Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland/432

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
GenWiki - Digitale Bibliothek
Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland
<<<Vorherige Seite
[431]
Nächste Seite>>>
[433]
Grundherrschaft-nw-dland.djvu
Hilfe zur Nutzung von DjVu-Dateien
Texterfassung: unkorrigiert
Dieser Text wurde noch nicht korrekturgelesen und kann somit Fehler enthalten.


mit vielen anderen Reformen auch den Erlaß einer Ablösungsgesetzgebung bis zum Beginn der 30er Jahre hinauszuschieben.

Jedoch schon um die Mitte der 20er Jahre begann sich ein Umschwung Vorzubereiten. Die bisher so günstigen Erwerbsverhältnisse des Landvolks hatten sich wesentlich verschlechtert'. Die Getceide-preise waren beträchtlich zurückgegangen. Das für den Bauer so einträgliche Frachtgeschäft war fast geschwunden, seit der dauernde Friede den Handel wieder auf seine alten Straßen im Westen Deutschlands zurückgelenkt hatte. Schwer litt die wichtige bäuerliche Hausindustrie der Leinspinnerei und Leinweberei unter der Konkurrenz der englischen Baumwollindustrie.

Dieser Notstand ließ den Bauer die grundherrliche Belastung wieder doppelt empfinden. Besonders drückend erschienen jetzt die unablöslichen Geldrenten, die man statt der Naturalleistung der Dienste, Zehnten und sonstiger Gefälle eingeführt hattet

Eine allgemeine Unzufriedenheit bemächtigte sich des Landvolkes, und diese richtete sich gegen den greifbarsten Gegenstand, die grundherrliche Verfassung ^. In den benachbarten Territorien war der Bauer von diesen Lasten schon frei oder wurde gerade von ihnen befreit^. Zur westfälischen Zeit, als man die Grundlasten ablösen konnte, war es dem Bauer gut gegangen. Ohne zu untersuchen, ob dieser Wohlstand auf der Ablösung oder auf der allgemeinen Konjunktur beruht hatte, verlangte man jetzt die Ablösung wieder als Erleichterungsmittel,

Als beredte und thätige Verfechter der Ablösung traten nun in der zweiten Kammer der Stände die Abgeordneten der Städte Hildesheim und Osnabrück, Lüntzel und Stüve, auf. Auch sie glaubten, daß bei entsprechender Durchführung der Reform fchon der augenblickliche Notstand gemildert werden könne, daß sie also sogleich eine Erleichterung bringen werde. Außerdem aber waren sie, ohne Rücksicht auf die augenblickliche Lage, aus allgemeinen ökonomifchen und politischen Gründen von der Notwendigkeit der Reform durchdrungen ^.


1 Vgl. u. Gülich, Über die Verhältnisse der Bauern in Kalenberg 1831, G. 39-43. — Derselbe, Geschichtliche Darstellung des Handels, der Gewerbe und des Ackerbaues II, Jena 1830, S. 404 ff. u. 412 ff. — Stüve, Lasten, S. 53-57.

^ Vgl. u. Gülich, Verhältnisse der Bauern in Kalenberg, S. 27. — Stllve, Lasten, S. 52 u. 70.

2 Vgl. Stüve, Gegenwärtige Lage, S. 105-107.

^ Vgl. Stüve, Lasten, MWim, besonders die Vorrede, und Lüntzel, Lasten im Fürstentum Hildesheim, Einleitung. — u. Treitschke, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Bd. III, 1886, S 555.