Herforder Chronik (1910)/288

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
GenWiki - Digitale Bibliothek
Herforder Chronik (1910)
<<<Vorherige Seite
[287]
Nächste Seite>>>
[289]
Herforder Chronik 1910.djvu
Hilfe zur Nutzung von DjVu-Dateien
Texterfassung: korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Bevor dieser Text als fertig markiert werden kann, ist jedoch noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.



drückte, aus dessen Ruinen erst in neuerer Zeit frisches Leben emporsproßt. Über die Schicksale, welche die Stadt in der angegebenen langen Zeit betroffen haben, geben uns außer dem betreffenden Aktenmaterial noch einschlägige Schriften und chronikartige Aufzeichnungen von Zeitgenossen der drei große Begebenheiten,

1. des dreißigjährigen Krieges,
2. des siebenjährigen Krieges und
3. der Freiheitskämpfe von 1813-15

Kunde.

Für die Geschichte der Bedrängnisse Herfords im 17. Jahrhundert liegt unserer Darstellung hauptsächlich eine handschriftliche Chronik unter dem Titel „Verzeichnuß etzlicher sonderbahrer gedenkwürdiger Zufälle so sich in diesem seculo vnd zwahr sieder (seit) 1609 in und mitt der Stadt Herford begeben und zugetragen.“ (St. A. Münster Msc. VII 3326a) zugrunde.

Wir folgen dieser Chronik in der Weise, daß wir stets die Geschichte der Stadt in den Vordergrund rücken, ohne jedoch den Zusammenhang mit der allgemeinen Weltlage außer acht zu lassen.

So nötigt uns gleich der erste Zeitabschnitt zum besseren Verständnis der betreffenden Chronik zu einer Abschweifung über den

jülich-klevischen Erbfolgestreit.

In der Mitte des 16. Jahrhunderts standen die drei rheinischen Herzogtümer Jülich, Kleve und Berg, sowie die beiden westfälischen Grafschaften Mark und Ravensberg unter der Herrschaft Wilhelms III., der mit diesem Besitz zu den mächtigsten Fürsten in Deutschland zu zählen war. Bei seinem Tode 1575 waren von den sieben Kindern seiner Ehe noch vier Töchter und ein Sohn, Johann Wilhelm, am Leben, der dem Vater in der Regierung der ungeteilten Länder folgte.

Als er 1609 kinderlos starb, erlosch mit ihm der Mannesstamm des jülich-klevischen Hauses und es meldeten sich nun, lüstern nach dem schönen Erbe, verschiedene Fürsten aus der Verwandtschaft des Verstorbenen als Thronbewerber. Selbst der Kaiser Rudolf II. mischte sich, um im Trüben zu fischen, mit ränkevollem Spiel in die verwickelter werdende Erbangelegenheit.

Zur Abwehr der drängenden Ansprüche der weniger Berechtigten und auch der Bestrebungen des Kaisers, schlossen die meistberechtigten Bewerber, Johann Sigismund von Brandenburg und Philipp Ludwig von Pfalz-Neuburg, zu Dortmund durch ihre Vertreter Markgraf Ernst, den Bruder des Kurfürsten von Brandenburg, und Wolfgang Wilhelm, den Sohn des Pfalzgrafen, einen Vertrag zu gemeinsamer Regierung, deren Sitz zu Düsseldorf war. Der Dortmunder Vertrag, der freie Religionsübung zusicherte, sollte Geltung haben, bis einer der Thronbewerber endgültig als Herrscher anerkannt sei. Zur Befestigung ihres Besitzes suchten nun die beiden Regenten, die Possidenten genannt werden, sich der wichtigsten Städte durch deren Belegung mit Bundestruppen zu bemächtigen, und hier setzt unsere Chronik ein: