Stiftung Stoye/Band 42 (Genealogische Nachlässe)/138
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Genealogische Nachlässe 12.1 Der Name »Wendelin« Entstehung. Deutung. Ausbreitung »Der Eigenname eines Menschen ist nicht etwa wie ein Mantel, der bloß um ihn her hängt, und an dem man allenfalls noch zupfen und zerren kann, sondern ein vollkommen passendes Kleid, ja wie die Haut selbst ihm über und über angewachsen, an der man nicht schaben und schinden darf, ohne ihn selbst zu verletzen.« Goethe, Dichtung und Wahrheit (10. Buch) Der Name Wendelin hat nichts mit Wendal oder Wandal = Wandale zu tun. Die Erklärung, die Heintze-Cascorbi (l) gibt, ist falsch. Wendelinus ist nicht = Wandelinus und ist nicht abzuleiten von Wandal = zum Stamme der Vandalen gehörig. Die Nachsilbe »lin« ist auch nicht Verkleinerungswort, sondern Urbestandteil des Namens (2). Der Name geht vielmehr mit einer an Gewißheit grenzenden Wahrscheinlichkeit auf den heiligen Wendelinus bzw. auf den Ort zurück, der nach ihm seinen Namen trägt, weil der Legende nach dort seine Gebeine begraben liegen sollen: St. Wendel im Saargebiet (3). Die ältesten Namensträger, die feststellbar sind, finden sich nämlich in den Matrikeln deutscher Universitäten, und zwar vornehmlich Heidelbergs (gegr. 1386). Nun war es damals und bis weit in die Reformationszeit hinein durchaus üblich, daß man sich in die Universitätsmatrikel nur mit dem Namen seines Herkunftsortes eintrug und diesen Namen dann auch weiterhin führte. (Vgl. die Bezeichnung Pommeranus für den Freund Luthers, den Pommer Bugenhagen.) Erst wenn mehrere Personen solche so entstandene Namen trugen, und die Notwendigkeit sich ergab, sie von einander zu unterscheiden, wurden Zusätze zu dem eigentlichen Namen gemacht, so z. B. Marcus Wendelini de Husen (1483). Für Bürger und Bauern blieb es in der Regel auch bei dem einen Namen. Die allgemeine Sitte, zwei Namen zu führen, kam erst viel später, seit dem 17. Jahrhundert, auf. Da wurde dann Wendelin zum Vornamen. Als solcher findet er sich heute noch vielfach. Allerdings nur in katholischen Gegenden. Bei allen, die ihn führen, kann man fast mit Sicherheit auf katholische Konfession ihres Trägers schließen. Im katholischen Kalender ist nämlich der 20. Oktober der Tag des heiligen Wendelin. Ein Kuriosum: 1934 findet sich im evangelischen Gemeindeblatt von Graz die Trauanzeige von einer Wendeline Hodum mit Apotheker Waldemar Henning! Die Gegend um St. Wendel ist uralter Kulturboden (4). Erst siedelten hier die Treverer, dann kolonisierten die Römer, seit dem 5. Jahrhundert drangen germanische Franken ein. Über die Kirche von St. Wendel findet sich die erste urkundliche Nachricht 1180, der Ort wird zuerst 1291 genannt: »Ein Dorf bei St. Wendelins Kirchhof.« 1295 wird ein »hospitium honestum« bei St. Wendel erwähnt. 1332 wurde durch Ludwig d. Baier auf dem Reichstage zu Nürnberg dem Orte Stadtrecht verliehen, und er erhielt eine Befestigung. 1360 wurden die Gebeine des heiligen Wendelin in die Pfarrkirche überführt, die nun Wallfahrtskirche wurde. Im Untersatz des Hochaltares befindet sich ein Sarkophag mit den angeblichen Gebeinen des heiligen Wendelin. Da St. Wendel zu einem geistlichen Fürstentume gehörte, fand die Reformation hier keinen Eingang. Vielleicht ist das der Grund, daß es keine Namensträger mehr im Saargebiet gibt. Denn seit der Reformation sind die Wendeline fast ausnahmslos evangelisch. Die Stadt hat eine wechselvolle, durch ihre Lage im Grenzgebiet bedingte, Geschichte, heute zählt sie etwa (1932) 6 500, vorwiegend katholische Einwohner. St. Wendel ist nach der Legende vom heiligen Wendelin, der um das Jahr 600 dort als frommer Klausner gelebt haben soll, gegründet worden. Er soll dann Abt von Tholey 138 | |
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