Die Kirchenbücher der bayerischen Pfalz (1925)/VI

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Die Kirchenbücher der bayerischen Pfalz (1925)
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Einleitung.


Die pfälzischen Kirchenbücher erfreuen sich keines allzu hohen Alters. Wie im allgemeinen im übrigen Süddeutschland – einige wenige Ausnahmen ändern daran nichts – entstanden auch sie nicht vor der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die Zeiten waren auch zu ungünstig, als daß sie früher bereits hätten in Erscheinung treten können. Wenn sie auch tatsächlich einem Bedürfnis[1], einem kirchlichen sowohl wie einem staatsbürgerlichen, ihr Dasein verdanken, so setzte doch ihre allgemeine Durch- und Einführung gewisse Bedingungen voraus. Vor allem erforderte diese einen gut gebildeten, von seinen hohen Aufgaben und Pflichten durchdrungenen und fest in der Hand seiner Oberen stehenden Klerus. Das zweite Viertel des 16. Jahrhunderts aber hatte mit seinen religiösen Umwälzungen gerade in die kirchlichen Organisationen so viel Unruhe und Unsicherheit gebracht, daß von einer geregelten Seelsorge vielfach nicht mehr die Rede sein konnte. Die religiösen Wirren brachten zudem auf allen Gebieten geistigen Lebens von der Volksschule bis hinauf zur Hochschule einen gewaltigen Niedergang. Es war daher nicht leicht, da, wo die alten Verhältnisse eingestürzt worden waren, wo die neue Lehre Eingang gefunden hatte, immer die geeigneten tüchtigen Kräfte für die Verkündigung der religiösen Wahrheiten und für die Seelsorge zu finden. Die Klagen hierüber kehren in allen Visitationsprotokollen jener Zeit wieder[2]. Wenn so einerseits, wie mir scheint, die Reformation die allgemeine Einführung der KB eher verzögert als gefördert hat, so wurde doch andrerseits durch sie das Bedürfnis nach einer registermäßigen Aufzeichnung der durch Geistliche an einzelnen Mitgliedern der Kirche verrichteten wichtigsten kirchlichen Handlungen[3] nicht unwesentlich erhöht. Dieses Bedürfnis wurde überall erkannt und anerkannt. Sobald daher die Verhältnisse sich einigermaßen geklärt und gefestigt hatten, ergingen allerorts Anweisungen zur Einrichtung und Einführung der KB.

In den die heutige Pfalz bildenden zahlreichen ehemaligen Herrschaftsgebieten erscheinen solche Verordnungen verhältnismäßig spät. In dem Bayern rechts des Rheins war, soweit ich sehe, die brandenburg-nürnbergische Kirchenordnung von 1533 die erste[4], welche die Einschreibung der Taufen und der Eheschließungen anordnete: „Es sollen auch die Pfarrer oder Kirchendiener jedes Orts in ein sunder Register fleißig einschreiben die Namen und Zunamen der Kinder, die sie taufen und der Personen, die sich ehelich einleiten und auf welichen Tag und in wellichem Jahr solches geschehen sey".[5] Auch die „Liegnitz'sche Verordnung die Sakramente betr.“ von Montag nach Kiliani 1542 verlangt, daß „beim Kindertaufen acht zu geben“ sei, „daß der Diener den Täufling mit den Namen der Paten von Jahr zu Jahr in ein Register zeichnen und aufmerken soll“.[6] Ähnliche Bestimmungen gingen von der brandenburg-nürnbergischen KO in die Schweinfurter KO und in die Cölnische Reformation, beide von 1543, über.[7] Die 1554 herausgekommene „liturgia sacra“ der reform. Wallonen – solche kamen erstmals 1577 in die Pfalz – in Frankfurt a. M. bestimmt ähnlich: „... postea nomen infantis et parentum ac fideiussorum libro ecclesiae inscribitur“ und ebenso „nomina porro coniugum et dies libro ecclesiae ascribuntur“.[8]

Weit später erscheinen solche Erlasse in der Pfalz. Die ersten hier ergangenen Kirchenordnungen, die kurpfälzischen von 1546 und 1556[9] und die zweibrücken’sche von 1557[10] die auf die pfalz-neuburgische KO von 1543, auf die württembergische von 1553 und die brandenburg-nürnbergische von 1533 zurückgehen, enthalten Bestimmungen über die Führung von KB noch nicht. Solche erscheinen erst in den 60er Jahren.


  1. Sägmüller, J. B., Die Entstehung und Entwicklung der KB im kath. Deutschland bis zur Mitte des 18. Jhdts. Theol. Quartalschrift 81. Jhrg. (Ravensburg 1899), 217. – Becker, K. Chr., Wissensch. Darstellung der Lehre von den KB (Frankf. a. M. 1831) 2 ff.
  2. Rott, H., Friedrich II. v. d. Pfalz und die Reformation (Heidelberg 1904) 113. 116.
  3. Becker 1.
  4. Franz, H., Alter und Bestand der KB insbes. im Großh. Baden (Heidelberg 1912) 29.
  5. Richter, A. L., Die evang. Kirchenordnungen des 16.Jahrhunderts (Weimar 1846) 1, 210. – Medicus, E. Fr. H., Gesch. der evang. Kirche im Kgr. Bayern (Erlangen 1863) 101 f.
  6. Richter 1, 240.
  7. Richter 2, 22. 48.
  8. Richter 2, 156. 158.
  9. Rott 60, 132 ff. Richter 2, 177. Gümbel, Th., Gesch. d. protest. Kirche der Pfalz (Kaiserslautern 1885) 13 f.
  10. Richter 2, 194. Lehmann, Joh. Gg., Gesch. des Herzogtums Zweibrücken (München 1867) 342.