Deutsche und französische Kultur im Elsass/022

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
GenWiki - Digitale Bibliothek
Deutsche und französische Kultur im Elsass
Inhalt
<<<Vorherige Seite
[021]
Nächste Seite>>>
[023]
Kultur elsass.djvu
Hilfe zur Nutzung von DjVu-Dateien
Texterfassung: korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Bevor dieser Text als fertig markiert werden kann, ist jedoch noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.



es allerdings besser geworden, aber doch sind die Resultate der deutschen Volksschule weitaus nicht erreicht. Die Mittelschule, das staatliche Lyceum und die ihm gleichgestellten kommunalen und privaten Anstalten, ist besser als die Volksschule. Aber hier überwogen früher bedeutend und überwiegen noch heute die geistlichen und weltlichen Privatanstalten die staatlichen und kommunalen Schulen (Lyceen und Kollegien) dieser Art an Menge und Zahl der Schüler. Der Nachdruck bei diesem Gymnasialunterricht liegt auf dem Unterricht in der Muttersprache, dem Lateinischen und der Mathematik. Er giebt eine gute formale Schulung des Geistes, regt aber die ohnehin zur Dialektik und Rhetorik neigende Bevölkerung noch mehr in dieser Richtung an und vernachlässigt völlig die mehr thatsächlichen Materien der Naturwissenschaften, Geschichte und Geographie. Endlich gaben und geben die zahlreichen geistlichen Anstalten der Bildung der Schüler ein völlig klerikales, die weltlichen dagegen ein irreligiöses Gepräge. Die Hochschulen, die sogenannten "Fakultäten", sind reine Fachschulen, die ebenso wie die technischen Fachschulen eine vorwiegend praktische Berufsausbildung geben. Diese Berufsausbildung ist durchschnittlich gut, in den technischen Hochschulen sogar ausgezeichnet, aber es fehlt bei Lehrern und Lernenden der wissenschaftliche Forschungstrieb, der die deutschen Hochschulen so sehr auszeichnet. Von einem Einfluss dieser Fachschulen auf die Geistesbildung der Nation kann nur in beschränktestem Masse die Rede sein. Selbst die Universität von Paris macht davon keine Ausnahme. Der Schwerpunkt der französischen Wissenschaft liegt nicht in der Universität oder deren Fakultäten, sondern im Institut und einzelnen wissenschaftlichen Fachschulen, die von den Fakultäten völlig getrennt sind, wie in der Ecole normale, dem College de France, der Ecole des Chartes, der Ecole des hautes études, der Ecole polytechnique u. a. Aber auch diese Anstalten haben weitaus nicht den Einfluss der deutschen Universitäten auf die Geistesbildung der Nation.

Während so der Einfluss des Unterrichts auf das geistige Leben des französischen Volkes in auffallender Weise zurücktritt, behauptet die geistige Tradition eine bei allen anderen Völkern und besonders bei den Deutschen ganz unbekannte Stellung. Die Voraussetzungen für diesen Einfluss sind die grosse natürliche Begabung des Volkes, vor allem seine rasche Fassungskraft und sein klarer, schnell ordnender Verstand, der sich überall kundgiebt. Die zweite Voraussetzung für die Leichtigkeit der geistigen Tradition ist die Sprache, die als unschätzbares Erbteil den streng logischen Aufbau und die Klarheit der Begriffe vom Lateinischen übernommen und weitergebildet hat. Man kann sagen, ein gutes Stück antiker Geistesbildung, das der Germane sich durch den. Unterricht mühsam erwirbt, nimmt der Franzose mit der Muttersprache auf. Die dritte und vielleicht wichtigste Bedingung der geistigen Tradition ist die Ansammlung des geistigen Lebens des Volkes in einem Brennpunkt, der Stadt Paris. Der Franzose ist der hochbegabte Sohn eines reichen, mit allen Bildungsmitteln ausgestatteten Hauses, der seine allgemeine Bildung nicht in der Schule beim Unterricht, sondern zu Hause durch Beispiel und Anschauung erwirbt. Die Hauptträger dieser geistigen Tradition sind die Litteratur, das Theater, die Presse, die politische Agitation und schliesslich die mannigfaltigen Bildungsmittel der Weltstadt, vom glänzenden Laden bis zu den Museen, wissenschaftlichen Anstalten und den öffentlichen Vorlesungen berühmter

Bildunterschrift:
TH. SCHULER: SCHAFHIRT.