Sinsteden/Geschichte-WK2

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Die Sinstedener Dorfschule

Der II. Weltkrieg in Sinsteden

Ein Auszug aus der Schulchronik
Quelle: Schulchronik Sinsteden, Archiv im Rhein-Kreis Neuss


Erste, unspektakuläre Anmerkungen zum Beginn des Krieges

Da der hiesige Kreis Operationgebiet ist, werden die Herbstferien um 18 Tage verlängert. Schulanfang 18.9.1939.
Im September 1939 besuchten 68 Kinder die hiesige Schule, davon 19,1 % Ausländer (10 Polen u. 3 Holländer.)

Die Schule wurde am 1.10.39 von 68 Kindern besucht. Der Unterricht litt anfangs sehr durch die mehrmalige Belegung des Schulsaales durch das Militär, dann aber auch durch den verstärkten Einsatz der Kinder bei der Zuckerrübenernte.

Im Nov. 1939

mußte der Unterricht mehrmals für je 2 – 3 Tage geschlossen werden, weil ankommende Truppen den Schulraum für Unterkunft beschlagnahmten.
Jedesmal aber waren die Eltern der Kinder bereit, zusätzlich zu ihrer Einquartierung noch einen Soldaten aus der Schule zu nehmen, damit diese für den Unterricht frei wurde.

Am 13. Dez. wurde der Schulsaal wieder belegt. Trotz der rauhen und kalten Witterung wurden als Ersatz für den Klassenunterricht Ausmärsche unternommen.
Die Kleinen erhielten etwas Unterricht in der Wohnung des Lehrers.

Nach Weihnachten war der Schulraum wieder frei, und der Schulbetrieb verlief wochenlang ohne Störung, trotz häufigen Wechsels der Truppen.
Auch nachmittags wurde der geheizte Schulsaal von den Truppen zu Appels, Vorträgen etc. benutzt.

1940

Bis Ostern ging der Unterricht ungestört durch Einquartierung weiter. Es wurden 5 Mädchen u. 5 Knaben entlassen.

Die Osterferien waren so verkürzt worden, daß am 28.3.1940 das neue Schuljahr wieder beginnen konnte. Schülerzahl 63 Kinder: 31 Knaben u. 32 Mädchen. Ende Mai und Anfang Juni wurden die Kinder stark zur Feldarbeit (Rübenausziehen) eingesetzt. Es wurden von den Kindern ca. 300 Tagewerke geleistet. Die Zuweisung der Kinder zu den Landwirten wurde von der Schule vorgenommen und der ungestörte Einsatz vom Lehrer überwacht.

Am 3. Juli wurden mit 14tägiger Vorverlegung die Sommerferien angefangen, die bis zum 26.8. dauern.

Die Sommerferien mußten verlängert werden, damit sich die Kinder besser erholen sollten und wegen der fast (täglichen) nächtlichen Ruhestörungen durch englische Flieger. Denn auch in nächster Umgebung sind manche mittelschwere Bomben gefallen. -

Der Mangel an Arbeitskräften bei den Erntearbeiten machte es notwendig, daß die Kinder der Oberstufe in den Ferien mit ihren Lehrer täglich ins Flachsfeld gingen, um den reifen Flachs zu raufen. Im ganzen sind von den 20 Kindern etwa 350 Tagewerke dabei geleistet worden.-

Nachdem der Unterricht am 26.9. wieder aufgenommen worden war, machten es die Störungen durch nächtliche Fliegerangriffe notwendig, den Unterricht später beginnen zu lassen.


1941

Am 22. März fuhren 3 Mädchen des 5. Schuljahres nach Sachsen, damit sie in Heimen des Riesengebirges sicher sind von den nächtlichen Fliegerangriffen der Engländer.
Weitere 5 Kinder des 5. Schulj. warten auf ihren Abtransport.

Am 29.3.1941 werden 5 Knaben und 3 Mädchen aus der Schule entlassen. Die Rübenarbeiten beginnen in diesem Jahre sehr spät. Trotzdem 10 Kinder nach dem Osten verschickt worden sind, schaffen die anderen Kinder das Rübenausziehen in 14 Tagen. Es wurden rund 190 Morgen Rüben von unseren Kindern verzogen. Seit Mitte Juni kommen Nacht für Nacht die englischen Flieger, und der Unterricht beginnt jeden Morgen um 9 Uhr.

Am 25.6.1941 ist das Schuljahr 1940-41 beendet.
Am 31.7.1941 begann das neue Schuljahr mit 60 Kindern (7 Neuaufnahmen). Die sofort durchgeführte Sammelaktion ergab: 8 ½ kg Holunderblüten und 212 ½ kg Lumpen.
Bei der Lumpensammlung im vergangenen Mai waren bereits 115 kg Lumpen abgeliefert wurden.

Anfangs August wurde von der Schule wieder eine Spinnstoffsammlung durchgeführt.
Ergebnis: 450 Pfund Lumpen aller Art.

Im August wurden von den Kindern 3 Paar guterhaltene Marschstiefel an die Parteidiensstelle abgeliefert
Anfangs Nov. sammelten die Kinder Flaschen (Wein-Spirituosenfl.) für die Wehrmacht: 200 Stk. Anschließend und war Büchersammlung ca 30 Bücher wurden nach Rommerskirchen geschafft; desgleichen ein Handwagen Altpapier.


1. Dez. 1941.

Die letzten 5 Jungens sind aus der Kinder-Landverschickung nach Sachsen zurückgekehrt. Die Jungens haben sich gut entwickelt, ihr freudiges, aufgeschlossenes Wesen ist beispielgebend für die anderen Jungens.

Am 5.12. fiel ein Junge in den Meisenweiher, weil er auf das dünne Eis gegangen war. Daraufhin hat die Schule veranlasst, daß das Grundstück polizeilich abgeschlossen wurde.

1942

21.3.1942: 2 Knaben, 3 Mädchen wurden entlassen. Sie alle bleiben einstweilen im Kriegseinsatz in der örtlichen Landwirtschaft.

1.6.1942. Die Kinder der Oberstufe werden zum Einsatz bei der Frühjahrsbestellung angefordert.

13.6.1942: Die Spinnstoffsammlung durch die Schule hatte einen großen Erfolg: 5 Handwagen voll Altstoffe wurden nach R'[ommers]kirchen abgegeben.

21.6.1942: Die Frühjahrsarbeiten der Schulkinder sind abgeschlossen; es wurden 365 Tagewerke von 21 Kindern geleistet beim Pflanzen setzen, Rübeneinzeln und Möhrenreinigen.

1.8.1942: Schulanfang: Neulinge 12. Gesamtschülerzahl 69 Kinder.

3.8.1942 Es wurden nach Schule Grevenbroich abgeliefert 3 kg Kamillentee und 3 kg Holunderblüten

Oktober 1942. Bei der diesjähr. Rübenernte mußten wegen Mangel an Arbeitskräften die Kinder sehr stark eingesetzt werden. Da das Wetter mild und trocken war, ist dies ohne gesundheitliche Schäden geschehen.


1943

März 1943

Am 17.3. machten die beiden letzten Jahrgänge einen Ausflug mit dem Rad nach Zons – Dormagen – Haus Arff – Stommeln.

Am 9.3. war in der Schule um 15 h eine Bezirkskonferenz der Lehrpersonen von R'[ommers]kirchen und Widdeshoven. Thema: Das Rechnen im 3. u. 4. Schuljahr.

April 1943 Am 17.4. ist unser Schulrat Herr Scheuten [siehe auch Ev-S 1943/Nr. 13] plötzlich im Hause des Lehrers Kreutzberg in Evinghoven gestorben. Wir haben ihn am 21.4. in Grevenbroich zu Grabe getragen.

März 1943 Am 27.3. wurden 9 Kinder aus der Schule entlassen: 4 Knaben – 5 Mädchen.

Mai 1943 Vom 17.5. bis 2.6. waren 21 Kinder im Arbeitseinsatz zum Rübenverziehen. Sie haben in der Zeit 270 Tageswerke geleistet.

Juni 25. Beginn der Sommerferien. Bis zum 30.6. einschl. hielten die Lehrpersonen eine 6täg Bezirkskonferenz über schulpraktische Themen.

Juli 30.

Heute begann das neue Schuljahr mit 67 Kindern, darunter 8 Neulinge. Außerdem besuchen noch aus Köln evakuierte Kinder die Schule (1 Adrian 3 Dorf).


1944

März 25 Heute werden 5 Mädchen u. 3 Knaben aus der Schule entlassen.

Mai Beim Rübenverziehen mußten die Kinder tüchtig helfen; es wurden innerhalb von 16 Tagen 314 Tagewerke geleistet.

Juli: In den Sommerferien haben die Kinder 375 [Pfund] Kuchen gesammelt und an der Schule in R'[ommers]kirchen abgeliefert.

Aug. 18. Das neue Schuljahr beginnt mit der Aufnahme von 8 Schulneulingen. Klassenstärke: 62 Kinder. Der Unterricht wird fast täglich unterbrochen durch Fliegeralarm. Dann gehen die Kinder in den L[uft].S[chutz].Bunker bei Senndas.

Sept. 20. Die Herbstferien beginnen. Die Kartoffelernte hat sehr unter den täglichen Tieffliegerangriffen zu leiden. Reichsbahn und Venloerstraße sind das Ziel dieser Jabos [Jagdbomber]. Bisher hat es unter den Schulkindern noch keine Verluste gegeben.

Okt. 13. Die Schule muß geräumt werden, da Militär Quartier nimmt. Der Unterricht fällt aus. Auf Befehl der Regierung soll jeglicher Unterricht bis Kriegsende ausgesetzt werden. Die Lehrpersonen sollen sich dem Ortsgruppenleiter zur Verfügung stellen.

Nov. 2. Aus eigenem Entschluß hält der Lehrer täglich 2 Stunden Unterricht im großen Bunker bei Meller. Durch reichliche Hausarbeit sind die Kinder gehalten, von der Straße zu bleiben, um den großen Militärverkehr nicht zu stören.

Dez. 6. Der Bunkerunterricht muß zeitweilig ausgesetzt werden, weil durch die laufenden Fliegerangriffe der Unterricht zu oft gestört wird. Außerdem sind einige Kinder schon ins Reich evakuiert.

Dez. 20. Den Kindern wurden Hefte und Zeugnisse ausgehändigt.

1945

Jan. 16.

Heute begann die Schule wieder mit kurzem Unterricht im Bunker. Die Kinder sammelten für das Volksopfer.

3. Februar.

Der Unterricht im Bunker muß eingestellt werden, weil den ganzen Tag Alarm ist, die Jagdbomber immer über dem Dorf sind und die Leute den Bunker belegt halten.

Febr. 17.

Die Schule ist von Truppen dauernd belegt, und der Schulsaal leidet sehr, ebenso das Inventar.

März 3.

Die letzte Einquartierung verläßt die Schule; es sieht grauenhaft darin aus.
Auch äußerlich hat das Schulanwesen sehr gelitten. Die Dächer sind stark beschädigt, Jabo [Jagdbomber]-Einschläge von allen Seiten, die Fenster beschädigt, und auch der Schulhof zeigt große Verwüstung.

März 5.

Die ersten Panzertruppen der Amerikaner belegen die Schule.



Ohne das Kriegsende zu erwähnen fährt der Chronist fort:

August 15.

Heute wurde mit Genehmigung der Militärbehörde die Grundschule (1.-4. Schuljahr) wieder eröffnet. Die Instandsetzung der Klasse ist unter vielen Mühen gelungen und 28 Kinder kehrten hoffnungsfroh zu neuem Beginnen zurück. Die Schule wurde geführt vom Lehrer Jost aus Vanikum, weil der bisherige Lehrer Leines von der Militärbehörde zum kom. Schulrat für den Kreis Gr.-Neuß bestellt worden war. Dem Schulbeginn ging eine kleine Feier vorraus, in der dem Kreuz sein alter Ehrenplatz über dem Lehrerpult zurückgegeben wurde. Wenn auch Vieles in der Zwischenzeit bei den Kindern verlorengegangen ist, so ist doch wieder ein Anfang gemacht, ein Anfang zu geistiger Erneuerung auf erziehlichem wie auch wissenschaftlichem Gebiete. Bücher werden vorläufig noch durch Lesebogen ersetzt, wie auch die Tafel das Heft ersetzen muß.


September 10.

Nachdem die Grundschule seit 15.8.45 ihren Betrieb wieder aufgenommem hatte, wurden heute auch die oberen Jahrgänge eingeschult. Die Schule wird weiter von Lehrer Jost, Vanikum, mitverwaltet, sodaß der Stundenplan stark gekürzt werdem mußte. Zur Zeit sind für die hiesige Schule 15 Stunden in der Woche vorgesehen, ausschließlich der Religionstunden, die von der Geistlichkeit erteilt werden.


November 10.

Nach 6 Kriegsjahren wurde heute mit Genehmigung der Mil.[itär] Behörde zun erstenmal wieder der H[eilige]. Martinszug veranstaltet. Wenn auch die Zeit noch schwer auf allen lastete, so war doch Begeisterung für dieses schöne Kinderfest überall festzustellen Durch Sammlung wurde sogar eine schöne Bescherung für die Kinder erreicht.


Möge dieser gute Anfang die Hoffnung zu neuer Gesundung u. Freiheit sein.