Erziehung im XX. Jahrhundert/031
GenWiki - Digitale Bibliothek | |
---|---|
Erziehung im XX. Jahrhundert | |
<<<Vorherige Seite [030] |
Nächste Seite>>> [032] |
Hilfe zur Nutzung von DjVu-Dateien | |
Texterfassung: unkorrigiert | |
Dieser Text wurde noch nicht korrekturgelesen und kann somit Fehler enthalten.
|
Ablehnung der Fröbelschen Ideen durch einen grossen Teil der deutschen Erzieher
und Lehrer nur bedauern kann. Fröbel betrachtet den Menschen von Geburt an
als ein schaffendes Wesen und will ihn demgemäss behandelt und erzogen haben.
Die Erziehung muss vor allem den Tätigkeitstrieb des Kindes in Anspruch
nehmen; auf diesen will Fröbel alle Erziehung und allen Unterricht des Menschen
gründen. Durch planmässige Beschäftigung soll dem Tätigkeitstriebe die ent-
sprechende Nahrung geboten und das Kind zum freien Schaffen erzogen werden.
Ausser dem Zeichnen und Formen sind vor allem das Bauen mit Kugel, Würfel
und Walze, das Legen von Stäbchen, Erbsen und Perlen, das Ausschneiden,
Flechten und Falten geeignete Mittel hierzu. Zu vielen der Beschäftigungsspiele
— denn die Beschäftigung soll zunächst immer ein Spiel sein! — werden ge-
eignete Lieder gesungen, wodurch das Kind zugleich in die Welt der Töne ein-
geführt wird. Weiterhin werden Uebungen zur Stärkung, Kräftigung und Aus-
bildung des Körpers damit verbunden. Zu diesem Zwecke hat Fröbel eine Reihe
von Bewegungsspielen ersonnen, die er in seinen »Mutter- und Koseliedern« zu-
sammengestellt und geordnet hat. Wie schon der gut gewählte Name sagt — dies
spricht sich z. B. darin aus, dass das Wort »Kindergarten« in die englische
Sprache ohne Abänderung übernommen worden ist —, denkt sich Fröbel einen
Garten mit seiner Anstalt verbunden, der den Kindern Gelegenheit bieten soll,
das Leben der Pflanzen und Tiere zu beobachten und Tätigkeiten auszuüben, die
der Pflege dieser Geschöpfe dienen. Wenn die Kinder im Garten selbst pflanzen
und Gewächse pflegen können, wenn sie an einem- schattigen Platze einen Sand-
haufen zur Verfügung haben, in dem sie ihre Bauten ausführen, wenn ihnen
ausserdem noch kleinere Haustiere (Kaninchen, Tauben, Hühner) zur Beobachtung
und zur Pflege zugewiesen sind, so wird man in derartigen Beschäftigungen
zweifellos die beste Ergänzung der häuslichen Erziehung finden. Jedenfalls gilt
vor allem für unsere Kinder das wahre Wort Jean Pauls: »Was heiter und selig
macht und erhält, ist bloss Tätigkeit«.
Vorbildliche Einrichtungen für die Erziehung im frühen Kindesalter finden wir in manchen Kindergärten und Kinderheimen, z. B. in denen der Vereine für Volkserziehung in Berlin, Leipzig, Cassel u. a. O. (Siehe die Bilder aus dem »Pestalozzi-Fröbel-Haus« in Berlin!)
Je weniger die Kinder bei ihren Tätigkeiten von Erwachsenen überwacht und geleitet werden, und je mehr sie in einer einfachen Umgebung und im unmittel- baren Verkehr mit der Natur aufwachsen, um so besser ist dies im Grunde ge- nommen. Hierauf beruht die ungeheure Ueberlegenheit der Erziehung auf dem Lande gegenüber der in der Grossstadt. Was letztere dem Kinde bietet, ist für dasselbe in der Hauptsache ein Gewirr von verwickelten, künstlichen und unbegreif- lichen Dingen; die Ausstellungen der Schaufenster, die Strassenbahn, die Telephon- leitungen und sonstigen Zeichen grossstädtischen Verkehrs und kultureller Er- rungenschaften sind für das Kind keine wirksame Quelle neuer Anschauungen und Bildungskräfte, während dagegen eine ländliche Umgebung mit ihren Tieren und Pflanzen und den einfachen Arbeiten der Landbewohner in ungleich höherem Masse einen natürlichen Anschauungsunterricht bietet. Hier wird auf Schritt und Tritt die Erfindungs- und Beobachtungsgabe geweckt, die Selbsttätigkeit angeregt und die Liebe zu der Natur und ihren Geschöpfen entwickelt. Friedrich Hebbel, der eine dürftige und harte Jugendzeit verlebt hatte, schildert mit poetischer Feinheit die Bildungseinflüsse, die sein armes Elternhaus und die Dorfschule auf ihn ausgeübt