Berichte und Gesuche (deutsche Landgemeinden in Südrußland)/028
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vom Jahr 1864 wurden in dem jetzt aufgehobenen Fürsorge-Comité für die ausländischen Ansiedler damals alljährlich gegen 200 Wirthschaftsprocesse der Ansiedler Südrußlands anhängig. Beinahe keinerlei derartige Processe gelangten vor das genannte Comité, wie mir bekannt ist, aus den mennonitischen Bezirken und den Bezirken Sarata, Kreis Akkermann, und Neuhoffnung, Kreis Berdjansk, nicht allein weil die Mennoniten mit Genehmigung der Regierung sich in der Erbfolge nach ihren Gebräuchen richteten und die Sarataer und Berdjansker Colonisten sich gleichfalls an besondere Erbfolgeregeln hielten, obwohl ohne Vorwissen der Regierung, sondern vorzugsweise deshalb, weil die Vermögenstheilungen nach jenen Regeln in der Colonie gemacht wurden (so daß weder weite Fahrten noch Advocaten nöthig waren), und zwar bei den Mennoniten - von besondern Bezirks-Waisenältesten, bei den Sarataer und Berdjansker Colonisten - vom Dorf- und vom Bezirksamte.
c) Bei Eintreibung von Privatschulden von den Ansiedlern.
Das Odessaer und das Kischinewer Bezirksgericht und das Odessaer Kreis- und das Akkermaner Friedensgericht haben in den letztvergangenen Jahren für Privatschulden der Ansiedler eine Menge Höfe in den deutschen und bulgarischen Colonien, gleichsam als unabhängige Landgüter der Schuldner, an Juden und andere Personen verschiedenen Standes öffentlich verkauft, ohne nach der Einwilligung oder Nichteinwilligung der Gemeinde in solchen Verkauf zu fragen. (Fälle in den Dörfern Sarata, Tarutino und Borodino im Kreis Akkerman, Selz, Mannheim, Straßburg, Güldendorf und Lustdorf im Kreise Odessa. Katarschina im Kreise Tiraspol, u. a.) In den meisten dieser Fälle verkaufte das Gericht mit den Höfen zugleich die allernothwendigste bewegliche Habe, indem es der Gemeinde, die die Schuld des Schuldners nicht tilgen wollte, überließ, für Obdach und Unterhalt der entblößten Familie sorgen. Das Jekaterinoslawsche Bezirksgericht hat einen Hof in der Mennonitencolonie Nieder-Chortiz und das Simferopoler Bezirksgericht in den Colonien des Melitopoler Kreises ganze Wirthschaften öffentlich verkauft.
Solche Handlungsweise der Gerichtsbehörden hat sich schon die Speculation zu Nutze gemacht: in dem Dorfe früherer Kosaken Nikolajewsk-Noworossiisk (Bairamtschi), Kreis Akkerman, in welchem Dorfe gleichfalls gemeinschaftlicher Landbesitz besteht, wie bei den deutschen Ansiedlern, stellten einige Bauern, denen die Gemeinde nicht erlaubte, ihren Landantheil an auswärtige Zigeuner zu verkaufen, diesen Käufern, wie man mir an Ort und Stelle mitgetheilt, gegen einen Contraschuldschein einen Wechsel auf eine bedeutende Schuld aus, die vorgeblichen Gläubiger klagten den Wechsel ein, ließen das Land der Schuldner mit Beschlag belegen und, da laut Uebereinkunft keine Zahlung erfolgte, gerichtlich verkaufen, in der Gant[1] aber fiel das Land ihnen zu. Zum Leidwesen der deutschen Gemeinden findet dieses Beispiel schon
- ↑ GenWiki-Red.: 'Gant' = gerichtliche Versteigerung bei Zahlungsunfähigkeit - lt. PAWLOWSKY, J. "Deutsch-Russisches Wörterbuch"; Riga, Leipzig 1886; 3. Auflage, S. 566