Schneider
Bebilderte Ständebeschreibung: Die Handwerker, organisiert in ihren Amt, ihrer Zunft oder Gilde waren in den Städten des HRR maßgend bei der Wahl der lokalen Bürgermeister und des Rates („Deutsches Städtebuch“).
Einleitung
Namensherkunft und Bedeutung
- mittelhochdeutscher Berufsname "snidaere" => "Schneider, Schnitzer"
Namensvarianten
- Snyder (1339), Snydir (1367), Schneider (1478), Snieder (1520, Haltern am See), Schniers, Schneiders
- Schröer (1614): Schniedermeister Johan Steman gt. Johan Schröer (1614, Haltern am See).
Frühe Hausnamen
- 1498 Snyder in Bocholt, Coesfeld, Lembeck
- 1498 Snyder in Coesfeld, Hersfeld
Tätigkeitsfeld
- Zuschneiden und nähen von Kleidung nach Maß.
- Wolltuch für einfache Leute
- Samt und Seide für Fürsten, Hofgesinde, Adel und reiche Kaufmannschaft
- Anfertigung von Baldachinen verschiedener Art
- Anfertigung von Zelten für Feldläger, Jagd und Lustgärten.
- Anfertigung von Pferdedecken zum Lanzenstechen, für Turniere
- Wäsche- oder Weißnäherinnen nähten ausschließlich Bett- oder Tischwäsche.
Auf dem Lande
Nebenerwerb oder hauswirtschaftliche Tätigkeit. Häufiger arbeiteten schneidernde Frauen außerhalb der Zünfte in den Städten als Kleidernäherinnen oder Flickschneiderinnen.
Gilden in Städten
Ab dem 12. und 13. Jh. z. B. in Köln in den Bürgerlisten der Jahre 1135/1180 Schneider nachzuweisen. Seit dem 14. Jh. waren Schneider, Schröder oder Kleidermacher zunehmend in Gilden organisiert. 1325 errichteten die Braunschweiger „Schrader“, 1352 ihre Frankfurter Kollegen eine Zunft. In Münster läßt sich eine Schneidergilde bis in das Jahr 1366 zurückverfolgen, und in Lübeck stammt die erste Handwerksrolle aus dem Jahr 1370. Das zünftig privilegierte Stadthandwerk versorgte zwar einen Teil des ländlichen Umlandes mit, mußte aber hier immer mit der Konkurrenz des Landhandwerks rechnen.
Rohstoffequelle
Die zu verarbeitenden Stoffe mußten entweder vom Kunden gestellt oder von einem Tuchhändlern (Tucherer, Gewandschneider) bezogen werden.
Mitarbeiter
Wie in andern Handwerken auch war die Zahl der Gesellen und Lehrlinge beschränkt (Selten drei und mehr Gesellen). Diese lebten noch im frühen 19. Jhdt. recht häufig im Haus ihres Arbeitgebers. Allein in der Damenschneiderei fanden gelegentlich auch Frauen Beschäftigung. Mitarbeit von Meisterfrauen und -töchtern war in allen Bereichen der Schneiderei verbreitet. Die Ehefrauen oder älteren Töchter betreuten oft den weiblichen Teil der Kundschaft und führten insbesondere die Anproben durch, dies ersparte zusätzliche Lohnkosten.
Schneider gehörten nicht zu den wohlhabenderen Handwerkern, sondern finden sich vielmehr auffallend häufig auf städtischen Almosenlisten oder mit der Bemerkung „pauper“ gekennzeichnet. Das sprichwörtliche „arme Schneiderlein“ bestimmte das Berufsbild.
Wäscheschneiderinnen oder Weißnäherinnen
Wäscheschneiderinnen oder Weißnäherinnen nähten ausschließlich Bett- oder Tischwäsche und zählten daher nicht zur eigentlichen Schneiderei.
Meistersache: Zuschnitt und Formgebung
Wie durch die Entqualizierung der Wäsche- oder Weißnäherinnen deutlich wurde, stellte dem gegenüber der Zuschnitt bzw. die Formgebung stets die qualifiziertere Tätigkeit dar. Die Schnittmuster blieben vor allem dem Erfahrungswissen des Schneiders verhaftet und infolgedessen oft recht grob. Die Maße, die mittels Schnüren und Papierstreifen festgestellt wurden, bezogen sich in erster Linie auf die Menge des erforderlichen Stoffes. Ein Fehler beim Zuschnitt war teuer, weshalb Gesellen und Lehrlinge im Schneiderhandwerk in aller Regel nicht zuschneiden durften.
Erst im 19. Jahrhundert hielten drucktechnisch vervielfältigte Schnittmusterbögen — und damit erstmals standardisierte Größen — Einzug in gewerbliche Betriebe und häusliche Nähstuben. Das Zuschneiden des Stoffes geschah mit einer Zuschneideschere. Von daher ist verständlich, daß die Schere das Symbol des Schneiderhandwerks wurde.
Nähvorgang
Der dem Zuschnitt folgende Nähvorgang besteht in der Herstellung einer Stichfolge, durch die Stoffe zusammengefügt, Schnittkanten befestigt und Verschlüsse angebracht werden. Die Feinheit der Nadeln bestimmte wesentlich die Stiche und Nähte. Als Nähfäden überwiegend Leinen und Wolle, erst später gewannen gezwirnte Fäden aus Baumwolle und Seide Zutritt. Eine geübte Näherin konnte bei guten Lichtverhältnissen nur zwischen dreißig und maximal 60 Stiche pro Minute ausführen, je nach Dicke des Stoffes.
Der Schneidersitz
Die Arbeitshaltung der Männer (ausschließlich) ist der Schneidersitz. Da diese in aller Regel schwerere Stoffe verarbeiteten, nutzten sie den Tisch als Auflagefläche für das Nähgut, so daß die linke Hand (beim Rechtshänder) nicht mit dem Gesamtgewicht des zu nähenden Kleidungsstückes belastet war und das Knie die linke Hand beim Fixieren der Nähstelle unterstützen konnte.
Fingerhut
Zu den Nähwerkzeugen gehörten außer der Nadel, die, wenn sie gleichmäßig nähen soll, immer mit der gleichen Fingerspitze durch den Stoff geschoben wird, als Schutz für den Mittelfinger der rechten Hand der Fingerhut, besonders bei festeren Stoffen. Neben der geschlossenen Form gibt es hier auch den offenen Nähring, der die Fingerspitzen frei läßt und vor allem in der Herrenschneiderei verbreitet war.
Bügeleisen
Zum Ausbügeln der Nähte wurden seit dem späten Mittelalter Bügeleisen benutzt. Man unterscheidet Hohl-und Volleisen aus Guß- oder Schmiedeeisen, später auch Stahl. Hohleisen wurden mit glühenden Bolzen oder mit Holzkohle gefüllt, Volleisen im Bügelofen erhitzt. Wegen ihres hohen Gewichts von 20-30 Pfund war die Handhabung dieser Bügeleisen recht schwierig. Dieser abschließende Teil des Arbeitsprozesses wurde erst zu Beginn des 20. Jhdts. durch die Einführung der Gas- oder Elektrobügeleisen erleichtert.
Literatur
- Die Schneiderzunft (in Dorfen), in: Gammel, Joseph: Dorfener Land in Geschichtsbildern - Das Werk d. Heimatforschers Pfarrer Josef Gammel (1901 - 1959); Dorfen 1980
- Stockner, Alois: Zehn Generationen Schneider - Aus der Familienchronik der Lichtenecker, in: "Das Mühlrad", Blätter z. Geschichte d. Inn- u. Isengaues, Band XXVII, Jahr. 1985