Ziele und Aufgaben der wissenschaftlichen Genealogie (Kekule von Stradonitz)/05

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Ziele und Aufgaben der wissenschaftlichen Genealogie (Kekule von Stradonitz)
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      Ich habe selbst vor Jahren einmal die Genealogie definirt „als die Lehre von den Geschlechtern, ihrem Ursprung, ihrer Fortpflanzung und Verbreitung".[1] Ich stehe nicht an, bei dieser Gelegenheit zu erklären, daß ich die Lorenz'sche Begriffsbestimmung als die weitaus bessere anerkenne.

      Die genealogische Einheit, die Einheit mit der es alle Genealogie zu thun hat, gewissermaßen die genealogische „Zelle" ist eine Gruppe von drei Personen, nämlich die Gruppe, die aus Vater, Mutter und Kind besteht. Diese Gruppe ist durch thatsächliche Vorgänge zusammengefügt, nämlich den der Zeugung und den der Geburt. Es ist im Wesen des menschlichen Organismus begründet, daß jeder Mensch Vater und Mutter hat: physisch, rechtlich ist das nicht immer der Fall. Uneheliche Kinder haben, wie jeder weiß, rechtlich keinen Vater. Davon sehe ich aber ganz ab. Es liegt nun in der Natur der Dinge, daß diese genealogische Einheit nie als Einzelerscheinung auftreten kann. Vater und Mutter unserer Einheit können nicht aus den Wolken gefallen sein: sie müssen nothwendig auch ihrerseits Vater und Mutter gehabt haben. So geht das natürlich weiter. Daraus folgt aber, daß man die genealogischen Einheiten in sehr verschiedener Weise an einander reihen kann, und, je nachdem man das thut, erhält man die in ihrem Wesen durchaus verschiedenen und wohl von einander zu unterscheidenden genealogischen Grundformen der Stammtafel und der Ahnentafel.

      Die Stammtafel ist eine Tafel, welche die sämmtlichen Nachkommen eines bestimmten Elternpaares mit ihren Ehegatten enthält. In der Regel läßt man hier eine Beschränkung eintreten, indem die Stammtafel nur die männlichen Nachkommen und deren Töchter aufführt.

      Die Ahnentafel ist eine Tafel, welche die beiden Eltern, die vier Großeltern, die acht Urgroßeltern, die sechzehn Ururgroßeltern einer bestimmten Person erkennen läßt, und so weiter fortschreitend: die sich in jeder Reihe verdoppelnde


  1. Der Deutsche Herold, Jahrgang 1894, S. 140.