Stolpe/Bauernbuch/Grundlegung: Übersicht und Vorgeschichte

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1. Grundlegung

1. 1. Übersicht über die Entwicklung der Flächenanteile sowohl der Gutsherrschaft als auch der Depenauer Hufner seit Gründung des Adl.Gutes Depenau 1551 bis ca.1700

Ein Rückblick auf die Gründung des Adligen Gutes Depenau, das erst durch Erbteilung des Muttergutes Perdoel 1551 entstand, zeigt, daß damals in den fünf [!] zum Gut gehörenden Dörfern Wankendorf, Stolpe, Löhndorf, Horst und Bardenbeck 44 Hufenstellen lagen. Weil es noch keinen Gutshof gab, wurden dem Erstbesitzer Paul Sehestedt sieben Hufen "mit der Maßgabe zugeteilt, ihren Acker als Hoffeld zu nutzen. Er nahm sie aus der Feldmark von Bardenbeck und gründete dort den Hof Depenau; das Dorf Bardenbeck wurde niedergelegt. 1572 erscheint dieser Name letztmalig. Kurz vor 1646 sind auch die fünf Hufen von Löhndorf niedergelegt und in einen Meierhof umgewandelt worden." [W.Prange, Die Anfänge der großen Agrarreform in Schleswig-Holstein bis um 1771, S.192]

1. 2. Joachim v. Brockdorff verletzt das stillschweigend geltende System der gegenseitigen Abhängigkeit von Gutsherrschaft und Untertanen "Im Jahre 1681 kam Depenau an den Obristen Joachim v. Brockdorff. Er hat während seiner langen Herrschaft, bis 1719, mit beispielloser Härte nach wirtschaftlicher Verbesserung seines Besitzes* gestrebt. Um 1700 legte er die fünf Hufen des Dorfes Horst nieder [1680 drei, 1700 zwei] und errichtete aus ihnen den Meierhof Horst. Die Bauern wurden nach Stolpe und Wankendorf umgesetzt, zu ihrer Ausstattung den dortigen Bauern Land abgenommen. Solche Landabnahmen wiederholten sich in den nächsten Jahren mehrfach. Beiden Dörfern wurden entferntere Teile ihrer Feldmark entzogen , mit Knick und Graben umschlossen und an Heuersleute ausgegeben; auch auf das durch eine Glashütte [die sog. Alte Dep. Glashütte - mit vier wechselnden Standorten im Gut] von Holz freigemachte Kuhlrade bei Wankendorf wurde 1701 ein Heuersmann gesetzt [wie auf "Fehrenrögen", seinerzeit Stolper Feldmark; an diesen beiden Heuerstellen u.a. sollte sich der unausweichliche Konflikt zwischen den Bauern und v. Brockdorff entzünden]. 1707 gab es vier Heuerstellen [zu den beiden vorgenannten noch zwei auf "bawen" Obendorf, seit kurz vor 1700], die alle zusammen 400 Rtl. Heuer zahlten". [Pr.-S.192]

  • "Das adlige Gut hat ... zu allererst zu tun mit Geschäften, Zinsen, Wirtschaft. Dieser Aspekt darf nicht fehlen, wenn von Adelskultur gesprochen wird; denn das Adlige Gut ist deren natürliche Grundlage, [insbesondere] wenn von Schleswig-Holstein die Rede ist, dessen Adel von jeher bekannt war für seinen Wirtschaftsverstand ..." schreibt Prange. [Aufs. Pr., S.57] Das ist eine allgemeine Feststellung. Aber v.Brockdorff schoß auch nach damaligem Verständnis weit über das Ziel hinaus.

"Die Lage der Bauern in den beiden Dörfern verschlechterte sich unter diesen Umständen beträchtlich. Während sie einerseits von ihrem Land abgeben mußten, wurden andererseits ihre Hofdienste erhöht. Hatten sie bisher mit einem Gespann und drei, nur in den "hilden" Zeiten mit vier Leuten gedient, mußten sie jetzt zwei Gespanne mit acht Pferden und sechs, bisweilen sogar sieben Leute stellen." Dazu kujonierte v. Brockdorf seine Untergehörigen sehr willkürlich, was der mit der Untersuchung der Vorfälle vom März 1707 beauftragte Obersachwalter Petrejus in seinem Bericht ebenso registrierte wie die oben angedeuteten Übergriffe auf Bauernland. "Die Zahl derer, die ihr Heil in der Flucht ["Entweichung"*- siehe Anhang 11.29!] suchten, nahm zu und stieg in den ersten 26 Jahren von Brockdorffs Herrschaft bis an einhundert [bis 1717 annähernd 150] Personen". [Pr.-S.192/193]

  • [In diesem Zusammenhang ist weiterhin auf zwei Nachrichten hinzuweisen, die ebenfalls im Anhang unter dem Kapitel "Entweichung" nachzulesen sind, nämlich über die Entsendung eines Greiftrupps 1703, der Entwichene aufspüren und zurückbringen soll sowie einer Anzeige des Justitiarius des Adl. Gutes Depenau, gerichtet an den König von Dänemark bzw. dessen Regierungskanzlei, "wegen Widerspenstigkeit, insonderheit der heimlichen Entweichung" der leibeigenen Unterthanen, 1766]

In lapidarer Kürze erwähnt Prange die nun folgenden Ereignisse, welche für den kleinen Depenauer Raum wegen der vielen festgehaltenen Einblicke für uns von überragender Bedeutung sind, auch, wie wir noch sehen werden, weil eine Kommission daraufhin die "Vermessung beider Dörfer anordnete, um zu prüfen, ob die Bauern im Verhältnis zu ihrer Belastung genügend Land hätten, ..." "1707 griffen die Bauern zur Selbsthilfe, zerstörten die Zäune einer neuen Heuerstelle [Kuhlrade / Duggen] und verboten dem Heuersmann unter Drohungen zu pflügen. Darauf fiel v. Brockdorff mit seinen Hofbedienten und den vier Heuersleuten über sie her, erschoß einen mit eigener Hand und verwundete andere schwer. Die Landes-herrschaft stellte eine Untersuchung an [s.o.]; Brockdorff und seine Helfer wurden verurteilt ... " [Pr.-S.193]

Die folgenden Absätze - nach diesem Vorgriff auf die unheilvollen Entwicklungen - werden zeigen, daß das sog. "gutswirtschaftliche System" lange Zeit ein umfassendes System gegenseitiger Abhängigkeit von Herrschaft und Untertanen war, welches wie ein stillschweigender zweiseitiger Vertrag angesehen werden konnte, wie Prange betont. Es lag am Gutsherrn, wie er mit diesem System umging, ob er es pflegte und einhielt oder zu seinen Gunsten mißbrauchte, wozu er jederzeit die Macht besaß. "Es hat immer festgestanden, daß eine gar zu ungleiche Auslegung: Bedrückung der Untertanen und Unterlassen der Konservation [s.u.], gar zu krasses Ungleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung, zwischen gegebenem Land und geforderten Diensten, das Verhältnis aufhob, die Untertanen von der Leibeigenschaft freisetzte und ihnen das Recht zum Entweichen, der Landesherrschaft das Recht zum Eingreifen gab." [Pr.-S.596] Genau dieser Punkt wurde 1707 im Gut Depenau infolge der Summe von Eingriffen erreicht, die v. Brockdorff den Bauern zumutete und ebenfalls den Knechten, die sowohl das Bauernland zu bearbeiten, als auch den immer größer werdenden Arbeitsanteil auf den Gutsländereien zu bewältigen hatten.