Stolpe/Bauernbuch/Vorbemerkungen

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Vorbemerkungen

Die Beschäftigung mit der Geschichte auch eines so kleinteiligen Raumes wie dem des ehemals Adligen Gutes Depenau mag den Nachkommen der früheren Bewohner der Dörfer Stolpe und Wankendorf die Wurzeln ihrer eigenen Familien freilegen helfen, ihnen und den vielen Neubürgern auch den ständigen Wandel vor Augen führen, der damals wie heute nicht eben selten schmerzhafte Anpassung erforderte.

Wie nahe die Vergangenheit uns sein kann, fast gegenwärtig, geistig und sogar örtlich, mag ein kleiner Hinweis zeigen: Von einem Stolper Neubaugebiet, vielleicht auch von der Autobahn, wurde eine Koppel überbaut, die nach 1800 noch Galgenbergskoppel hieß, auf der die "kleinen Insten" Stolpes ihre Kühe weiden und Heu für die Winterfütterung machen durften. Hier etwa, nahe des Galgenhügels [auf dem "Situationsriß" von 1729 eingezeichnet], an der Grenzscheide von Wankendorf und Stolpe trafen sich im Jahre 1706 alle 23 Hufner beider Dörfer, um in verschwörerischer Absicht und unter rituellem Brauch einen gemeinsamen Anführer zu wählen für die sich zuspitzende Auseinandersetzung mit dem Gutsherrn! Die vorliegende Arbeit über die Bauerndörfer Stolpe und Wankendorf umfaßt genauer betrachtete 200 Jahre, von etwa 1700 bis 1900. Jedoch eröffnet uns das Depenauer Archivmaterial zusammen mit der Fachliteratur einen Blick zurück in die mittelalterliche Wirtschaftsweise einer freien und genossenschaftlich organisierten Bauernschaft, wie sie im Grundsatz bereits bei der Gründung der Dörfer im Zuge der Kolonisierung Ostholsteins praktiziert wurde.

Das 18.Jahrhundert wurde vom "gutswirtschaftlichen System" geprägt, das ohne Leibeigenschaft nicht bestehen konnte, aber auch deswegen zunehmend infrage gestellt wurde. Im Jahre 1707 eskalierte der Gegensatz zwischen der Gutsherrschaft, die ohne Rücksicht auf die bäuerlichen Interessen intensiver zu wirtschaften gedachte, und einer noch genossenschaftlich denkenden und gemeinschaftlich wirtschaftenden Bauernschaft. Der Wille zur Ausweitung produktiven Wirtschaftens traf auf alte Traditionen, und ein despotischer Gutsherr auf den zähen Widerstand der Bauern und ihrer Dienstknechte.

Gegen Ende jenes Jahrhunderts setzte sich jedoch auf breiter Front der Gedanke durch, daß sowohl die Bauern als auch das Gut von einer wirtschaftlichen Trennung nur profitieren könnten. Die Leibeigenschaft, schon lange als unzeitgemäß betrachtet, wurde aufgehoben. Im Zuge der großen Landreformen entstand um 1800 ein Dorf- und Landschaftsbild, wie es die ältere Generation aus dem ersten Drittel des 20.Jahrhunderts wohl noch lebhaft vor Augen hat.

In der Mitte aller Betrachtungen sollen die Namen der Bauern, ihrer Höfe und Felder liegen, auf daß sie nachklingen mögen aus vergangenen Zeiten und unser Geschichtsbewußtsein im kleinen eigenen Bereich erweitern.

Im Verlauf der Arbeit zitiere ich den Begriff der "depenauischen" Bauern. Tatsächlich gibt es im gesamten Gutsgebiet des 18., aber auch weitgehend im 19.Jahrhundert das gute Dutzend Namen alteingesessener Familien, die jede für sich recht sichtbar aus je einem Stamm erwachsen, ob sie in Wankendorf oder in Stolpe leben. Und da die Bauern unter denselben Bedingungen wirtschafteten bzw. Hofdienste leisteten, auch im obigen Sinne als "Schicksalsgemeinschaft" angesehen werden können, erschien es mir sinnvoll, sie in einer einzigen Darstellung zusammenzufassen.

An dieser Stelle danke ich Herrn Jürgen Hammerschmidt für seine freundliche Bereitschaft, das Depenauer Gutsarchiv einsehen zu dürfen, dem ich nie vermutete Schätze entnehmen konnte. Klaus Riecken, Lüneburg, steuerte wichtige Archivalien und Fachliteratur bei. Auch ihm sei herzlicher Dank!

Damlos, 6.11.2003 Uwe-Jens Brauer