Reinsdorf (Fläming)
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Regional > Bundesrepublik Deutschland > Brandenburg > Landkreis Teltow-Fläming > Reinsdorf (Fläming)
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Heimat- und Volkskunde
- L. A. [Carl Joachim Friedrich Ludwig] von Arnim: Der Brunnen in Rheinsdorf. Gedicht mit 27 Strophen. [hier: Strophe 1-10:]
- Friedenruf durchtönt die Gassen, hoch vom Thurme ausposaunt;
- Reiter ziehn, belehnt entlassen, fort aus Halle frohgelaunt.
- Jeder hat sich ausersonnen einen neuen Lebenslauf,
- Hoffnung geht in Friedenswonnen über einer Wildniß auf.
- Heimkehr sammelt Dorfgenossen nach dem dreißigjähr´gen Kampf;
- Viere steigen von den Rossen deren Athem heißer Dampf.
- Rastlos sind sie heimgeritten, jeder sucht sein Vaterhaus,
- doch die Häuser und die Hütten, brannte Kriegesfeuer aus.
- Nicht die Stelle ist zu kennen, wo das Dorf am Flämingsrand
- lag, das sie als Heimat nennen, doch schon winkt die höhre Hand.
- Alles sank in Kriegesjahren, nur die starke Kirchenwand,
- konnte dachlos sich bewahren, zeigt im Wald, wo Rheindorf stand.
- Heinrich will zur Kirche treten, Vetter Gottlob hält ihn fest;
- Morgen ist noch Zeit zum Beten; jeder suche erst sein Nest.
- Sieh der Gärten Scheidefahren zeigen trotz der Wildniß bald,
- Wo der Eltern Häuser waren in dem dichten Birkenwald.
- Wo im Krieg die Eltern blieben sagt kein Nachbar rings umher,
- ist hier an kein Kreuz geschrieben, da der Kirchhof wüst und leer;
- Hier kein Kirchhof und kein Küster um ins Kirchenbuch zu schaun;
- Pest, Krieg, Hunger sind Geschwister; in der Fremde sucht euch Fraun.
- Keiner sich im Gram versäume, folgt der Welt in ihrem Lauf!
- Jetzt zur Arbeit fället Bäume, räumt die alten Höfe auf!
- Sucht die alten Grundsteinmauern; denn wer weiß, des Vaters Schatz
- leuchtet nächtlich unter Trauern, daß der Sohn nicht fand den Platz.
- Hart gewöhnt in harten Zeiten, leichten Sinns bei gutem Muth,
- wissen sie sich zu bereiten Obdach gegen Regenfluth.
- Doch nun schrecken sie zusammen; diese eine Sorge quält:
- Gegen heiße Durstesflammen ihnen hier der Brunnen fehlt.
- Nirgends ist der Born zu finden, der das ganze Dorf gertränkt; -
- Langsam war er aufzuwinden, er war hundert Fuß gesenkt;
- Durch des Bergmanns Kunst getrieben in den Berg zum Quellensand,
- ist er unerschöpft geblieben, Wasser sich stets drinnen fand.
- Wer kann jetzt den Brunnen finden, der zur Quelle niederdringt,
- der die Tiefe kann ergründen und den Bau zu Stande bringt!
- Da entsinkt die Axt den Händen, Gottlob zäumet gleich sein Pferd,
- daß sie andre Landart fänden, wo das Wasser nah der Erd.
- Gottlob ruft: "Laßt mich nur sorgen! Zieht ins Ländchen von der Höh`!
- Quellen, die hier tief verborgen, finden wir da gleich am See".
- Dreie woll`n zu Pferde steigen; Heinrich weicht nicht so geschwind:
- "Erst zur Kirch´! ich will euch zeigen, wo wir eingesegnet sind".
- Doch da hemmt sie ein Verkünden; Aus der Kirche tönt es laut:
- "Einen Brunnen wird der finden, der auf Gott, den Herrn, vertraut!
- Einen Brunnen voller Gnaden, einen Brunnen, der da kühlt,
- der da heilt des Feuers Schaden, das des Sünders Herz durchwühlt".
- "Bleibt und baut!" Die Geisterworte trieben schneller sie zu Roß;
- Jeder scheut die Todespforte, der das Leben gern genoß.
- Doch der Schrecken lähmt die Glieder, als zur Kirchenthür heraus,
- eine Jungfrau grüßt als Brüder, die ergriffen stehn vom Graus.
- "Aennchen hieß ich, kleine Anne; Bruder Gottlob, kennst du mich?
- und in diesem ernsten Manne grüß ich, Vetter Heinrich dich!
- Doch ihr wollet noch nicht hören, haltet mich für Höllentrug, -
- euren Irrthum zu bekehren flattert her der Tauben Zug".
- "Seht, sie lassen sich ernieder, setzen sich aufs Haupt mir fest,
- setzen hier sich auf mein Mieder, ruhig, sicher, wie auf´s Nest".
- Seht ich biete ihnen Futter mit dem Mund beim Wiedersehn,
- küssend nähr ich sie als Mutter, ihre Flügel mich umwehn".
- Seht, die Ziege kommt gesprungen, auferzogen einst mit mir.
- Kennt ihr sie? Seht her, die Jungen hüpfen auf das alte Thier!
- Bleibt und sehet rings den Frieden! Auch das Reh sich mir gesellt.
- Seht, das Paradies hienieden, eh die Sünde auf der Welt".
- Dieses Wunder lockt die Reiter, und sie schaun den Geist nun an;
- Ihre Augen werden heiter, und sie nah´n sich Mann für Mann.
- Tief ins Herz durch Lederkoller dringt des Blickes Thränenschmuck;
- Aller Augen schimmern voller; Heinrich bietet Händedruck.
- "Ja, das ist die kleine Anne! Wohl zehn Jahr vergangen sind -
- Ich war schon gereift zum Manne, sie war noch ein lieblich Kind;
- Doch wir hielten stets zusammen, und das Kind war mir so gut;
- Weil aus einem Haus wir stammen, lag es uns schon so im Blut.
- So beim letzten Erntefeste bringt sie mir zuerst den Krug,
- achtet nicht die alten Gäste; - Ich ward aus dem Kind nicht klug,
- das, zur Jungfrau schnell verwandelt, Durst verwandelt in den Kuß;
- Bald ein Kuß ist eingehandelt, weil den Krug sie schützen muß.
- Ja, du nahmst mir, statt zu trinken, zweimal Küsse ab mit List,
- und im Tanz dein frohes Winken sich doch nimmermehr vergißt.
- Heinrich, das ist nun vorüber! Gegenwärtig ist die Noth;
- Ach! Kein Kuß löscht Durst im Fieber, Thränen netzten hier mein Brot".
- "Mir der Taufstein sammelt Regen, dort der Pfuhl, der tränkt mein Vieh,
- doch euch gnügt, dieser Segen, selbst für Wen´ge reicht er nie. -
- Hört, ich hoff euch zu entdecken, wo der alte Brunnen stand,
- den der Schulze ließ verstecken, daß der Feind ihn nimmer fand".
- Holz und Erde drauf ließ decken, und dann starb er an der Pest.
- Feuer flog aus allen Ecken, als nun kamen fremde Gäst´;
- denn sie merkten wohl die Tücke, daß der Brunnen zugedeckt;
- Ich blieb einsam krank zurücke, denn die andern flohn erschreckt".
- Nur ein Zeichen ist mir blieben, - Heinrich, ach, das kennst du nicht!
- Denn ganz heimlich war mein Lieben; Nur die Noth heut aus mir spricht.
- Wenn ich Wasser sollte holen von dem Brunnen, unverwandt
- blickt ich zu der Kirch´ verstohlen, wenn die Thüre offen stand.
- Heinrich saß da. Zwar verschwunden ist der Stuhl im Kirchenbrand,
- doch ich hab ein Kreuz gebunden dort gesetzt mit treuer Hand.
- Denn wie konnt ich wohl noch glauben, dich auf Erden je zu sehn!
- Auf dem Kreuze sitzen Tauben; "Heinrich sieh, da mußt du stehn".
- Wie er zu dem Sitz sich stellet, geht sie mit den andern fort;
- Manches Bäumchen wird gefället, eh´ sie schaut den rechten Ort.
- Doch nun kniet sie plötzlich nieder, seufzt mit ausgestreckter Hand:
- "Ja, nun seh ich Heinrich wieder! Seht wir stehn am Brunnenrand!"
- "Spaten habt ihr auf dem Pferde mitgebracht zum Gartenbau,
- werfet ab die Rasenerde! Hohl erklingt´s, und Holz ich schau!
- Ihr seid stark; wer wollte meinen, daß ihr solche Balken hebt! -
- Wonne! seht das Wasser scheinen! wie´s zu uns im Blicke bebt!"
- "Dankt dem Herrn, der ihn erhalten, diesen Brunnquell reich und voll!"
- Jeder muß die Hände falten; das Gebet vom Herzen quoll. -
- "In der Kirche liegen Ketten wohlverwahrt bei Heinrichs Stuhl,
- auch den Eimer thät ich retten, holt in her vom Wasserpfuhl".
- Wie er erste Eimer steiget wohlgefüllet hoch empor,
- sich die Abendsonne neiget, und es singt der ganze Chor
- das "Allein Gott in der Höhe!" Und bei diesem ersten Trank
- sich verlobend zu der Ehe Heinrich Annen fest umschlang.
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