Berichte und Gesuche (deutsche Landgemeinden in Südrußland)/033
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leihen die Waisengelder zu 12-24% jährlichem Zins aus, bringen aber nur 6% in Rechnung; eine Revision der Handlungen der Vormünder seitens der Gemeinde wird nicht oder nur ausnahmsweise vorgenommen und nicht selten warten volljährig gewordene Waisen ein Jahrzehnt lang auf ihr Geld von den Vormündern und Fürsorgern. Es ist mir dies genau bekannt und ich könnte viele Dörfer und unglaublich klingende Beispiele anführen. Die Bestrebungen rechtlich gesinnter Ansiedler, die Wolostverordneten von der Nützlichkeit der Anleihe- und Sparkassen zu überzeugen, in welchen die Vormünder die Waisengelder zum Zinsanwuchs niederzulegen und die Directoren welcher Cassen, wie dies mit vielem Erfolg im Großliebenthaler Bezirk schon seit lange geschieht, in der Eigenschaft von Wolost-Waisenältesten alljährlich die Rechnungen der Vormünder und Curatoren der Waisen zu revidiren hätten, - bleiben ohne Erfolg, weil die Vormünder und Fürsorger, die den bisherigen Gewinn von ihrer Verwaltung des Waisenvermögens nicht verlieren wollen, in den Wolostversammlungen gewöhnlich die Mehrheit bilden.
10. Thätiges und leidendes Verhalten der Gemeinden gegenüber der Landsache.
Die Ansiedler wissen, daß die Glieder ihrer Gemeinden durch gemeinschaftliche Haft verbunden sind, - daß nach dem Gesetz zu ihren Gemeinden, mit deren Bewilligung, nur Personen zugezählt werden dürfen, welche mit den Ansiedlern gleiche persönliche und Standesrechte besitzen, - daß das Gesetz von 1871 ihre Gemeinden nicht zwingt, Grundstücke privaten Eigenthums einzuführen, - daß auch nach dem Gesetz von 1871 zur Abtretung von Landantheilen der Gemeindeglieder die Genehmigung der Gemeinde erforderlich ist, - daß ein aus der Gemeinde austretender Ansiedler seinen Landantheil abgeben muß, - daß die Gemeinden ihre Glieder weder von wirklichen noch fictiven Schulden abhalten, noch verschuldete Wirthschaften auslösen kann, noch überhaupt verpflichtet ist, für Privatschulden ihrer Glieder zu haften, und daß die Hauptursache der unrichtigen Behandlung der Landangelegenheiten der Ansiedler in der unrichtigen Behandlung und unvollständigen Bestimmung der Landbesitzverhältnisse im V. Punkt der Besitztitel liegt. Die Benutzung des Landes nach der jeweiligen Seelenzahl der Familiengenossenschaften, wobei die Seelenlandantheile immer kleiner werden und die Rechtlosigkeit der jüngeren Hausgenossen deren Thatkraft und Unternehmungslust niederhält, nicht gut heißend, sondern es für besser haltend, daß von den das Feld benutzenden „Wirthen“ jeder in erblicher Nutznießung eine hinreichende Menge Landes habe, diese „Wirthe“ aber verpflichtet seien, für das Fortkommen der landlosen Gemeindemitglieder, mit denen sie solidarisch verbunden sind, nach Kräften Sorge zu tragen, - hält die große Mehrzahl der deutschen Ansiedler Südrußlands für das Bestehen ihrer Dorfgemeinden für