Autos in Memel

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Diese Seite gehört zum Portal Memelland und wird betreut vom OFB-Team Memelland.
Bitte beachten Sie auch unsere Datensammlung aller bisher erfassten Personen aus dem Memelland



Autos sind zum "Brettern" da


In Memel gibt es 1991 relativ viele Autos: Pkws, Lkws, Busse. Fast jedes zweite Personenauto scheint ein Taxi zu sein oder wird zur Miete angeboten. Der Fahrpreis wird üblicherweise vorher ausgehandelt. Touristen, die über eine Reisegesellschaft angereist sind, lassen sich ein geeignetes Fahrzeug oft durch die Reiseleitung vermitteln, natürlich gegen „Valuta"! Der Fahrpreis ist nach westlichem Maßstab niedrig, vor allem, wenn bei „Überlandfahrten" die Verpflegung im Fahrpreis enthalten ist. Bei den von der Reiseleitung vermittelten Autos handelt es sich meistens um „gute Autos", nämlich um deutsche Nobelkarossen älteren Jahrgangs.

Die meisten Litauer fahren aber einen Lada, den es wohl nur in drei oder vier Farbtönen gegeben hat! Hin und wieder fällt noch ein Wartburg in der Fahrzeugmenge auf: auch eine Nobelkarosse in Litauen! Das Nonplusultra sind aber „Westwagen", mögen sie auch noch so alt sein!

Eine technische Überwachung gibt es für die Autos in Litauen nicht. Alle tragen ein amtliches Kennzeichen - wohl nur zum Zeichen der bezahlten Steuer - , Prüfplaketten oder so etwas Ähnliches findet man aber nicht. Und so sehen die Autos auch entsprechend aus! Es verwundert deshalb immer wieder, wie sorg- und gefühllos die Fahrer ihre Gefährte in vollem Tempo über mehrere Zentimeter im Asphalt versenkte oder mehrere Zentimeter aus dem Straßenbelag herausragende Gullideckel „brettern"! Kein Fahrer macht Anstalten, diese Hindernisse zur Schonung seines Fahrzeugs vorsichtig zu umfahren. Immer nur darüber hinweg!

Die Fahrzeuge klappern an allen Ecken und Enden, die meisten Scheiben vorn und hinten sind gerissen, überall hängt etwas herunter, Beulen an allen möglichen Stellen! Aber wo sind die Werkstätten? Auf so manchen Hinterhöfen sind aber „Holzkonstruktionen" zu finden, die es mit einigem Geschick ermöglichen, mit einem Pkw über zwei schräge, breite Balken auf zwei waagerechte Balken zu gelangen, so dass der Eigentümer oder Besitzer von unten an das Fahrzeug heran kann.

Unter solchen Gestellen kann man zu jeder Tageszeit - auch während der Arbeitszeit auf Fabrikhöfen - Männer an ihren Wagen werkeln sehen. Die müssen alle etwas von Autoreparaturen verstehen! Die Fahrer der deutschen Reisebusse montieren an jedem Abend vorsorglich die Scheibenwischer ab: „Die können hier alles gebrauchen!", so die Kommentare.

Auch bleibt die Suche nach Tankstellen in westlichem Sinne für jeden Touristen ziemlich mühsam. Irgendwo finden sich unter freiem Himmel Zapfsäulen, an denen Autofahrer ihre Fahrzeuge betanken. Dort sieht der Boden aber verseucht aus! Niemand kümmert sich darum, was mit herausgelaufenem Treibstoff geschieht!

Und dann dieser Gestank der Abgase in den Straßen! Katalysator? Fehlanzeige! Jeder scheint einen toten Vogel im Tank zu haben! Der Treibstoff muss auf jeden Fall anders sein als der in Deutschland! Übrigens - die meisten Autofahrer scheinen Dieselfahrzeuge zu haben. Danach riecht es nicht nur. Die dicken Rauchschwaden sprechen eine deutliche Sprache! „Deutsche Touristen, die mit dem Auto nach hier reisen wollen, sollten nur mit einem Dieselfahrzeug kommen! Benziner würden wohl den hiesigen Kraftstoff nicht überleben!", lässt die Reiseleiterin die Bustouristen wissen.

Auf der „Taxifahrt" durchs Memelland knarrt der alte, weiße Mercedes des litauischen Fahrers in jeder Kurve bedenklich. „Achslager kaputt! Macht aber nichts, Onkel arbeitet auf Fischkutter, bringt mir von nächster Fangreise besseren Mercedes aus Bremerhaven mit!", grinst der Fahrer verschmitzt.

Ob hier wohl die zu Hause überall gestohlenen oder als gestohlen gemeldeten Nobelkarossen noch irgenwo herumfahren?

Für Westtouristen sollte besser noch lange gelten: Das eigene Auto bleibt daheim, es wird über ein Reiseunternehmen gebucht!