Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer/086

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
GenWiki - Digitale Bibliothek
Chronik der Schotten-Crainfelder Familie Spamer
Inhalt
GenWiki E-Book
<<<Vorherige Seite
[085]
Nächste Seite>>>
[087]
Chronik Spamer.djvu
Hilfe zur Nutzung von DjVu-Dateien
Texterfassung: fertig
Dieser Text wurde zweimal anhand der angegebenen Quelle korrekturgelesen.


Vaters und wurde von ihm, den das Fieber verlassen hatte, wieder klaren Geistes und mit noch kräftigem Händedruck empfangen. Die gerne noch festgehaltene Hoffnung auf fernere Erhaltung des teueren Lebens mußte aber leider, bei der immer zunehmenden Schwäche des Körpers und der zeitweise sich einstellenden Benommenheit des Bewußtseins, schwinden und der Erkenntnis des gewissen Verlustes Raum geben. In den Stunden klaren Bewußtseins trat das Nachlassen in den Lebensfunktionen auch deutlich vor die Seele des Kranken; einmal bedrängte ihn, wie er klagte, die Furcht vor dem nahenden Tode, und in seinem Ausrufe: „Herr, nimm mich mit!“ lag seine Bitte um ein Ende des peinlichen Hinsterbens. Lange Tage jedoch widerstand noch die kräftige Natur ihrer Auflösung. Hermann mußte nach zehntägigem schmerzlichen Verweilen wieder nach Hause zurückkehren, während Anna sich noch ferner an der Pflege des lieben Vaters, zu welcher Emil einen tüchtigen Heilgehilfen von Düsseldorf geschickt hatte, beteiligen konnte. Sie sandte auch, nach Hermanns Abreise, zwei Karten nachstehenden Inhalts nach Ilsede:

Wetzlar, den 27. April 1886.

Gestern Abend dachten wir, das Ende käme, so setzte der Atem aus; ebenso war dies in der Nacht einmal der Fall. Jetzt liegt Vater so ruhig und friedlich, wie gestern. Er kennt eigentlich nur Minchen, und freut sich, wenn es kommt; ist aber fast immer in traumhaften Phantasien, jedoch ruhig, sein Blick oft vergnügt in die Ferne gerichtet. Man wird immer noch einige Tage gefaßt sein müssen; wenn er nur so schmerzlos und ruhig bleibt! Er meinte heute Morgen, daß er die Nacht ganz gut geschlafen habe, fragte auch, was hat der Arzt gesagt? Oft spricht er unverständlich und thut es einem dann leid, ihn nicht verstanden zu haben. Der Schleim ist natürlich recht störend, der Husten aber immer noch locker.“

„Wetzlar, den 28. April 1886.

Mit dem lieben Vater geht es ziemlich gleich, er ist sehr matt, meist nicht klar, ganz klar überhaupt wohl nicht. Gestern Abend hatte er starkes Fieber und bekam wieder zehn Tropfen Morphium. Herminens Kommen ist in der Beziehung nicht nötig, als sie gegenseitig nichts von einander haben und ich diese Woche noch hier bleiben will. Will sie den Vater gern noch einmal sehen, so kann sie mich jeden Tag ablösen; man weiß nicht, wann es zu Ende geht.“ —

Am folgenden Tage jedoch, dem 29. April, einem Donnerstag, Mittags um 2 Uhr endigte dies langsame Erlöschen des Lebens in einem ruhigen, schmerzlosen Tode. —

Unter der Begleitung seiner vier Söhne, seines Bruders, vieler Verwandten, Freunde und Bekannten wurde die sterbliche Hülle Chr. Spamers am 2. Mai auf dem Friedhofe zu Wetzlar zur letzten Ruhe bestattet. Pfarrer Schöler legte seiner hierbei gehaltenen Rede den Spruch zu Grunde: „Mir ist Barmherzigkeit widerfahren,“ und ist dieser Spruch, der auf den begnadeten Lebensgang und das hierfür so dankerfüllte Herz des Verstorbenen treffend hinweist, auch auf dem Grabmale wiedergegeben, welches seine Kinder ihm in Liebe errichtet haben.

Chr. Spamer war in der Tat eine besonders begnadete Persönlichkeit. Neben unge­wöhnlicher Körperkraft und schöner männlicher Erscheinung, waren ihm hohe Gaben, zugleich des Verstandes und des Gemütes verliehen. — Seiner in Frohsinn und ernstem Streben ver­brachten Jugend folgte schon frühe eine dreißigjährige, segenbringende Amtstätigkeit, und an diese schlossen sich noch fast 29 Jahre freundlich verlaufenen Ruhestandes an, von welchen nur die drei letzten ihn die Beschwerden des Alters empfinden ließen. In theologischer Hinsicht stand er fest in der Lehre Christi und war von der göttlichen Wahrheit derselben durchdrungen, lehnte es aber ab, Hinzugefügtes, soweit es seiner Vernunft widersprach, als Dogma anzuerkennen, und