Australische Auswandererbriefe (1934)/7
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Der Heimat Bild - Australischen Auswandererbriefen nacherzählt von Walter Fläming | |
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Den Jungen in den Dörfern um Fiener hüpfen in ihren nächtlichen Träumen die Känguruhs über den Pfad ihrer aufgepeitschten Phantasie; ganze Schwärme weißer Kakadus umgaukelten ihren unruhigen Schlaf mit häßlichem Geschrei. Die Alten lesen mit Erstaunen, was da 15 Meilen rund um Adelaibe für ein Prachtacker ansteht, auf dem das Korn zumeist vor lauter Ueppigkeit sich regelrecht lagert. Den Frauen aber sticht vor allem in die Nase, was man da drüben an Milch, Butter und Käse herauswirtschaftet. Knechte und Mägde machen große Augen, wenn sie von den Löhnen hören, die man dort zahlte Die Handwerker - Schmiede und Stellmacher, Schuster und Tischler, Maurer und Schneider - sehen in Australien plötzlich das Land, in dem Handwerk noch goldenen Boden hat. Den Hirten in den Fienerdörfern wird selbst die geräumige Fienerweide zu eng.
Das Australienfieber schüttelt und rüttelt sie alle. Und wer bis jetzt noch unschlüssig war, packt auf. Kleine Anwesen in und um Tucheim kann man jetzt zu Dutzenden kaufen. Wie rufen doch die Brüder von „Drüben“ so verlockend? „Südaustralien hat eine Zukunft wie keine andere Kolonie. Es ist noch Raum für Hunderttausende. Zwar leicht ist es nicht, den Busch zu roden und seinen Grund zu bestellen. Aber plagen und arbeiten sind wir von Tucheim her noch gewohnt. Hier lohnt es sich wirklich, sich zu rühren. Jeder von uns ist durchaus zufrieden. Wir wohnen auch alle dicht beieinander. Die Engländer haben einen Heidenrespekt vor unserer Arbeit. Die andern Deutschen ringsum - Schlesier, Schwaben, Rheinländer und welche aus dem Brandenburgischen - nennen uns immer nur „Die Tucheimer“. Ist das nicht fein? Nur in die Stadt darf man nicht ziehen. Das ist nichts für unsereinen. Das Straßenpflaster bekommt da den Deutschen nicht. Und wer von euch Lust hat, nachzukommen, der soll bei uns herzlich empfangen werden. Wie treue Vettern wollen wir Euch in der ersten Zeit unter die Arme greifen. Aber besinnt Euch nicht lange. Jede Woche kommen in Port Adelaide Auswandererschiffe an. Da wird der Platz um uns herum bald knapp; und überdies, die Sektionen Buschland werden bei der großen Nachfrage immer teurer.“
Just um die Zeit, da abermals weit über fünfzig Jerichower Familien die Heimat verlassen, kommt die erste Kunde von riesigen Goldfunden in Australien. Das Goldfieber aber geht wirkungslos an diesen Leuten hier vorüber. Sie gehören der Scholle, haben allzeit des Herrgotts Erdboden bestellt und wollen dort drüben auch ackern.
Und mit ihnen zieht auch Johann Friedrich Berkow mit Frau und Kind, der so ausführliche Briefe in die Heimat schickte. Und hier lesen wir in ihnen.
Lindockwallix[1], d. 20. 9. 1854.
Lieber Vater, liebe Geschwister, Freunde und Gevattern!
Jetzt gibt es gleich ein ganzes Paket Briefe. Ich habe sie alle zusammen in ein Schreibheft geschrieben. Das gebt von Hand zu Hand. Wenn man, wie das nun hier so ist, alle Hände voll zu tun hat und die Fäuste voller Schwielen und die Finger von Dornen zerstochen, geht es mit der Schreiberei nicht so flott voran. Wohl vier Monate habe ich daran geschrieben, meist nur Sonntags, denn an den Arbeitstagen kommt man abends todmüde heim. Da gibt es schnell Abendbrot, und dann fällt man wie ein Klotz ins Bette. Schlafen tut man wie ein Bär, selbst in den heißen Nächten. Wir sehen hier alle wie die Zulukaffern uns, so schwarzbraun gebrannt, schlimmer wie beim Heuen im Juli im Fiener.
Aber nun laßt mich einmal schön der Reihe nach erzählen.
Am September voriges Jahr kamen wir nachmittags gegen 4 Uhr mit der Eisenbahn in Hamburg an. Da wir keinen Bescheid in der Stadt wußten, winkten wir ein paar Droschken heran und ließen uns zu dem Gasthof fahren, der für die Auswanderer bestimmt ist. Ich höre schon Mutter Jerichow die Hände über den Kopf zusammenschlagen über diese Verschwendung.
- ↑ Lyndoch Valley im Barossa Valley in Südaustralien