Arktischer Ozean
Wie unsere Vorfahren die Dinge sahen:
Einleitung
Name
- Arktischer Ozean, Arctic Ocean [engl.], Océan Artique [franz.]), auch Arktisches Polarmeer [deut.] , Arktisches Eismeer [deut.], Nordpolarmeer [deut.]
Historische Erkenntnisse bis 1898
Gebiet
1898: Bezeichnung für die den Nordpol umgebenden Wassermassen. Als Südgrenze gilt, wo die Landgrenze fehlt, der Polarkreis. Das Arktische Polarmeer umgibt den Nordpol und berührt die Nordküsten von Asien, Europa und Amerika. Zwischen den dem letzteren Kontinent vorgelagerten Inseln bildet es eine Menge von Meerbusen, Durchfahrten und Meeresstraßen. Mit dem Atlantischen Ozean steht es durch die „Davis Strait“ (Davisstrasse), die Dänemarkstraße zwischen Grønland und Island und durch die breite Öffnung zwischen Island und dem Südteil von Norwegen in Verbindung; in den Pazifischen Ozean führt die „Bering Strait“.
Beschreibung
Das Arktische Polarmeer ist das kleinste der selbständigen Meeresbecken und wird zu einem Flächeninhalt von 15,3 Mill. qkm (0,278 Mill. qM) berechnet. Im allgemeinen sind die Tiefen desselben nur gering. Die Nordtiefebenen setzen sich unter Wasser weiter fort. Im Osten von Spitzbergen sind kaum Tiefen über 500 m vorhanden. Zwischen Spitzbergen und Grønland aber befindet sich ein tiefes Becken, die Eismeertiefe, welche in einem großen Teil Tiefen über 3.000 m aufweist, und in deren Nordteil sogar Stellen von 4.600 und 4.800 m gefunden worden sind. Über den Verlauf dieser tiefen Rinne im Norden von Nord 80° wissen wir im Jahre 1898 noch nichts. Ebenso bildet die „Davis Strait“ einen tiefen Fjord, auch in der Baffin Bay sind Tiefen bis zu 1.830 m gelotet. Die aus der Baffin Bay in das arktische Becken führenden schmalen Wasserstrassen dagegen sind wieder flach, und die bis 1898 dort angestellten Lotungen haben keine Tiefen über 370 m ergeben.
Eisbildung
Die Eisbildung reicht um 1898 im Winter bis zum Südteil von Nowaja-Semlja und noch weiter nach nach Süden von Jan-Mayen, doch hat man auch bis zu den höchsten erreichten Breiten größere offene Stellen (Polinjen) gefunden. Selbst in der wärmern Jahreszeit treiben aus den Polargegenden gegen Süden Eismassen von kolossaler Ausdehnung und oft höchst merkwürdiger Gestalt: schwimmende Eisinseln, die zum Teil auf dem Meer selbst, an seinen Küsten und in seinen Buchten, zum Teil (nach der Auffassung von 1898) in den Flüssen entstanden sind oder endlich von den Gletschern stammen (Eisberge und Gletschereisblöcke).
Diese Eismassen folgen im allgemeinen den polaren Strömungen; ihre Erstreckungsgrenzen sind je nach den Jahreszeiten und einzelnen Jahren verschieden. Am weitesten nach Süden reichen dieselben im Frühjahr. An Stellen, wo das Eis dicht zusammengedrängt auftritt, macht es die Schiffahrt ganz unmöglich; auch die stärksten Schiffe sind (1898), wenn sie sich zwischen die Treibeisschollen wagen, der Gefahr des Zerdrücktwerdens ausgesetzt.
Treibholz
1898: Neben diesen starren Massen schwimmt als das Produkt einer mildern Zone Treibholz, welches nirgends sonst in solcher Menge angetroffen wird. Meeresströmungen tragen es aus den Mündungen der sibirischen Flüsse, denen im nordwestlichen Teil von Amerika an die Küsten der arktischen Polarregion.
Flora
1898: Die Flora im Arktischen Polarmeer ist verhältnismäßig reich entwickelt und enthält große Formen aus den Gattungen Laminaria und Alaria. Kjellmann zählt 260 Algenarten, welche zum Teil massenhaft auftreten. An der Küste von Spitzbergen wachsen Algen noch in 270 m Tiefe.
Fauna
1898: Auch an Tieren ist das Arktische Polarmeer reich. Neben gewaltigen Seesäugetieren, wie Grönlandwal, Finnwal, Narwal, kommen Robben und Seeotter vor, von Fischen besonders der Stockfisch und der Eishai, von niedern Tieren sind Kruster, Mollusken, Hydroidpolypen und Stachelhäuter reich vertreten, und gerade die kleinsten Tiere treten so massenhaft auf, dass sie die hauptsächliche Nahrung der Wale bilden.
Expeditionen
Stand 1898: Der Tierfang auf Wale sowie die Jagd auf Pelztiere, nächstdem der Wunsch, von der Hudson Bay und Baffin Bay aus an der Nordküste von Nordamerika hin eine Nordwest-Durchfahrt (Northwest-Passage, oder Nordwestpassage) oder auch über Spitzbergen oder Nowaja-Semlja eine Nord od. Nordost-Durchfahrt nach der Bering Strait aufzufinden, veranlasste seit 1517 eine Menge von Expeditionen nach dem Norden. Erst MacClure fand im Herbst 1850 die gesuchte Durchfahrt, die aber durch das Treibeis der zwischen den arktischen Inseln sich hinwindenden Kanäle im Westen und Süden vom Melville Sound für die Schiffahrt völlig unbrauchbar ist.
Die Sage von einem offenen Arktischen Polarmeer im Norden der Smith Sound-Route, welche sich an die Beobachtungen von Inglefield, Morton und Hall knüpfte, wurde durch die englische Expedition von Nares (1875-76) widerlegt, wobei Nares den Namen „Offenes Polarmeer“ mit gleicher Übertreibung in den eines „Paläokrystischen Meeres“ verwandelte. Auf dem Eis dieses Meeres erreichte sein Begleiter Markham die höchste bis jetzt verzeichnete arktische Polarbreite von Nord 83° 20' 26. Mittlerweile (1898) gaben die Untersuchungen im Nordteil vom Atlantischen Ozean (seit 1860) in Verbindung mit den wissenschaftlichen Spitzbergen-Expeditionen der Schweden (seit 1858) Veranlassung zu einer wissenschaftlich systematischen Erforschung vom Arktischen Polarmeer, zunächst des europäischen Anteils, deren Hauptverdienst den Norwegern Mohn und Wille zufällt (1876-78), und welche uns über die Tiefenverhältnisse dieser Meere, das spezifische Gewicht und die chemische Zusammensetzung des Seewassers, den Meeresboden und das Tierleben, die Temperaturzustände und die Meereszirkulation umfassende Aufschlüsse geliefert hat.
Meeresströmungen
Stand 1898: In erster Linie betrifft diese Forschungsarbeit das Gebiet des Warmwasserzugs, dem man, da sein Anfang mit dem amerikanischen Golfstrom zusammenfällt, bis zu seinen äussersten Nordzweigen den Namen dieser Strömung beilegt, der aber zutreffender als atlantischer Zufuhrstrom bezeichnet werden könnte. Er befreit das Arktische Polarmeer durch seine mechanische Wirkung und die mitgeführte Wärme weithin vom Eis und sendet seine Verzweigungen bis in die Baffin Bay, zum Nordteil von Spitzbergen und in das Meer zwischen Spitzbergen und Nowaja-Semlja.
Eine ähnliche Wirkung auf die Schiffbarkeit vom Arktischen Polarmeer üben an den Küsten von Sibirien und des Westteils von Nordamerika die großen Flüsse dieser Gegenden aus (vor allen der Ob, der Jenissei, die Lena und der Mackenzie), indem dieselben ihre allsommerlich im Süden erwärmten Gewässer über das schwerere Meerwasser verbreiten.
Diese Verhältnisse ermöglichten Nordenskjöld die Eröffnung des Seehandels nach Westsibirien und 1878 die Auffindung der so lange vergeblich gesuchten Northeast-Passage (Nordost-Durchfahrt). Auch durch die Bering Strait gelangt aus dem Bering-Sea ein Warmwasserzug in das Arktische Polarmeer. Ein kalter Strom dagegen fließt an der Ostküste von Grønland nach Süden, scheint aber die Nähe von Grønland nicht zu verlassen, sondern in die Davis Strait einzubiegen. Noch ungleich breiter und tiefer fließt aus der Baffin Bay auf der Westseite der Davis Strait ein nach Süden gerichteter Strom (Labradorstrom), welcher der New Foundland Bank (Neufundlandbank) Eisberge in Menge zuführt.
Im Norden des europäisch-asiatischen Kontinents finden sich überall die Strömungen in Übereinstimmung mit dem Gesetz der Rechtsablenkung durch die Rotationswirkung der Erde. An den Nordküsten sind sie durchweg nach Osten gerichtet. Sie führen von Süden herkommendes und daher warmes Wasser aus dem Atlantischen Ozean und den sibirischen Flüssen und halten die Kontinentalküste während des Sommers eisfrei. Dieselbe Anlehnung an die rechtsseitige Küste weist der Nordstrom an den Westküsten von Spitzbergen und Nowaja-Semlja, der Südstrom an den Ostküsten dieser selben Inseln auf. Auch im Norden der Bering Strait wendet sich die dem Lauf der Küste folgende Strömung rechts nach Cape Barrow zu.
- Quelle: Meyers Handlexikon von 1872 und Hic Leones.