung volzogen hat, das Volk hat die Gewalt an sich gerissen. Hoffentlich rutschen wir auf der schiefen Ebene wo wir zuletzt angekommen waren durch diese Umwälzung nicht noch weiter herunter. Wie es erst hieß solle es im feindlichen Auslande genau so sein wie bei uns, aber der deutsche Michel hat sich wieder mal geirrt.
11.11.1918 - Waffenstillstand
Am 11/11. kommt der langersehnte Waffenstillstand. Ganz Brüssel u. Belgien flagt u. ist aus dem Häuschen. Die belgische Nationalflagge weht aus jeden Knopfloch nur findet man nirgends eine rote Flagge, die Internationale scheint hier keinen Anfang zu haben.
Wenn man sich auch sehr freut das endlich mal das Morden ein Ende hat, so tut’s einem doch weh, daß man wie ein begossener Pudel von dannen ziehen muß. Wir stehen weit in Feindesland u. wer weiß was für einen Frieden wir unterzeichnen mußten.
Wir brauchen jetzt nicht mehr bei Nacht zu marschieren sondern können ungehindert ohne Fliegergefahr bei Tage uns bewegen.
Wir marschieren von Brüssel am 17/11. über Löwen, Thierlemont, Lüttich. Die Marschstraßen liegen voll von toten Pferden, kaputten Lastautos, Wagen sogar Geschütze u. Mienenwerfer treiben sich herum. Vollbeladene Güterzüge stehen auf freier Strecke u. sind zum großen Teil ausgeraubt. Keine Eisenbahn fährt mehr alles ist in vollem Betriebe von den Mannschaften verlassen worden. Keiner hat noch 1 Prozent Pflichtgefühl gezeigt. Die Proviantämter sind geplün-dert die Fronttruppen können auf dem Rückmarsch kaum die nötige Verpflegung finden. Brod müssen wir uns selber backen. Allenthalben findet man das Bild der Auflösung u. der Willkür, eine Folge des zulang gedauerten Krieges.
Die belgische Bevölkerung läßt uns durchweg ihren Nationalstolz spüren u. fühlen sich hocherhaben über uns. Eine Frau sagte zu mir, wir sollten jetzt bis hinter Berlin gejagt werden, worauf ich ihr erwiederte, ob die belgischen Frauen das machen wollten ihre Männer wären jedenfalls zu schlapp dazu. Nein, meinte sie, dies besorge der Engländer. Die engl. Truppen folgten uns nämlich auf dem Fuße nach. – Wir treffen aber auch gute Leute an die uns sehr gut im Quartier aufnehmen u. die uns nicht als die Barbaren ansehen.
Die Märsche sind anstrengend. Gut ist es, daß nicht der Winter mit Schnee u. Glatteis einsetzt, sonst würden wir bei den teilweise hohen Bergen in der Gegend von Lüttich was zu kraksen haben. Vor allen ist dies gut für unsere Pferde, denn Kraftfutter ist nicht zu bekommen u. sind sie sowieso Schlapp.
Ein Glück ist, daß die oberste Heeresverwaltung mit Hindenburg am Ruder geblieben ist. Nun geht doch der Rückmarsch genau nach dem Programm organisatorisch von statten. Jede Division jede Truppe hat zur bestimmten Zeit die Marschstraße zu passieren damit sich nichts zusammen staut u. wir somit zur festgesetzten Zeit das besetzte Gebiet überschritten haben. Wie wäre es wohl gekommen, wenn jede Truppe nach eignem Gutdünken marschiert wäre ohne eine oberste Leitung. Die vielen Millionen Soldaten mit dem kolossal vielen Kriegsmaterial hätten sich einander auf den Straßen totgeschlagen um der Gefangenschaft zu entgehen u. wieviele hätten in den 10 Tagen die deutsche Grenze nicht erreichen können.
Doch es hat geklappt. Hindenburg war ein Vormarschstradege ist aber auch unübertrefflicher Rückzugsstradege.
Wir quartierten in Belgien bald in einem herrschaftlichen Schloß, bald im armen Häuschen, hier im Bauernhof dort bei einem kath. Priester. Weil die Leute meist flämisch sprechen können wir uns gut verständigen. Doch dürfen wir keinen zuviel trauen u. haben wir zur Vorsicht unsern Karabiner stets bei der Hand.
Wir haben beim Durchmarsch durch Belgien unser Deutschtum nicht verleugnet, erst vereinzelt dann die ganze Batterie ja die ganze 36. Division führte die schwarz-weiß-rote Fahne an den Geschützen, Wagen, Pferden u. Gewehren mit sich.
22.11.1918 - Grenzüberschreitung nach Deutschland
Am 22/11. nachmittags 3 Uhr überschreiten wir in Herbestal die Grenze u. sind wieder im lieben deutschen Vaterland. Ein anderer Odem weht uns hier entgegen. Wenn in ganz Belgien über uns die scharz-gelb-roten Fahnen wie Hohn flatterten so begrüßte uns hier alles schwarz weiß rot. Kleine Mädchen u. Schwestern spendierten Cigaren u. Sträuße.
Große Ehrenpforten u. Guierlanden mit sinnreichen Inschriften sind errichtet deutsch wird man wieder von jedem angesprochen, ein schönes erhabenes Gefühl.
Wir marschieren weiter nach Vohlkenrad. Hier sind wir bei deutschen Bauersleuten in Quartier. Dann geht’s weiter über Stollberg, Eschweiler, Hastenrath. Hier sind wir bei einer alten Mutter die auch 3 Söhne im Felde hat in Quartier. Habens hier gut. Der Marsch geht weiter nach Düren hier im Quartier haben wir Gelegenheit zum Baden, dies tut uns aber sehr not, denn die Läuse nehmen so fürchterlich zu daß man sich nicht mehr davor retten kann. Das Fell ist mir zum Teil schon kaputt von dem vielen Kratzen. Unsere Quartierleute hier sind eingewanderte Hamburger haben eine chemische Fabrik hier, feine gute Leute. Das nächste Ziel ist Horrem. Hier liegen wir bei einem Gasanstalts-angestellten im Quartier. Arme Leute mit einer ganzen Anzahl Kinder. Werden aber so gut aufgenommen u. verpflegt wie wir es uns garnicht besser wünschen können. Nun geht’s weiter nach Cöln übern Rhein nach Deutz hier bleiben unsere Pferde auf einen großen freien Platz die Nacht stehen u. wir finden Obdach in einer großen Schule. Hier am Rhein stauen sich kolossal viel Truppen zusammen. Das Lager was die einen Truppen eben verlassen haben belegen die darauf folgenden wieder. Die Truppen ziehen wohl ab, aber eine stattliche Anzahl Läuse bleibt immer zurück u. die Nachfolger bekommen immer eine neue Züchtung Läuse hinzu.
27.11.1918 - Überschreitung des Rheins
Am 27/11. sind wir übern Rhein marschiert u. 28. früh wieder zurück nach Cöln. Hier werden wir auf der Marienburg teils in einem alten Fort in Schulen u. Bürgerquartier untergebracht. Der Empfang war im ganzen links Rheinland überaus herzlich alle freuten sich daß die Fronttruppen in solcher Ordnung zurückkamen was bei den Etappentruppen ganz das Gegenteil gewesen sei. Hier in Cöln hat unsere Division 3 Tage den Sicherheitsdienst übernommen. Wir haben jetzt Zeit die Sehenswürdigkeiten von Cöln zu besehen.
Viel Kriegsmaterial vor allem Geschütze zum großen Teil ganz neu wird weiter nach dem innern Deutschlands geschafft. Die Cölner Jugend spannt sich vor Geschütze u. Wagen u. schafft alles übern Rhein damit dem Engländer nicht zuviel in die Hände fällt.
Am 1/12. rücken wir von hier ab über die Kaiserbrücke, Deutz, Mühlheim u. beziehen in Schlebusch wieder Quartier. Hier werden viele Leute von unserer Batterie entlassen. Auch ich dränge auf Entlassung habe aber keinen Erfolg. Doch eine Verordnung lautet, daß Leute die auf dem Marsch näher bei ihrem Heimatorte sind als der Bestimmungs-ort der Truppe ist unterwegs entlassen werden sollen u. ich kann von hier eher zu Hause kommen als von Magdeburg. Es geht weiter über Remscheid nach Lennep. Hier übernachten wir wieder. Von hier geht’s weiter nach Hagen i. W. Die ganzen Marschstraßen die wir passiert sind reiht sich eine Ehrenpforte u. Guirlande an die andere. Die einzelnen Städte u. Ortschaften bieten immer einen besonderen Willkommensgruß. Trotz der traurigen Verhältnisse in Deutschland hat das deutsche Volk uns nicht vergessen u. mit dankbarem Gefühl werden wir aufgenommen.
03.12.1918 - Entlassung in Hagen
Nach meiner wiederholten Vorstellung wegen Entlassung bekomme ich in Hagen meine Entlassungspapiere u. werde mit meinem besten Kriegskamerad J. Siems wo ich vom Anfang mit zusammen gewesen bin hier in Hagen entlassen. Dieser Entlassungstag ist der beste Tag vom ganzen Kriege. Jetzt heiß es für uns Artilleristen entgültig u. für immer, Rohre frei !
Wir fahren die Nacht vom 3-4/12. von Hagen über Hamm, Münster, Osnabrück, Bremen u. bin ich am 4/12. nachmittags glücklich u. leidlich gesund bei Muttern.