Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland/Anlagen 112

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Die Grundherrschaft in Nordwestdeutschland
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Denn, eine Veränderung der Verwendung der Sklaven anzunehmen, liegt kein Grund vor.

Soll der vollberechtigte, grundbesitzende, freie Volksgenosse seine Stellung als Grundherrr, die er doch besaß, als nur ein Stand unfreier Ackerbauer ihm diente, jetzt eingebüßt haben? Ich glaube, nein.

Der vollfreie Sachse war vor dem Eindringen der Franken ebensowohl ein Grundherr wie sein Vorfahr, der ingenuus, im taciteischen Zeitalter.

Welcher von den beiden oberen Ständen der Stand der freien, vollberechtigten Volksgenossen, der Kern des Volkes, gewesen ist, ob nobiles oder liberi, oder ob beide gemeinsam den herrschenden Stand (im sozialen Sinn) bildeten, diese Frage können wir erst mit der Kenntnis der rechtlichen und sozialen Zustände in der karolingischen Epoche entscheiden.


§ 3. Die karolingische und ottonische Epoche.

Zunächst ist jetzt die Frage zu beantworten, ob die in Rede stehenden Verhältnisse durch die fränkische Eroberung selbst eine Änderung erfahren haben. Die herrschende Meinung leugnet, auf beachtenswerte Gründe gestützt, tiefgehende Wandlungen in der sozialen Struktur des Volkes als unmittelbare Folge der fränkischen Eroberung.[1]

Zwar wird zugegeben, daß in einzelnen Gegenden die sächsische Bevölkerung in die Verbannung geführt oder gar vertilgt worden ist, und daß ihren Platz eingewanderte Franken, ja selbst Slaven eingenommen haben. Auch bestreitet man nicht, daß viele Rebellen ihre Güter verloren haben und teils getötet, teils verbannt worden sind.[1]

Aber eine Veränderung der ständischen Verhältnisse durch Modifikation des Rechtes oder auch nur eine wesentliche numerische Verstärkung oder Schwächung eines oder mehrerer Stände gegenüber den übrigen wird nicht zugegeben.[1]

Höchstens der rasch für die fränkische Herrschaft gewonnene Stand der nobiles soll durch einige Privilegien gehoben und durch einwandernde Franken verstärkt worden sein.[1] Aber die herrschende Stellung dieses Standes sollen die Franken nicht begründet, sondern höchstens befestigt haben.[1]

Diese Ansicht ist gut begründet.

Sie stützt sich auf das sicher überlieferte ausdrückliche Zugeständnis des Kaisers, das sächsische Recht nicht antasten zu wollen. Auch sind unzweideutige Nachrichten, daß große Volksbestandteile ihren Stand verändert hätten, nicht bekannt. Nur eine Stelle aus der Lebensbeschreibung Ludwigs des Frommen könnte auf eine solche Standesveränderung gedeutet werden. Der Kaiser soll im Jahre 814 den Sachsen und Friesen


  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 Vgl. Waitz, Verfassungsgeschichte, Bd.III S.136-148. — v. Richthofen, Leges Saxonum in M. G. L.L. Tom.V, S.54 Anm. — v. Richthofen, Zur lex Saxonum, S.124. — Über die Erhöhung des Standes der nobiles vgl. Gaupp, Recht und Verfassung der alten Sachsen, S.37 ff. 48 ff.