Herforder Chronik (1910)/111

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Herforder Chronik (1910)
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alle Schriftstücke der angeführten Sammlung und ist mit aller Gründlichkeit durchgeführt. Wie die Parteien sich schließlich gütlich geeinigt haben, mag der Leser in jener Schrift nachsehen, es geht uns hier nichts an. Interessant ist es aber, daraus zu erfahren, daß der Ratskeller, der vordem ein Bierkeller war, wo man, wie ausdrücklich hervorgehoben wird, „Minderbier“, d. i. Bier von Minden, verzapfte, erst 1604 auch als Weinkeller eingerichtet worden ist, daß mithin der Rat der Stadt Herford auch Weinhandel trieb.

Man kann es dem Herforder Rate nicht verdenken, daß er sich mit aller Kraft bemühte, den Weinverkauf an sich zu ziehen, da daraus in jenen Zeiten der Geldnot ein hübsches Sümmchen in die so ungeheuer in Anspruch genommene Stadtkasse floß. Und der Weinverbrauch war kein geringer. Viele Städte des Mittelalters, unter ihnen Herford, hatten sich durch den Handel zu hohem Wohlstande emporgeschwungen, und sowohl dieser, als auch das stolze Bewußtsein der nach langem Kampfe erlangten Befreiung von geistlicher oder weltlicher Bevormundung zeitigte in den vornehmen Geschlechtern der Städte das Streben, es den Ritterbürtigen in verschwenderischer Lebensführung nachzutun. Die alten Schriften sind voll von den Ausschweifungen der Zeitgenossen, die sich in Buntheit und Kostbarkeit der Kleidung, in übermäßiger Fülle silberner und goldener Zieraten und ebenso in Festlichkeiten, Schmausereien u. dgl., mit übermäßigem Verbrauch von Speisen und Wein nicht genug tun konnten. Die dagegen erlassenen Gesetze, Kleider- und Hochzeitsordnungen, und wie sie alle heißen mögen, dampften nie auf längere Zeit die Sucht, sich durch Üppigkeit in jeder Beziehung bemerklich zu machen. Wie in Herford im Jahre 1687 eine ältere Kleiderordnung (s. Anhang) erneuert werden mußte, um unter Androhung oft schimpflicher Strafen Wandel in dem wieder eingerissenen Lurus zu schaffen, so begegnen wir in den Stadtrechnungen desselben Jahrhunderts häufig Einnahmeposten, die eine Strafe „wegen Nichteinhaltung der Hochzeitsordnung“ angeben, was darauf hindeutet, daß der Bestrafte den stadtväterlichen Geboten zum Trotz ein Übermaß in Speisen und Getränken, unter denen vornehmlich Wein zu verstehen ist, seinen Gasten vorgesetzt hat. Weitherzig hatte der „Ehrenveste und Wohlweise Raht der Stadt Herford“, den Sitten der Zeit Rechnung tragend, in seinen „Ordnungen“ den gestatteten Verbrauch an Wein nicht gering bemessen und versagte sich auch selbst nichts bei festlichen Veranlassungen oder im Dienste der Stadt.

Es wird dem freundlichen Leser erwünscht sein, wenn wir unsere Behauptungen mit unzweifelhaften Zeugnissen belegen, wozu wir Auszüge aus den Herforder Stadtrechnungen von 1609, 1626, 1629 und 1630 wählen.