Australische Auswandererbriefe (1934)/27
GenWiki - Digitale Bibliothek | |
---|---|
Der Heimat Bild - Australischen Auswandererbriefen nacherzählt von Walter Fläming | |
Inhalt | |
<<<Vorherige Seite [26] |
Nächste Seite>>> [28] |
unkorrigiert | |
Dieser Text wurde noch nicht korrekturgelesen und kann somit Fehler enthalten.
|
Wenn ein gewöhnliches Jahr war, sagte er immer, es fällt genau so viel Regen wie bei Euch in Paplitz, bloß das drängt sich dann alles ans aber 15 Wochen zusammen. Die übrige Zeit sällt kaum ein Tropfen. Wenn er dann manchmal erzählte, daß Ihr im Fiener barfuß in die Wiesen müßt, weil Euer Heu Euch sonst fault, haben wir immer den Mund vor Staunen nicht wieder zugekriegt. Das möchte ich mal mitmachen; das wäre ein Spaß für einen Australfarmer.
Und Wilhelm Wulkau kam gerade mit seiner Wirtschaft in Schwung, als die Wettermacher sich Jahr um Jahr irrten. Besonders schlimm war es so um die Mitte der 90er Jahre. Da konnten wir ja überhaupt mit dem Pflug nicht in den Boden hineinkommen; wie gebackene Ziegelsteine, so hart war er. Das Gras knitterte wie Papier und war schlohweiß vor Durst. Auf den Feldern zerfielen die Weizenhalme wie Zunder. Ernten? - nicht einmal die Aussaat gab es wieder. Es war reineweg zum Verzweifeln. Und bei den Wulkaus war's noch schlimmer, die saßen ja ein ganzes Ende vom Bach ab. Sie mußten feiern und wegen Wasser und Futtermangels all ihr Vieh bis auf ein Gespann Ochsen und eine Milchkuh abschaffen. Bei uns war's auch so, daß wir alles unnütze Vieh von der Farm taten. Vater hatte la gut oorgesorgt; und wenn wir auch jährlich fast 1.000 Pfund zusetzen, so blieb doch noch ein ganzer Batzen auf der Bank. Aber die Wulkaus konnten noch nicht so mit dem Daumen gegen den Zeigefinger reiben. Da wurde ihnen der Atem bald knapp. Und als es gar nicht mehr ging, da haben wir vor Erstaunen die Augen aufgerissen, welchen starken Willen sie hatten. Die Frau blieb mit den Kindern allein auf der Farm. Der Mann nahm die Beine in die Hand, ging nach Port Adelaide und balgte sich als Ladekuli am Hafen mit Ballen und Fässern und Kisten ab. Er ging nach New-Südwales und Queensland als Viehtreiber und versuchte sein Glück als Schafscherer. Alle Jahr war er auf kurze Zeit wieder daheim, nach dem Rechten zu sehen; aber die Dürre trieb ihn wieder davon. So haben sie durchgehalten, ohne mit dem weißen Stab davongehen zu müssen. Ihr könnt Euch wohl denken, daß es zu solchen Zeiten Schufte genug gibt, die die Not der andern ausnutzen; das wird bei Euch nicht anders sein. In Melbourne hatte so ein Lump den Wulkau doch beinahe platt geschlagen, ihm seinen ganzen Besitz für die Schiffskarten nach Hamburg abzugeben. Den Kerl habe ich mit Hunden aus unseren Bezirk gejagt. Aber das alles wird er Euch ja nicht erzählen; dazu kenne ich ihn zu genau. Und Dich, lieber Vetter, bitte ich, es nicht unter die Leute zu tragen; denn von seinen Nöten hört man nicht gern erzählen. Aber das sollt Ihr wissen, will wieder einer aus Eurer Gegend nach hier, so warnt ihn. Australien hat heute keinen goldenen Boden mehr. Die besten Zeiten sind vorüber.
Sieh, auch die bösesten Tage gehen einmal zu Ende. Und so machten wir dann endlich drei Rekordernten hintereinander. Die brachten all das wieder ein, was wir in der trüben Zeit ans Bein binden mußten. Der Wulkau aber hatte Australien gründlich satt gekriegt. Er wollte heim. So packte er seine Frau und 7 Kinder auf den Wagen und zog gen Port Adelaide. Seine beiden Aeltesten, ein Junge und ein Mädel, blieben hier. „Wie werde ich wohl verkaufen“, sagte er mir, „so töricht ist man bloß, wenn einen die Angst schüttelt. An meinen Aeckern klebt zu viel Angstschweiß.“ Der Junge hat jetzt geheiratet, und das Mädchen hat doch auch einen Schatz. Da geht man nicht fort.
Ich schätze, daß Wulkau so an die 2.500 Pfund alles in allem mit zurückgebracht hat. Das langt wohl hin, um bei Euch vorwärts zu kommen. Ein bißchen schnurrig wird es ihm wohl vorkommen. Wer hier 400 Aecker pflügte, wird sich mit einigen 40 Morgen doch beengt fühlen.
Und noch eins: Wulkau hat recht, wenn er nicht will, daß man ihn zu Hause den „Australier“ nennt. Wir sind Deutsche und bleiben Deutsche, solange wir wissen, daß man uns daheim nicht vergißt. Und wenn ich meinen Kindern erzähle, daß sie nach dem Staatsgesetz durch Geburt Australier sind, setzen sich die Bengels zur Wehr.