Tappensches Familienbuch (1889)/103

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Tappensches Familienbuch (1889)
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ihrer zarten Jugend weggerissen worden. Bey wärendem ihrem Ehestande hat der liebe Gott ihrer mit dem Creutz nicht vergessen, sondern vielfältig besucht, also dass sie eine rechte Creutzträgerin gewesen, indem Sie nicht allein in, sondern ausser der Kinderzucht mit grossen Leibes Schwachheiten vielfältig beladen gewesen, dabey sie aber allemal sich gedültig bezeiget, fleissig gebetet, und sich aus Gottes Wort getröstet. Nachdem ihr Eheherr sel. im Decembri jüngsthin todes verblichen, hat Sie sich als eine Christliche Gottselige Wittwe allemal bezeiget, und sich nur einig und allein gesehnet dahin zu kommen, dahin ihr Eheliebster gelanget, Inmassen Sie dann nicht anderst davor gehalten, gleichwie Sie im Leben einmühtige Hertzen gewesen, also auch im Tode ihr oblige seiner seiten beyzuwohnen, dahero auch Sie sich mit frewdigen Hertzen zum Tode praepariret, und verschienen Grünen Donnerstag sich mit ihrem einigen Erlöser und Seligmacher vermittels des heiligen Nachtmahls in öffentlicher Kirchenversamblung vereinbahret. An demselben Abend ist Sie mit dem hitzigen Fieber befallen, womit Sie behafftet bis den andern Ostertag, an welchem der allmächtige Gott Sie ihrer bishero getragenen schweren trawrigen Banden entlassen und ihr eine junge Tochter zu tage bescheret, welche folgenden Tages mit der heiligen Tauffe beseliget und die darauff instehende Nacht in Gott selig wieder entschlaffen und des Tages Liecht verlassen, durch welchen Abschied des sel. Kindleins die liebe Mutter ohne zweiffel sehr commoviret worden, und hat ihre Schwachheit je mehr und mehr zugenommen; wie Sie solches verspüret, hat Sie die tieffesten Seufftzer zu Gott geschickt, fleissig gebeten, auch ihr auff ihr eigen anweisung, was da sol gebetet werden, vorbeten lassen, und mit rechtem frewdigen Gemühte eine selige Auflösung begehret, worinn ihr denn Gott gewillfähret und Sie nicht durch den Todt, besondern durch einen sanfften seligen Schlaf zu sich gezogen, welches verschienen Freytag nach Ostern, war der 23. Aprilis Morgens zwischen 3 und 4 Uhren geschehen, da sie fast 35 Jahr ihres Lebens erreychet. [1]

  1. Aus den den Leichenreden angehängten Carmina Funebria in obitum pie defunctorum sei mitgeteilt folgendes

    Gespräch der Kinder mit der sterbenden Mutter.

    Kinder.
    Ach hertzen Mütterchen, wolt ihr in diesem Leben
    das trawrige Valet uns kleinen Würmlein geben,
    so bald? ach Gott, wir sind betrübet allbereit!
    wie könnet ihr dazu noch heuffen unser Leid?

    Mutter.
    Ach lieben Kinderlein, last ab von ewrem Zagen,
    last fahren Trawrigkeit, ach thut nicht also klagen!
    jetzt werd’ ich auffgelöst von aller Angst und Noth.
    drümb frewet euch vielmehr, mir schadet nichts der Todt.

    Kinder.
    Wie aber? dass ihr nun so frühe wolt verlassen
    uns arme Waiselein! thut ihr uns etwa hassen?
    Die wir ja stetes warn ew’r Hertzen Kinderlein,
    warumb wolt ihr dann nun von uns geschieden sein?

    Mutter.
    Vollendet, ist mein Lauf, mein Stündlein ist gekommen,
    Nach Gottes Willen werd’ ich jetz von euch genommen,
    dies mag nicht anders seyn; zu Gottes Ehr und Preyss
    scheid ich aus dieser Welt ins schöne Paradeyss.

    Kinder.
    Wie aber könnet ihr doch unser so vergessen ?
    Weil ja kein Christlich Weib ist jemals so vermessen,
    dass sie verlassen solt' ihrs Hertzen tewre Pfand,
    wie solches aus dem Wort des Herren wol bekand.

    Mutter.
    Ach liehe Hertzelein, wenn ich nach Gottes Willen
    ewr’ Angst, Noth, Jammer, Klag' und Weynen könte stillen,
    ich liess’ euch nimmermehr!, weil aber meine Zeit,
    die mir der HErr bestimmt, hier ist, bin ich bereit.

    Kinder.
    Wer soll hinführo dann uns Kleinen doch vorstehen?
    Weil leider in der Welt es pfleget so zu gehen,
    dass sich gar wenige der Waisslein nehmen an;
    wo niedrig ist der Zaun, da steiget jederman.

    Mutter.
    Ewrs lieben Vatters, wie dann auch der Mutter Stelle
    wird nun vertreten Gott, der herrlich und gar schnelle
    der Waisen Sach’ ausführt; der wird stets auff euch sehn,
    ja auch als Vatter und als Mutter bey euch stehn.

    Kinder.
    Wer aber sol negst Gott nun unser warten, pflegen?
    wer sol uns aufferziehn? ernehren, vorstehn, hegen?
    bey welchem sollen wir Rath, Trost zu jeder frist
    fort suchen? weil die Welt gantz voller Untrew ist!

    Mutter.
    Die böse falsche Welt hat mir in meinen Jahren
    Mit Angst und Noth gestellt, ir werdets auch erfahren:
    trawt frommen Hertzen, so der HErr nach seiner Macht
    euch wird zuweisen, und damit nun gute Nacht!

    Kinder.
    Ach viel zu früher Tod, was regstu doch für schmertzen!
    Ach Gott in deinem Thron, lass dir es gehn zu Hertzen!
    dass in so kurtzer Zeit all unsre Wonn und Frewd,
    all unser frölich sein, verkehrt in Hertzeleid!
    Der unverschämte Tod hat Beyde hingenommen,
    Den Vattr und Mutter, zwar Sie sind zur Ruh gekommen;
    Wir aber müssen noch erfahren grosse Plag,
    Viel Jammer, Ungemach, dazu viel böse Tag.
    Hilff du, O grosser Gott, du Vater der Elenden,
    Hilff alle Noth und Angst, hilf alle Trübsal enden,
    damit nach unserm Leid auch endlich allzumal
    wir frölich fahren auff zu dir ins Himmels Saal!