Schweidnitz/Geschichte 1918-1919
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Schweidnitz als preußische Stadt (1741-1945)
Revolution und Übergangszeit zur Weimarer Republik (11. November 1918 – 19.1.1919)
- 10.11. - Auch in Schweidnitz übernimmt ein gewählter Soldatenrat das Kommando über das Militär. Die Soldaten entfernen Achselklappen und Kokarden. Die Offiziere werden aufgefordert, Achselstücke und Degen abzulegen. Bei Weigerung erzwungen. Die den Mannschaften abgenommenen Waffen werden in den Kasernen verwahrt. Außer Wach-, Sicherheits- und Arbeitsdiensten wird der militärische Dienst aufgehoben. Der Soldatenrat, die in den Kompanien gebildeten Ausschüsse und die Sicherheitsmannschaften tragen rote Armbinden.Am Spätnachmittag marschiert das Militär mit klingendem Spiel unter der roten Fahne von der Grenadierkaserne zum Ring. Der Vorsitzende des Soldatenrates, der ehemalige Offiziersstellvertreter Gawrych, verkündet vom Balkon des Stadttheaters den Anbruch der neuen Zeit und verspricht Ruhe und Ordnung. Plünderern wird Erschießen angedroht. - Nach Absprache mit dem Oberbürgermeister (um 14 Uhr) wird für den nächsten Tag, Montag 11.11., eine Sitzung der städt. Körperschaften anberaumt.Am Abend bildet sich auch ein Arbeiterrat, der gemeinsam mit dem Soldatenrat die Aufsicht über Bahn, Post, Telegraphie und Polizei übernimmt. Posten stehen vor Bahnhof, Postamt, Rathaus; von den Polizeihelmen werden Adler und Kokarden entfernt.
- 11.11. um 12.55 Uhr Waffenruhe. Fast 10 Millionen Tote, davon fast 2 Millionen des Deutschen Reiches. - In Berlin Bildung des sechsköpfigen 'Rates der Volksbeauftragten' als neue vorläufige Regierung. Je drei Mitglieder gehören der MSPD bzw. der USPD an.In Schweidnitz vormittags Besprechungen Magistrat/Finanzausschuß und Magistrat/Soldatenrat. Um 17.30 Uhr Außerordentliche StVO-Sitzung. OB Cassebaum erklärt, es sei heilige Pflicht eines jeden, an seinem Platz für Ruhe und Ordnung zu sorgen.Da die Arbeiterschaft bisher in der StVO-Versammlung nicht vertreten ist, wird die Bildung eines Bürgerausschusses aus Vertretern des Magistrats , der StVO-Versammlung , des Soldatenrates und der Arbeiterschaft beschlossen. Seine Hauptaufgabe ist die Versorgung der Bevölkerung mit den täglichen Bedürfnissen. - StVO Justizrat Landsberg erinnert an die Berliner Parole von 1806: 'Ruhe ist die erste Bürgerpflicht'. - Die ursprünglich verhängte Ausgangssperre ab 21 Uhr wird schon am Montag (11.11.) auf 23, für Soldaten auf 24 Uhr erweitert. 'Die Lage hat sich fast völlig normalisiert'. In den Fabriken ging die Arbeit weiter. In den Aron-Werken etwa hielt Direktor Schoder am 11.11.um 11 Uhr eine Betriebsversammlung ab, nach der die Beschäftigten bis 14 Uhr frei hatten. Anschließend wurde wieder normal gearbeitet.
- 13.11. - Aufhebung des Vertrages von Brest-Litowsk durch die sowjetrussische Regierung.
- 14.11. - Polen Republik (erstes Staatsoberhaupt bis 1922 Pilsudski).In Schweidnitz im 'Deutschen Haus' erste politische Versammlung einer bürgerlichen Partei, des liberalen 'Fortschrittsvereins' (Justizrat Landsberg, Redakteur Brachmann). Brachmann hebt hervor, dass nun die 1848 ff. errichteten Hindernisse für einen Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich endlich beseitigt wären. Forderung an die Volksbeauftragten, unverzüglich freie Wahlen abzuhalten.
- 17.11. - Versammlung von ca. 400 Groß- und Kleingrundbesitzern in Zobten wegen Bildung eines 'Bauernrates'. Zunächst nur informative Veranstaltung.
- 19.11. - Bildung eines Bürgerrates auf Initiative der zwei örtlichen liberalen Parteiorganisationen (Fortschritt und Nationalliberale). Nach dem Breslauer Beispiel sollten drei bürgerlich-liberale Vertreter dem Soldatenrat angegliedert werden.
- 20.11. - Buß- und Bettag. SPD-Versammlung in der überfüllten Hindenburgturnhalle (Einladung durch den Arbeiter- und Soldatenrat). Rede von SPD-MdR Feldmann (seit 1912) zum Thema 'Das neue Deutschland', Rückblick und Abrechnung. Forderungen: Verfassunggebende Nationalversammlung (aus allgemeinen, freien Wahlen), Ruhe und Ordnung, Sicherung der Ernährung, Schutz vor dem Bolschewismus. - Auf eine Frage antwortet Feldmann, die SPD, besonders in Schlesien einig und geschlossen, habe mit 'Karl (Liebknecht) und Rosa (Luxemburg)’ nichts gemein. Damit klare Absage an den Spartakusbund, aus dem am Jahresende die KPD erwächst.
- 24.11. - Es wird wieder getanzt', obwohl das Tanzverbot noch nicht offiziell aufgehoben ist.
- 26.11. - In Schönbrunn Bildung einer Bauernwehr (wie schon vorher in Cammerau) zum Schutz des agrarischen Eigentums. - Auf einer Kreistagsversammlung gedenkt Landrat Frh. v. Zedlitz des ehemaligen Herrscherhauses, dessen höchstes Ziel immer die "Wohlfahrt des Landes und Volkes" gewesen sei. - Auflösung des Kriegsgefangenenlazaretts in der Bolkokaserne. (über 300 Verwundete). Verlegung der etwa 120 Nichttransportfähigen in den 'Kaiserhof'. In den Stallungen der Kaserne befindet sich noch ein Pferdelazarett.
- 27.11. - Bildung eines 20köpfigen Demobilisierungsausschusses unter OB Cassebaum. Zu den Aufgaben gehört auch, das Wirtschaftsleben wieder in Gang zu setzen. Mitglieder sind die beiden Bürgermeister, Stadtverordnete, Mitglieder des Soldatenrates und Arbeiter. - Ende November Bildung einer etwa 500 Mann starken Heimatschutztruppe für die Grenzkreise.
- 29.11. - Ab 29.11. Gassperre von 11-15 Uhr, am 3.12. schon ab 8 Uhr früh. - Aufhebung der geistlichen Ortsschulaufsicht. Dafür weltliche Kreisschulinspektoren.
- 1.12. Auflösung der Kreisgruppe der 'Vaterlandspartei' (seit 1917). Die Kassenbestände gehen an wohltätige Einrichtungen.
- 4./5.12. - Heimkehr des Grenadierregiments 10 aus dem Felde mit schwarz-weiß-roten Fahnen. Umzug mit der Kaiserhymne 'Heil Dir im Siegerkranz, Herrscher des Vaterlands, Heil, Kaiser, Dir' und dem Preußenmarsch. Begeisterte Hochrufe des Publikums.
- Anfang Dezember - vereinigen sich der 'Nationalliberale Verein' und der 'Fortschrittsverein' in Schweidnitz in der 'Deutschen Demokratischen Partei' (DDP). - Samstags und sonntags gibt es wieder Ringkonzerte der Kapelle des Ersatzbataillons unter Leitung von Eggers.
- 6.12. - Unruhen auf dem Hof der Grenadierkaserne. Eine geplante Parade der Heimkehrer vor dem aus Breslau zur Begrüßung erschienenen Divisionskommandeur wird von Garnisonssoldaten gewaltsam gestört.
- 7.12. - Wahl eines Bauern- und Landarbeiterrats im 'Deutschen Haus'. Beherrscht von den Großgrundbesitzern des Kreises (Ökonomierat Hermann Roßdeutscher, Graf Keyserlingk, Rittmeister v. Dresky u.a.)
- 8.12. - Bei der offiziellen Begrüßung der heimgekehrten Fronttruppen durch den OB kommt es zu einem Eklat. Das inzwischen ebenfalls zurückgekehrte und vorläufig im Landkreis einquartierte AR 42 verweigert spektakulär seine Teilnahme wegen einer am Rathaus wehenden roten Fahne.
- 10.12. - Musikmeister Pagel, Leiter der Regimentskapelle des Gren.-Rgt. 10, (er ließ bei der Heimkehr Kaiserhymne und Preußenmarsch spielen!) wird auf Wunsch seiner Kapelle amtsenthoben, die Kapelle wird vereinigt mit der des Ersatz-Btl. unter Eggers. - Eine Zeitungsanzeige des Schweidnitzer Garnisonsoldatenrats bezeichnet die zwei Todfeinde, deren sich die junge Republik zu erwehren habe: Reaktion und Militarismus auf der einen, noch gefährlicher SPARTAKUS auf der anderen Seite. 'Wir bekämpfen jede Gegenrevolution, verwerfen die Bestrebungen der Spartakusgruppe und erstreben schnellste Einberufung der Nationalversammlung.'
- 13.12. - Die Deutsch-Konservativen in Schweidnitz unterstützen die 'Deutschnationale Volkspartei (DNVP).
- 16.-20.12. - Der Kongress der Arbeiter- und Soldatenräte in Berlin bestätigt die Einberufung einer verfassungsgebenden Nationalversammlung, die nach allgemeinem, gleichen Wahlrecht am 19.1.1919 bestimmt werden soll. – Die Folge sind neue revolutionäre Unruhen und Kämpfe in Berlin und der Austritt der USPD aus der Regierung.
- 19.12. - Das englische Offizierlager Fleischerstr. wird aufgelöst, 375 Offiziere kehren heim. Abschiedsszenen mit Umarmungen und Küssen. TR: „Ekelhafte Szenen, wie verrückt sich jene Weiber gebärdeten, die die Ehre der deutschen Frau so in den Kot ziehen.“ Ab 23.12. Abtransport der etwa 250 Insassen des Offizierslagers Sedanstraße.
- 30.12. - 85 Delegierte deutscher Spartakus-Vereinigungen beschließen auf ihrer Reichskonferenz in Berlin (Vorsitz Wilhelm Pieck) die Gründung einer Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD).