Gegen das Vergessen

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Gegen das Vergessen - Zeugnisse unserer Kultur

Foto: H. Holthausen
Abgeräumte Grabsteine nach Ablauf der Liegezeit

Ein wichtiger Bestandteil unserer Kultur sind die Friedhöfe. Grabsteine sind Denkmäler. Deshalb ist aus kulturhistorischer Sicht die Sammlung und Dokumentation von Grabsteinbildern eine wichtige Aufgabe, der sich Familienforscher seit einiger Zeit in einem Internetprojekt annehmen.

Mit der Online-Dokumentation von Grabsteinen und Friedhöfen wird das Andenken an die Verstorbenen dauerhaft bewahrt, denn Grabsteine werden meist nach dem Ablauf des Nutzungsrechts abgeräumt und die Grabstellen dann neu belegt.


Kulturwandel

In gewissem Sinn sind Friedhöfe auch ein Spiegelbild unserer Kultur. Früher waren Friedhöfe vor allem Orte der Erinnerung, die Grabsteine und Grabanlagen waren häufig kunstvoll gestaltet. Einige bekannte Friedhöfe sind gleichzeitig berühmte Parkanlagen (z. B. Hamburg-Ohlsdorf). Auf einigen großen Familiengräbern kann man über mehrere Generationen hinweg ganze Genealogien finden.

Heutige Grabstellen sind meist wesentlich schlichter gestaltet als in vergangenen Zeiten und zum Teil sogar nur noch mit dem Familiennamen beschriftet, ohne nähere Lebensdaten der Einzelpersonen. Besonders im großstädtischen Bereich nehmen heute die grabsteinlosen Beerdigungsarten wie Friedwälder, Seebestattungen oder auch die gänzlich anonymen Beisetzungen extrem zu - nicht zuletzt auch, weil heute Mobilität erwartet wird und viele Hinterbliebene vermeintlich wenig Gelegenheit finden, sich um Gräber kümmern zu können. Und zu guter Letzt werden leider viele alte Grabsteine durch die Luftverschmutzung zerstört und so viele Inschriften nicht oder nicht mehr lange identifizierbar sein. Durch das Grabstein-Projekt des Vereins für Computergenealogie werden somit zumindest einige historische Gräber vor deren Zerstörung dokumentiert und ein Teil unserer Bestattungskultur für die nachfolgenden Generationen archiviert.


Kostenlos nutzbare Datenbank

Ein positiver Nebeneffekt der Online-Dokumentation ist für Familienforscher die Erschließung einer Sekundärquelle mit genealogischen Daten. Inzwischen sind in der Online-Datenbank unter http://grabsteine.genealogy.net schon ca. 600 Friedhöfe mit mehr als 230.000 Grabstellen fotografiert und Daten von über 425.000 Verstorbenen erfasst worden, die jeder kostenlos durchsuchen kann. Beteiligen kann sich am Projekt jeder, der Bilder sämtlicher Grabsteine eines Friedhofs einsenden möchte. Auf der Projektseite sind ein Leitfaden und die Mailadresse der Projektleitung zu finden.


Rechtliche Grundlagen

Da die Bilder und Daten aus einem sensiblen Bereich stammen, sind neben datenschutz- und urheberrechtlichen Fragen vor allem auch Überlegungen zum Umgang mit den trauernden Hinterbliebenen notwendig. Deshalb hat sich das Projektteam zu Beginn ausführlich über die Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung von Grabsteinbildern beraten lassen.

Die Erfassung, Weitergabe und Veröffentlichung von personenbezogenen Daten bereits verstorbener Personen sind ohne Einhaltung von Schutzfristen zulässig, denn das „allgemeine Persönlichkeitsrecht“ endet mit dem Tod. Ein postmortal fortwirkender Persönlichkeitsschutz beschränkt sich auf den Schutz der Menschenwürde sowie den Schutz des allgemeinen Lebensbildes gegen grob ehrverletzende Entstellungen, Erniedrigungen und Herabwürdigungen, aber nicht auf die reinen Lebensdaten.


Fotografien

Mit dem Aufstellen eines Grabsteins auf einem Friedhof ist zuerst einmal die so genannte „Öffentlichkeit“ hergestellt.

Aufgrund der in Deutschland geltenden Panoramafreiheit dürfen Fotos des öffentlichen Raums veröffentlicht werden. Friedhofs- oder Bestattungsgesetze unterliegen in Deutschland der Hoheit der Bundesländer. Ergänzende Regelungen zu Landesgesetzen treffen die Kommunen sowie die Kirchengemeinden mit eigenen Friedhofsordnungen. Unter Umständen kann solch eine Friedhofsordnung ein Fotografierverbot aussprechen, in der Regel ist aber nur eine kommerzielle Nutzung untersagt.


Rücksichtnahme

Obwohl die rechtlichen Bedingungen es nicht erfordern, wird vom Projekt natürlich Rücksicht auf trauernde Angehörige genommen, denn Trauer ist ein sensibler Bereich der menschlichen Gefühle.

So hat sich das Projektteam dazu entschlossen, das traditionelle Trauerjahr zu respektieren. Deshalb werden grundsätzlich weder Grabsteinbilder noch Daten von Personen, die im laufenden oder vorhergehenden Jahr verstorben sind, gezeigt.


Umgang mit Beschwerden

Trotz all der gründlichen Vorbereitungen und auf den Webseiten nachzulesenden Darstellungen gibt es leider auch einige Privatpersonen, die sich bei den Projektbetreuern des Grabstein-Projekts oder beim CompGen-Vorstand beschweren und Löschungen verlangen. Gemeinsam wurde daher eine Vereinbarung erarbeitet, nach der solche Beschwerden behandelt werden. In einer ersten, freundlichen, aber sachlichen Antwort wird dem Beschwerdeführer das Projekt, sein Sinn und Nutzen erklärt. Weiterhin werden die rechtlichen Grundlagen dargelegt. In vielen Fällen reicht diese erste Antwort und die Beschwerde wird nicht weiter verfolgt - offenbar haben einige Menschen beim oberflächlichen Betrachten der Datenbank einfach nur eine ganz falsche Vorstellung vom Grabstein-Projekt. Sollte dem Beschwerdeführer diese Erklärung allerdings nicht reichen und er weiterhin auf einer Löschung des Grabsteinbildes bestehen, wird angeboten, dieses für zwei Jahre zu sperren. Angelehnt an das Archivgesetz ist eine Sperrung aber nur bis maximal zehn Jahre nach dem Tod des auf dem Grabstein Letztgenannten vorgesehen.


Positive Rückmeldungen

Neben einigen wenigen Beschwerden erhalten die Betreuer des Projektes jedoch überwiegend positive Rückmeldungen aus aller Welt. Das Grabstein-Projekt hat mittlerweile nicht nur bei Genealogen, Heimatforschern und Autoren von Chroniken und Ortsfamilienbüchern Anerkennung gefunden - es wird auch von Hinterbliebenen in nah und fern oft und gerne genutzt. Aus Rückmeldungen ist bekannt, dass durch dieses Projekt verschollene Verwandte wiedergefunden werden konnten. Selbst Steinmetzbetriebe, Bestattungsunternehmen, Friedhofsverwaltungen und Friedhofsgärtnereien wissen diese Dokumentation zu schätzen. Einige der vielen Rückmeldungen möchten wir hier wiedergeben, zeigen sie doch sehr schön, wie wertvoll und geschätzt die Mitarbeit an diesem Projekt ist. Vielleicht haben ja auch Sie nach dem Lesen dieses Artikels Interesse sich zu beteiligen? Wie Sie bei diesem wichtigen Projekt mitwirken können, erfahren Sie im kommenden Heft.


Meinungen

Ist ja bemerkenswert, was meine Mitmenschen in ihrer Freizeit alles so bewerkstelligen und dann auch noch kostenfrei im WWW-Netz verewigen. Besonders gut finde ich die Grabsteine-Sammlung mit den zigtausenden Fotos. Donnerwetter, die Grabsteinjäger müssen ja tagelang, wochenlang mit ihrer Kamera im Anschlag über die Friedhöfe geeilt sein. Ich finde es jedenfalls interessant und gut, dass so was gemacht wird und möchte nicht vergessen zu sagen, bitte leiten Sie meinen Respekt und meinen Dank an die Macher der Sammlung weiter.

Ich habe das Grabsteinbild von meiner Oma und meinen Opas gefunden. Der Grabstein war mal in Lilienthalklosterweide, ist aber irgendwann geräumt worden, umso besser ist Ihre Arbeit.

Die umfangreiche Datenbank der Daten und Bilder von Grabsteinen begeistert mich, auch die gute Qualität der Aufnahmen und die recht exakte Übernahme der Beschriftungen ist zu loben. Ich möchte deshalb allen an der Datenbank Beteiligten einen Gruß schicken und einfach mal Danke sagen.


Weblinks



Dieser Beitrag wurde zuerst in der Computergenealogie, Heft 4/2012 von K.-P. Wessel veröffentlicht.