Burgsteinfurt/Synagoge in Burgsteinfurt
Entstehung der jüdischen Gemeinde
In Burgsteinfurt haben zeitweilig bereits in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts Juden gelebt. Eine
Fortlaufende Geschichte jüdischen Lebens in der Stadt setzt jedoch erst nach dem Dreißigjährigen Krieg ein.
1662 erhielt ein gewisser Samuel Meyer die Erlaubnis, sich mit seiner Familie in ihrem Mauern nierderzulassen.
Versuche der christlicchen Bürgerschaft, die Ansiedlung mit vereinten Kräften zu verhindern, scheiterten.
Noch im gleichen Jahr wurde einer zweiten Familie, der eines gewissen Gottschalk, eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt.
Als ab 1720 die Zahl der jüdischen Familien weiter wuchs, bildete sich rasch eine Gemeinde aus. Anfang der
dreißiger Jahre war ihre Betstube in der Wohnung des Kaufmanns Israel Salomon an der Wasserstraße untergebarcht.
Später ging sie an seinen Sohn Gottfried Israel und dann an den Kaufmann Elias Marcus über. 1744 gab sich die die
kleine Gemeinschaft erstmals eine schriftliche Gemeindeordung, und bald darauf stellte sie auch einen Kantor und Lehrer ein.
Bau der Synagoge
1756 erbot sich Graf Karl Paul Ernst, der Schutzherr der Gemeinde, ihr eine öffentliche Synagoge zu bauen.
Zu Weihnachten wurde das Vorhaben erstmals aktenkundig. Vor allem wegen der Wirren des Siebenjährigen Krieges
konnte es jedoch erst Anfang 1763 konkrete Formen annehmen. Mitte Märtz waren die genauen Modalitäten des Baus zwischen dem Grafen und seinen Judenschaften ausgehandelt und in einem detaillierten Privileg festgelegt. Ihren Standort sollte die neue Synagoge an der Kautenstege in der Nähe der Hohen Schule finden, und zwar an der Stelle eines während des Krieges abgebrannten Hauses, das dem gräflichen Hausvogt Holthausen gehört hatte. Doch kaum hatte die Planierung des Grundstücks eingesetzt, als ein Beschwerdeschreiben des Senats der Hohen Schule beim Grafen einging. Da der jüdische Gottesdienst gemeinhin mit „ großem Geschrei“ verbunden sei, so argumentierten die Professoren des Senats, würde er den in nur acht Metern Entfernung stattfindenden Unterricht in der Schule ganz gewiss empfindlich stören. Deshalb drangen sie darauf, den Bau der Synagoge zu stoppen.
Der Protest wurde jedoch abgewiesen und nach nur einjähriger Bauzeit konnte der Graf seiner Judenschaft das schlüsselfertige Gebäude, das auch eine Schule und eine Lehrerwohnung enthielt, in einem feierlichen Akt übergeben (11. April 1764).
Das neue Gotteshaus war allerdings kein Geschenk. Die 2000 Reichstaler, die es kostete, wurden der Judenschaft vom Grafen nur vorgestreckt, und die Refinanzierung war alles andere als unproblematisch. Während die eine Hälfte der aufgewendeten Summe als „unablösliche“ Schuld der Gemeinde festgeschrieben wurde, für die jedes Jahr 50 Taler Zinsen zu bezahlen waren, musste sie die andere Hälfte gleich nach der Finanzierung des Bauwerkes als ungeteilten Betrag zurückerstatten. Da sie das nur zu gut zwei Drittel (650 Reichtaler) aus eigenen Mitteln zu Wege brachte, beglich sie den Rest (350 Reichtaler) mit einem weiteren Kredit, den ihr der Rentmeister der Kommende Bernhard Becker zu einem Zinssatz von vier Prozent gewährte. Bis 1869 sollte es dauern, bis die gesamte Schuldenlast abgetragen war beziehungsweise erlassen wurde.
Entwicklung zur Hauptsynagogengemeinde mit sechs Fillialgemeinden
In den ersten Jahrzehnten nach dem Bau der Synagoge erhielt die Burgsteinfurter Judenschaft einen gehörigen
Zulauf.
Bis 1803 stieg die Zahl der ihr angehörenden Familien auf 23, bis 1818 auf 26 Familien an,
denen insgesamt 137 Personen angehörten.
Ihre wirtschaftliche Bedeutung für die Stadt war beträchtlich.
"In staatswirtschaftlicher Hinsicht muss ich bemerken" schrieb
der Bürgermeister in eben diesem Jahr 1818,
"dass die hiesigen Juden für Steinfurt wichtig sind und hauptsächlich den Handel mit Tuch,
Ausschnitt- und Ellenwaren,
Kattun, allerhand Zeug, Spitzentüchern etc. in Händen haben."
Durch den Absatz ihrer Mode- und Ausschnittwaren seien sie " Beförderer des Luxus" und brächten der Stadt "viele Nahrung".
Außerdem würden das Schlachten und der Viehhandel von ihnen allein betrieben, und der Pferdehandel zum Teil.
1829 wandelte die Gemeinde ihre kleine Religionsschule in eine private Elementarschule um. Bereits 12 Jahre
Später bekam die Schule den Status einer öffentlichen Lehranstalt zuerkannt. Weitere sieben Jahre später wurde
Burgsteinfurt zur Hauptgemeinde des Synagogenbezirks (Kreis) Steinfurt erhoben, dem Rheine, Borghorst, Laer, Horstmar,
Ochtrup und Metelen als Untergemeinden angehörten. 1863 erhielt der Bezirk seine eigenen Statuten.
Renovierungen und neue Gemeindeeinrichtungen
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts musste die Burgsteinfurter Gemeinde einige größere Investitionen vornehmen,um ihre
inzwischen durchweg über 100 Jahre alten Gemeindeeinrichtungen den veränderten Zeitverhältnissen anzupassen. So legte
sie 1884 zunächst einen neuen Friedhof (an der heutigen Gerichtstraße) an, weil abzusehen war, dass der alte am Rande
des Bagno bald belegt sein würde. 1888 errichtete sie ein neues Schulgelände und 1892/93 ließ sie die Synagoge von Grund
renovieren.
1907 gehörten der Burgsteinfurter Gemeinde noch 152 Personen an. Neben dem Kantor und Lehrer beschäftigte sie einen Synagogendiener
und einen Schächter. Es gab einen Jüdischen Freuenverein (seit 1882), einen Synagogenchor (seit1898) sowie eine Beerdigungsgesellschaft,
Chewrah Gemilus-Chassidim (seit 1901). 1913 feierte sie dann stolz das 150 jährige Bestehen ihres Gotteshauses mit einem
großen Festgottesdienst, an dem auch die Honoratioren der Stadt teilnahmen. Der Kantor und Lehrer Hermann Emanuel hielt eine
beeindruckende Festpredigt.
Äußere und innere Gestalt der Synagoge
Äußerlich bot die Burgsteinfurter Synagoge eher ein bescheidenes Bild. Es war ein kleines Fachwerkgebäude von 13,5 x 12,5 Meter Größe, das sich nur durch wenige Merkmale von den umliegenden Häusern „als Sakralbau“ abhob. Die Seitenfront zur Kautenstege hin wies zwei größere Segmentbogenfenster auf. Links davon war über der Tür ein weiteres kleines rundbogiges Fenster angebracht. Die Scheiben aller Fenster waren bunt verglast. Den Giebel zierte ein Davidstern. Vermutlich unmittelbar darunter war eine Steintafel mit einer hebräischen Inschrift angebracht, die in der Übersetzung lautete:
„Dieses Gotteshaus wurde mit der gütigen Erlaubnis unseres erlauchten Herrn, des Grafen Karl, im Jahre 5523 nach Erschaffung der Welt (1763) erbaut. Herr, ich liebe die Stätte deines Hauses, den Ort, wo deine Herrlichkeit thront“.
Auch am Oberlicht des Eingangs war ein Pentagramm zu sehen. Daneben stand links
„Erbaut 1763“ und ergänzend dazu rechts „Umgebaut 1892“.
Im Inneren des Gebäudes waren neben dem Betsaal noch eine Mietwohnung und die Amtsräume der Gemeindeverwaltung untergebracht. Der Männerraum der Synagoge lag zu ebener Erde, Stufen führten „nur zur Frauenempore“ hinauf. Es waren etwa 80 Männer- und 50 Frauenplätze vorhanden.
„Ein in der Mitte etwas erhöht stehender Tisch, der durch ein Eisengitter eingefriedet“ war, diente als Almemor.
Als Aron ha-Kodesch wurde „ein hübsch geschnitzter Schrank“ benutzt, der der Gemeinde 1763 vom Grafen Karl Paul Ernst geschenkt worden war. Der Schrank trug „seiner Verwendung entsprechend die Inschrift:
Sichrut Thorath Mosche Awdi (Gedenket der Lehre meines Dieners Mose)“.
Der Thoraschmuck bestand aus „vier silbernen Aufsätzen und vier Weisern“.
Ein Trauhimmel war nicht vorhanden. Aber es gab eine Beschneidungsbank mit einer zweiteiligen hebräischen Inschrift sowie eine Armenbüchse direkt neben dem Eingang“.
Reichspogromnacht in Burgsteinfurt
Der Progrom im November 1938 begann mit einem Zug von SA-Männern und anderen Burgsteinfurter Bürgern durch die Innenstadt, bei dem Geschäfte und Wohnungen sowie die jüdische Schule aufgebrochen und verwüstet wurden. Auch die Synagoge wurde heimgesucht. Nachts gab man sich mit Rücksicht auf die Dichte der Bebauung und die Familie, die in der Synagogenwohnung lebte, noch mit der Zerstörung und Plünderung der Inneneinrichtung zufrieden. Am nächsten Nachmittag wurde die Einäscherung nachgeholt. Auch Behörden beteiligten sich daran. Nachdem der Familie aus der Synagogenwohnung von Amts wegen eine neue Unterkunft zugewiesen worden war, wurde das Gebäude angezündet. Die Stadtverwaltung stellte das Benzin zur Verfügung, zwei städtische Arbeiter schafften es in großen Kanistern heran. Die umliegenden Gebäude wurden von der Feuerwehr geschützt. Auch die Friedhöfe wurden an diesem Tag noch geschändet.
Gedenken
Die Synagoge brannte bis auf die Grundmauern nieder. Sie wurden noch im gleichen Monat abgetragen. Das Grundstück ging an die Stadt über. 1950 wurde auf Initiative Hermann Michels, eines Mitglieds der Gemeinde, das die Konzentrationslager überlebt hatte, ein Gedenkstein darauf errichtet. Der Platz selbst wurde zu einer Gedenkstätte gestaltet.
Inschrift
Hier stand das Gottes-
haus der jüdischen Ge-
meinde Burgsteinfurt.
Es wurde am 9. Nov. 1938
zerstört. Von den 28
Gemeindemitgliedern
im Jahre 1941 sind nur
2 zurückgekehrt.- Den
Toten zum Gedenken den
Lebenden zur Mahnung.
Literatur Quelle: Synagogen im Kreis Steinfurt, ISBN 3-926619-73-2
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