Friedhöfe im Memelland/Grabgestaltung
Inschriften
Ihnen werden auf den Grabsteinen und Kreuzen Inschriften in deutscher und auch in litauischer Sprache begegnen. Man kann die Anwendung auf unterschiedliche Ursachen zurückführen aber gänzlich klären kann man es nicht.
Deutsche Inschriften
Die Inschriften helfen Ahnenforschern Lücken in den Daten zu finden. Da die Standesämter zum Teil nur bis 1938 überliefert sind, können die gefundenen Steine diese Lücken schließen.
Die Steine weisen Informationen über
- den Nachnamen
- den Vornamen (auch abgekürzt)
- Geburts- und Sterbedaten (oft nur die Jahresangaben)
- manchmal den Geburtsnamen der Ehefrau
- seltener den Herkunftsort
- seltener nur den Familiennamen (bei Familiengrabstätten)
- noch seltener etwas über die Biographie (Beruf etc.)
auf.
Weiter tragen sie Erinnerungsschriften
- Hier ruhet in Gott ...
- Hier ruhen in Gott ...
- Hier ruhen unsere lieben Eltern ...
- Hier ruhen in Frieden ...
- ... unser(e) gute(r) ...
- ... mein (unser) treusorgender ...
- ... mein(e) liebe(r) ...
- ... unvergessliche(r) ...
- ... unsere (beiden) sehr geliebten ...
- ... unser lieber Vater (Mutter, Sohn, Söhnchen, Bruder, Tochter, Schwester, Schwiegermutter, Großmutter, Enkel, Schwägerin etc.)
- Ruhestätte der Familie ...
- selten Bibelzitate
Historische Besonderheiten der Inschriften
Von 1920 - 1939 war das Memelland von Ostpreußen getrennt. In dieser Zeit wäre es nicht ungewöhnlich, wenn die Inschriften in litauisch abgefasst gewesen wären. Vor und gerade nach dieser Zeit wird es ungewöhnlich. Das kann politische Gründe haben, oder aber einfach nur die Sympathie gegenüber der (überwiegend) litauischen Mitbewohner des Memellandes ausdrücken. Immerhin war man ja auch zweisprachig, bis die politischen Umwälzungen das eine oder das andere zu unterdrücken versuchte.
So verstarb vor der Abtrennungszeit 1917 in Schattern Urte Masuhr, geb. Moors [1]. Ethnobiographisch ist sie nur schwer zuzuordnen, da sie deutsche, kurische und eventuell auch litauische Vorfahren hatte. Ihre Familie hat sich aber für eine litauische Inschrift entschieden.
Der Grabstein ihres Bruders Ansas Moors [2] hingegen, der in Brusdeilienen während der Abtrennungszeit verstarb, trägt eine deutsche Inschrift. Ob damit eine latente politische Einstellung deutlich gemacht wurde, kann nicht mehr eruiert werden. Aber sie weist daraufhin, dass sich die Familie ihrer deutschen Wurzeln bewusst war und dies vielleicht auch so herausheben wollte. Durch die Inschrift erfährt man auch, dass der Steinmetz der deutschen Sprache nicht unbedingt mächtig war (Hier ruht in Gott - unsere lieben Eltern); ebenso die Kinder, die den Fehler anscheinend auch nicht bemerkten.
Beider Großneffe, Kurt Johann Moors [3] verstarb 1993. Hier stimmt die Inschrift mit den Umständen überein. Sie ist in litauisch gehalten und auch das Datum wurde in der Reihenfolge umgestellt. Dies soll aber keine Aussage darüber sein, dass in der Zeit alle Steine nur noch litauische Inschriften trugen - es gab durchaus auch deutsche (Jokeit, Johann [4]).
Litauische Inschriften
Wie auch auf deutsche Grabsteine, wiederholen sich gewisse Textphrasen auch auf den in litauisch verfassten Steinen. Hier ein Auswahl, die bei eigenen Exkursionen helfen kann:
- Czion ilsis Dieweje
- Hier ruht in Gott
- Czion ilsis Dieweje | mano mylimas Wyrs | ir muso Tewas
- Hier ruht in Gott | mein geliebter Mann | und unser Vater
- Šon ilsis Dieweje | muso Tėvai
- Hier ruhen in Gott | unsere Eltern
- Čia ilsis ramybėje | mūsų mylimas | Sūnus ir Brolis
- Hier ruht in Frieden | unser geliebter | Sohn und Bruder
- Czion ilsis Dieweje | mūsų mielema Duktele
- Hier ruht in Gott | unser geliebtes Töchterchen
Kleines Wörterbuch
Die litauische Sprache und ihre Grammatik ist nicht leicht zu verstehen oder auszusprechen. Hier sollen ein paar Tabellen helfen, die Inschriften oder auch Urkunden verstehen zu können. Sie haben nicht den Anspruch grammatikalisch korrekt zu sein. Sie finden einige Vokabeln, Monatsnamen, Zahlen, Ordnungszahlen und eine Ausprachehilfe.
Materialien
Die unterschiedlichen Materialien (und deren Verwitterungsgrad) geben insgesamt ein sehr vielfältiges Bild von der Grabstättenkultur im Memelland wieder.
Granit
Die Inschriften auf den Granitsteinen sind meist eingraviert. Die Steine selber konnten einfach rechteckig gestaltet sein oder schwungvoll ausgestaltet. Sie sind poliert oder rauh gehalten. Für das abfotografieren sind die polierten Steine ein wahres Übel, wenn man den falschen Winkel benutzt. Auf dem Bild ist dann meist nur noch eine spiegelnde Fläche zu sehen - mit dem Fotografen.
Beton
Ob die Nutzung von Beton für die Steine aus finanziellen Gründen geschah oder eine Modeerscheinung war kann hier nicht geklärt werden. Ungünstigerweise hat dieses Material den Nachteil, dass Flechten und Moose ihre Wurzeln in die poröse Oberfläche wachsen lassen und so den Stein kurzfristig zerstören können.
Eisen
Eisenkreuze oder Metallplatten gibt es auf fast jedem älteren Friedhof, der bisher aufgesucht wurde. Die Platten haben aber den Nachteil, dass sie durch die schräge Lage der Witterung stärker ausgesetzt waren und dadurch heute nur schwer lesbar sind. Zudem waren die Inschriften nur selten tiefer eingraviert. Die Eisenkreuze hingegen besitzen stark geprägte oder aufgesetzte Zeichen, die der Witterung besser standhalten konnten. Sie sind meist auch sehr gut zu entziffern.
Neben den schon fast standardisierten Eisenkreuzen gab es auch mehr filigrane und aufwändig gestaltete Kreuze. Sie trugen dann meist ovale Platten aus Emaille (schwarze Schrift auf weißem Grund). Oft sind diese Schilder bereits verschwunden oder zerschlagen worden.
Um die Eisenplatten vor weiterer Verwitterung zu schützen, wurden sie auf manchen Friedhöfen lackiert. Leider verschwindet damit oft auch die Inschrift.
Holz
Von allen verwendeten Materialien ist Holz am vergänglichsten. So kann man bei vermeintlich sehr alten Holzkreuzen gerade noch entziffern, dass sie mithin die jüngsten Grabmäler bezeichnen. So werden nur selten wirklich ältere Holztafeln oder Kreuze gefunden. Das abgebildete Kreuz aus Holz macht es sehr deutlich. Im Gegensatz zu gravierten Steinen ist hier der geschnitzte Schriftzug nach "nur" 60 Jahren schon bald verschwunden.
Glas
Sehr edel sehen auch die Namensplatten aus Glas aus. Sie sind etwas dicker (ca. 3 cm) und sind schwarz eingefärbt. Auf ihnen kommt die weiße Schrift sehr gut zur Geltung. Etliche dieser Platten sind mittlerweile zerstört worden. Die Platten sehen nicht so aus, als wären sie durch Frosteinwirkung zersprungen, sondern durch Fremdeinwirkung. Dabei ist zu beachten nicht voreillige Schlüsse zu ziehen. Es wurde oft von Schießübungen berichtet - dabei müssten die Platten dann charakteristische Spuren aufzeigen (Netzsplitterungen, die die Oberfläche weißen, zentrierte Lochungen von denen netzartige Sprünge abgehen usw.). Manche wurden auch gebrochen (große Scherbenstücke u.ä.)
Oft liegen die zerbrochenen Platten noch in der Nähe des Grabes, so dass man sie ansatzweise rekonstruieren kann. Leider fehlen manchmal Stücke, so dass es nicht ganz gelingt. Nicht immer, aber auch, haben Besucher der Friedhöfe die Stücke schon versucht zusammenzusetzen und zurück auf die Trägerplatte zu legen. Das ist gut zu wissen, dass es noch jemanden kümmert.