Bauernbefreiung in Westfalen
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Einleitung
Die Bauernbefreiung in Westfalen war ein historischer Prozess, der die soziale und rechtliche Stellung der Bauern in dieser Region grundlegend veränderte. Sie fand im Zeitraum vom späten 18. Jahrhundert bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts statt und brachte bedeutende Veränderungen für die bäuerliche Bevölkerung mit sich.
Vorheriger Status
Vor der Bauernbefreiung waren die Bauern in Westfalen in erster Linie den feudalen Strukturen und der Grundherrschaft unterworfen. Sie waren verpflichtet, Abgaben, Naturalien und Frondienste an ihre Grundherren zu leisten und hatten nur begrenzte Rechte auf ihr eigenes Land. Diese Abhängigkeit und Unterdrückung waren für die Bauern eine große Last und eine Einschränkung ihrer Freiheit.
Ideen der Aufklärung
Im Verlauf der Bauernbefreiung wurden diese feudalen Strukturen nach und nach aufgehoben. Der Prozess wurde durch verschiedene Faktoren vorangetrieben. Einer der Hauptfaktoren war die Verbreitung der Ideen der Aufklärung und der Französischen Revolution, die die Prinzipien von Freiheit, Gleichheit und Menschenrechten propagierten. Diese Ideen beeinflussten auch die Bauern in Westfalen und ermutigten sie, für ihre eigenen Rechte zu kämpfen.
Veränderungen in der Landwirtschaft
Ein weiterer wichtiger Faktor war die fortschreitende wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Zeit. Die Industrialisierung und die Veränderungen in der Landwirtschaft führten zu einem gesteigerten Bedarf an freier Arbeitskraft und einem Wandel in der Agrarproduktion. Die Grundherren erkannten, dass sie von freien, unabhängigen Bauern besser profitieren konnten als von abhängigen und unfreien Bauern.
Bauernbefreiung in Westfalen
Die Bauernbefreiung in Westfalen erfolgte in mehreren Phasen. Zunächst wurden Schritte unternommen, um die Abhängigkeiten und Lasten der Bauern zu verringern. Sie erhielten das Recht, ihre Arbeitskraft frei zu verkaufen und konnten sich zunehmend von den Frondiensten befreien. In einigen Fällen wurden auch die Leibeigenschaft und die damit verbundenen persönlichen Abhängigkeiten aufgehoben.
Aufhebung der Erbuntertänigkeit
Ein bedeutender Schritt in der Bauernbefreiung war die Aufhebung der Erbuntertänigkeit. Dadurch erhielten die Bauern das Recht, ihr Land zu besitzen und an ihre Nachkommen weiterzugeben. Dies bedeutete eine enorme Verbesserung der Lebensbedingungen und eine Stärkung der wirtschaftlichen Stellung der Bauern.
Persönliche Freiheit und wirtschaftliche Autonomie
Die Bauernbefreiung hatte bedeutende Auswirkungen auf die Lebensbedingungen der Bauern in Westfalen. Die Bauern gewannen nicht nur ihre persönliche Freiheit zurück, sondern auch ihre wirtschaftliche Autonomie. Sie konnten ihre landwirtschaftliche Produktion verbessern, neue Anbaumethoden einführen und ihre Erträge steigern. Dies trug zur Verbesserung der Ernährungssicherheit und des Wohlstands bei.
Politische Rechte
Darüber hinaus erhielten die Bauern politische Rechte und wurden zu aktiven Teilnehmern in der Gesellschaft. Sie erlangten das Wahlrecht und konnten ihre Interessen vertreten. Die Bauernbefreiung trug somit zur Demokratisierung Westfalens bei und stärkte die Rechte und den Einfluss der ländlichen Bevölkerung.
Vorschriften zur Ablöserechnung
Erst mit den Vorschriften zur Ablöserechnung nach dem preußischen Gesetz vom 02. März 1850, wurde der „gesetzliche Schlussstein" zur Ablösung des historischen Systems der traditionellen Gutsherrschaft, zu der unter Napoleon begonnenen Bauernbefreiung gesetzt.
Nach diesem Gesetz konnte der 18fache Wert der jährlichen Abgaben eines Erbhofes als Ablösekapital festgesetzt werden, was einem Zinsfus von 5,55 % entsprach. Dieser Vorgang konnte über eine speziell dafür eingerichtete staatliche Rentenbank finanziert werden. Dadurch wurde den vormals eigenbehorigen Kottern und Bauern die Möglichkeit eröffnet, die sich aus der Ablöseberechnung ergebenden verzinsbaren Schulden in Raten zu tilgen.
Beispiel einer Preußischen Ablöserechnung 1857:
Ablöse des Rieman Hofes
Aufsitzer Ackermann Bernd Wiethoff gen. Riemann in der Bauersch. Herne Nr.46 Gemeinde u. Kspl. Hamm: Die ganze Pacht betragt jährlich zu Martini anno 1842:
- 9 Scheffel 5 Becher Roggen (Recklinghauser Mas)
- 1 Hammel
- 2 Pf. Flachs
- 1 Pf. Wachs
- 6 Huhner
- 5 Rt 39 St an Geld Clevisch
- 10 Rt Clevisch fur 52 Spanndienste jährlich.
- Das Ablösekapital des Bernd Wiethoff gen. Riemann betragt 560 - Rt - 20 SG - 1 Pf, abzüglich 1 Rt 25 SG, verbleiben 558 Rt 25 SG und 1Pf.
- Am 07.03.1857 muß er diese Pacht seit langer als 10 Jahren an Billman in Geld vergüten.
- Einschlieslich der Gewinnpflicht betragt nun das Ablösekapital 520 Rt. [1]
Beispiel Große Bley
Relation von Hofgröße, Taxwerten bei Ablösung und Verkehrswert:
- Hofgröße nach dem Urkataster Gemeinde Hamm 1827: Henrich Grose Bley, Herne, 102 Morgen 175 Quadratruten und 38 Quadratfus und ein Wohnhaus.
- 14.09.1767 Taxwert der Ablösung der Grundherrschaft Kurfürstliches Gericht Recklinghausen: Große Bley wie aestimiert zu 767 Rt, 21 Stuber, non in venit emptorem)
- 02.03.1850 Taxwert der Ablösung der Grundherrschaft errechnet nach preussischen Recht zum 18fachen Wert: 311 Rt 7 Stuber
- 09.10.1851 Verkaufsangebot fur 6.700 Rt des Heinrich Gr. Bley fur den 103 preus. Morgen umfassenden Hof mit weiteren 101 Morgen aus der Gemeinheit an die Herzoglich Arenbergische Domanenverwaltung
- 22.12.1851 Verkaufserlos des Bauernhofes in Hohe von 4.800 Rt [2]
Schlußbetrachtung
Die Bauernbefreiung in Westfalen war ein bedeutsamer historischer Prozess, der die Lebensbedingungen der Bauern grundlegend veränderte. Durch die Aufhebung der Leibeigenschaft und feudalen Abgaben gewannen die Bauern ihre persönliche Freiheit und wirtschaftliche Unabhängigkeit zurück. Die Bauernbefreiung hatte positive Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktivität, die Ernährungssicherheit und die politische Teilhabe der Bauern in Westfalen.