Herforder Chronik (1910)/264
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allen Seiten hin trat er ratend und helfend ein. Der Herforder Bürger konnte unter dem Schütze eines solchen Fürsten wieder an die Hebung seines in der Kriegszeit vernachlässigten Hauswesens, an den Betrieb seines Handwerks, seiner Ackerwirtschaft oder seiner Kaufmannschaft denken.
Nur auf so geebnetem Boden und unter den neuen friedlichen Verhältnissen war es möglich gewesen, daß sich hier unter dem Krummstabe einer Frau wie Elisabeth ein Fürstenhof bildete, wo die höchsten geistigen Interessen gepflegt wurden, wo Kunst und Wissenschaft eine Stätte fanden. Wir wissen freilich, die ernste Geistesrichtung der Äbtissin neigte sich auf die schwärmerisch-mystische Seite, das wird uns aber erklärlich, wenn wir die Eigenart ihrer geistigen Begabung und ihrer Erziehung bedenken. Die letzten Ursachen davon sind in dem Mißgeschick zu suchen, welches sich schon an ihre ersten Schritte heftete, um zeitlebens einen Schatten auf ihren Weg zu werfen. Elisabeths Regierung hat eine viel zu nachhaltige Wirkung auf Herford ausgeübt, als daß wir es unterlassen sollten, den ihr merkwürdiges Leben bestimmenden Einflüssen nachzuspüren, wenn wir auch breitere Ausführlichkeit vermeiden wollen.
Ihr Vater, Friedrich V. von der Pfalz, war mit Elisabeth Stuart, der Tochter Jakobs I. von England, vermählt, deren ältestes Kind unsere Elisabeth war. In jugendlicher Begeisterung für die evangelische Lehre war Friedrich an die Spitze der Union getreten, und als das protestantische Böhmerland nach Absetzung seines katholischen Königs Ferdinand ihm die Krone angeboten, hatte er sie, gedrängt durch seine Gemahlin, die stolze, englische Königstochter, und im Vertrauen auf Unterstützung der Union und auf schwiegerväterliche Hilfe angenommen. Dieser Schritt hatte für ihn die unseligsten Folgen. Seine Kräfte waren der Gegenpartei nicht gewachsen, am 8. April 1620 verlor er in der Schlacht am Weißen Berge bei Prag nicht allein die eben erst erhaltene böhmische Königskrone, sondern auch sein Erbland, die Kurpfalz. Mittellos und mit dem Spottnamen des „Winterkönigs“ (d. i. der nur einen Winter König war) an den Fersen verließ er flüchtend das Vaterland, um bei seinen holländischen Verwandten Unterkunft zu suchen.
Das Unglück des Vaters und die Flucht der Familie raubten auch Elisabeth die Heimat, die sie erst nach vielen Jahren und nur vorübergehend wiedersehen durfte. Des jungen Kindes nahm sich liebreich die Großmutter väterlicherseits, Juliane von Oranien, die fromme Witwe Friedrichs IV. von der Pfalz, an, welche am Hofe des Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg, des Vaters des Großen Kurfürsten und Schwagers des Winterkönigs, Aufnahme gefunden hatte.
Als Elisabeth hier unter der Obhut der Großmutter eine stetig wachsende Lernbegier und dabei leichte Auffassungsgabe zeigte, nahmen sie die Eltern, als sie neun Jahre alt geworden, an den Hof im Haag. Ihre Eltern genossen dort noch immer die Gastfreundschaft des holländischen Hofes, und getragen von den reichlich fließenden Zuwendungen von niederländischer und englischer Seite, entfaltete sich daselbst um die prachtliebende Mutter, die Königin von Böhmen,