Groß Lenkeningken

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
(Weitergeleitet von GOV:LENNAUKO15CA)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Diese Seite gehört zum Portal Tilsit-Ragnit und wird betreut von der Familienforschungsgruppe Tilsit-Ragnit.
Wappen der Stadt Ragnit

Gross Lenkeningken

Bauerndorf an der Szeszuppe
Kreis Tilsit Ragnit, O s t p r e u ß e n
_____________________________________________________

Häuser in Groß Lenkeningken


Hierarchie


Logo Leerstelle.jpg

Straße nach Groß Lenkeningken [1]

Einleitung

Groß Lenkeningken, Kreis Ragnit, war der zentrale Ort für die umliegenden Dörfer Klein
Lenkeningken
, Raudszen, Giewerlauken, Juckstein und Lobellen. Hier konnten die Bauern
ihre Besorgungen machen und vielerlei Angelegenheiten regeln. Einen Zuverdienst zum
bescheidenen Einkommen aus der Landwirtschaft ermöglichten div. Gewerbebetriebe,
wie z.B. das große Sägewerk.

Andere Namen und Schreibweisen

Die Dorfstraße von Groß Lenkeningken

Allgemeine Informationen

  • Groß Lenkeningken liegt auf der linken Seite der Szeszuppe,
    (auch Scheschuppe, ab 1938 Ostfluß, litauisch Šešupė, russ. Шешупе)
    an der Landstraße von Ragnit nach Trappönen
  • Lt. Ortsregister Lange[4]:

Logo Leerstelle.jpg

  • Groß Lenkeningkens Fläche betrug ca. 350 ha, einschließlich
    Wiesen und Wald. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges lebten
    715 Menschen im Dorf.
  • Es gab etwa zwei Dutzend gewerbliche Betriebe und Hand-
    werksbetriebe, darunter als die größten das Sägewerk Kröhnert
    und das Kalksandsteinwerk Zerrath.
    Selbstverständlich fehlten nicht Gastwirtschaften und Geschäfte.
  • Am Ort waren auch Arzt, Zahnarzt, Apotheker, Fleischer und ein Bäcker.
  • Die Mahlmühle und Mehlhandlung beim Kriegerdenkmal gehörte
    der Familie Bannat.

Mahlmühle Bannat in Groß Lenkeningken, in der Tür stehen:
Franz Bannat, Martha Bannat und die Töchter Erika und Lucie.
Familie Bannat [5]
Die ehem. Mühle Bannat in Groß Lenkeningken, 1993

Kirchliche Zugehörigkeit

Evangelische Kirche

Bis etwa 1895 hatten die Einwohner der Groß Lenkeningken umliegenden Dörfer weite Wege bei den Kirchgängen
zurückzulegen. So waren es von Unter Eißeln und Dammfelde neun Kilometer bis zur Kirche in Ragnit. Die Leute
von Ackerbach (Dirwonuppen) mußten nach Altenkirch (Budwethen) fahren, Hirschflur (Giewerlauken) nach
Trappönen, Juckstein nach Wedereitischken (Sandkirchen) usw. Naturgemäß wirkte sich das, trotz der Frömmigkeit
der Dorfbewohner, ungünstig auf den Kirchenbesuch aus. Die Menschen hielten in der Regel Hausandachten ab
und besuchten nur bei besonderen Anlässen ihr zuständiges Gotteshaus. Der Plan, das Kirchspiel aus Teilen der
Parochien Ragnit, Wischwill und Budwethen zu konstituieren, konnte nach Schwierigkeiten, die sich aus den Finan-
zierungsfragen und wegen der Parochialgrenzen ergaben, am 1. Oktober 1897 in die Tat umgesetzt werden.
Als gottesdienstlicher Raum wurde ein Saal gemietet; der Bau einer Kirche verzögerte sich bis 1903, als Groß
Lenkeningken in die Reihe der zu erbauenden Jubiläumskirchen aufgenommen wurde.

Am 12. Juli 1903 fand die Grundsteinlegung statt, am 23. Oktober 1904 die Einweihung.
Die Kirche war ein unverputzter Backsteinbau mit einem Chorturm im Osten. Der Innenraum, dessen seitliche
Emporen bis an den Altar herangeführt waren, hatte eine flache Decke, die Vorhalle und der Altarraum
Kreuzgewölbe. Auf dem gemauerten Altar stand ein Kruzifix, rechts vom Altar war die Kanzel angebracht.
Die Orgel wurde 1905 in der Werkstatt von Goebel in Königsberg erbaut. Die Kirche hatte drei Glocken.
1926 wurden Instandsetzungsarbeiten durchgeführt.
Etwa um die Zeit, als die neue Kirche gebaut wurde, entstand gleich nebenan ein neues Pfarrhaus.
Auch eine neue zweiklassige Schule wurde zur selben Zeit eröffnet. In dem schönen Backsteingebäude
waren auch die Wohnungen für die beiden Lehrer untergebracht. Als bekanntester Pädagoge wurde Herr
Kasper genannt, von dem eine Tochter den Besitzer des damals bekannten Ausflugslokals Schober in
Ober-Eißeln geheiratet hatte. Die Schule hat überlebt und wird heute von russischen Schülern genutzt.
Das Kirchendach wurde 1944/45 durch die Kriegshandlungen beschädigt. Die Kirche wurde vermutlich
in den 50er Jahren gesprengt. Die Steine wurden wirtschaftlich genutzt.

Die ev. Kirche in Groß Lenkeningken
Ev. Kirche und Pfarrhaus in Groß Lenkeningken

Logo Leerstelle.jpg

Die ev.-luth. Kirche in Groß Lenkeningken
Konfirmation in Groß Lenkeningken am 31. März 1941 [6]
Pfarrer Gerhard Walther [7]
Die ev. Kirche in Groß Lenkeningken [8]

T a u f s t e i n

Im August 1993 wurde im Schutthügel der Kirche der Taufstein von
Bernhard Waldmann wiederentdeckt. Auf Veranlassung von Lieselotte
Juckel wurde vom Bauunternehmer Rafael Franguljan aus
Ragnit der Grabstein geborgen, hergerichtet und neben dem Krieger-
denkmal wieder aufgestellt.

Der Taufstein im Schutthügel der ev. Kirche
Rafael Franguljan aus Ragnit beim Taufstein in Groß Lenkeningken


Ab 1933 wurden bei Abbildung der evangelischen Kirchen in Groß Lenkeningken Retuschen vorgenommen.
Mehr zu diesem Thema erfährt man auf folgender Webseite finden.

Logo Leerstelle.jpg

Icon Literatur.jpg Kirchenbücher

Logo Leerstelle.jpg

siehe: Ostpreußen/Genealogische Quellen/Kirchbuchbestände Kreis Tilsit-Ragnit

Standesamt

Groß Lenkeningken gehörte 1888 zum Standesamt Raudszen.

Geschichte

Holzhäuser an der Dorfstraße in Groß Lenkeningken

Seit wann das flächenmäßig nicht große Dorf besteht, ist ungewiß. Man kann sein Alter jedoch auf Grund der ältesten Häuser, die bis 1944 noch an der Szeszuppe und am Schilliswald (Heidewald) vorhanden waren, auf 200 bis 300 Jahre schätzen. Groß Lenkeningken hat sich bis etwa 1900 nur sehr langsam entwickelt. Als jedoch feste Straßen über Lenken nach Trappönen, nach Ragnit über Ober Eißeln und nach Lasdehnen über Juckstein kamen, nahm der Ort einen schnellen Aufstieg.

Eine feste Straßenbrücke über die Szeszuppe beim Gut Lenken ermöglichte einen besseren Transport des Holzes aus den riesigen Wäldern bei Trappönen. Das Säegewerk und das Kalksandsteinwerk schufen neue Arbeitsmöglichkeiten und lieferten zugleich billiges Baumaterial. Nun entstanden links und rechts der durch den Ortskern führenden Chaussee massive Geschäfts- und Privathäuser.

Auch die sogenannte Kupstinus, ein unfruchtbares Gebiet in Richtung Klein Lenkeningken und Dammfelde (Nettschunen), meist wenig ertragreich, wurde schließlich in die Bebauung einbezogen. Auch eine nicht mehr vom Wind abhängige, günstig an der Dorfstraße gelegene Mahlmühle (Bannat) und die dem Sägewerk angegliederte Mahlmühle sorgten für eine Belebung des Dorfes in geschäftlicher Hinsicht.

Zweiter Weltkrieg

Die Schule in Groß Lenkeningken

Mitten in der Aufwärtsentwicklung kam der Zweite Weltkrieg mit seinen verheerenden Folgen. Es dürften etwa 40 Wehrmachtsangehörige gefallen oder in Gefangenschaft verstorben sein.
Am 15.10.1944 mußte der Ort vor den herannahenden Russen geräumt werden. Aufnahmekreis war der Kreis Braunsberg. Bis dort gelangten alle ohne besondere Vorkommnisse. Groß Lenkeningken dürfte am 19. oder 20. Januar 1945 kampflos in die Hände der Russen gefallen sein.
Das große Elend begann, als der Kreis Braunsberg geräumt werden mußte.
Die Flüchtlinge waren gezwungen, den gefahrvollen Weg über das brüchige Eis des Haffs zu nehmen, um den rettenden Hafen Gdingen zu erreichen. Bis heute konnte nicht genau festgestellt werden, wer damals umgekommen ist.
In Pommern wurde einTeil der Flüchtenden von den Russen überrollt und völlig ausgeplündert.
Es gab Erschießungen und viele Menschen wurden zur Rückkehr in den Heimatort gezwungen.

Rückkehrer

Soweit bekannt, kehrten in ihr Heimatdorf Groß Lenkeningken folgende Familien, bzw. Einzelpersonen unter groeßten Entbehrungen zurück: Awiszus, Blank, Daege, Kalkus, Lautzus, Meschkat und Pakulat, davon kamen Blank und Kalkus zu Fuß aus Sachsen mit dem Handwagen.
Als in den Nachbardoerfern Kolchosen eingerichtet werden sollten, kamen Familien aus diesen Nachbarorten, die auch von Russen zurückgetrieben waren, nach Groß Lenkeningken und baten um Einstellung als Arbeiter beim Sägewerk Kröhnert, Sogar Herr Kröhnert selbst mußte jetzt unter einem russischen Direktor im ehemals eigenen Betrieb für die Sowjets arbeiten.
Zugezogenen Familien aus den Nachbardörfern: Gudjons, Rasokat und Riek aus Dammfelde, Fleischermeister Ehlert mit Frau, Müller, Ernst Thiel mit Frau und Franz Thiel aus Unter Eißeln, sowie Pusch aus Reisterbruch.
In Groß Lenkeningken verstarben dann unter den Entbehrungen: Herr Blanck, Frau Latzus, George Meschkat (30.9.45, eine Woche nach seiner Frau Marie (geb. Bildat)), Franz Thiel, Frau Gudjons und einige andere Zurückgekehrte.

Dorfleben

Nach dem Ersten Weltkrieg wurden in Groß Lenkeningken Sportvereine gegründet, hauptsächlich Fußball und Faustball. Der Torwart Fritz Szameitat und der Verteidiger Heinz Kaschubat spielten später erfolgreich in der ersten Seniorenmannschaft in Ober Eißeln.
In Groß Lenkeningken gab es bis zur Räumung eine Raiffeisenkasse, die von Herrn Naujeck geleitet wurde. Selbstverständlich war auch eine Postagentur und eine Gendarmeriestation vorhanden.
Die Festlichkeiten wurden in den beiden Sälen Osterrode und Pawelzick. vormals Sulies gefeiert.

Gasthaus Otto Osterode am Marktplatz in Groß Lenkeningken

Logo Leerstelle.jpg

Ehemaliges Gasthaus Osterode in Groß Lenkeningken

Situation 2010

Häuser am Marktplatz in Groß Lenkeningken

Vorab ein Hinweis: Zur Ansicht der Häuser auf den Familiennahmen klicken.

Groß Lenkeningken macht einen freundlichen Eindruck. Zahlreiche Altbauten stehen noch, so die Schule (weiter als solche genutzt), Gasthaus Otto Osterode (schwere Wasserschäden, vgl. Foto oben), Geschäft Lehmann, Post, Mahlmühle Bannat, die Häuser von Quittschau, Reikat, Zerrath, Supplie, Kreutzman u.a.

Das Kriegerdenkmal 1914/18 ist erhalten und gepflegt. An die Kirche erinnert ein Taufstein, der im Sommer 1993 unversehrt aus dem Schutthügel geborgen werden konnte. Auf Veranlassung von Lieselotte Juckel wurde der Taufstein vom Bauunternehmer Rafael Franguljan aus Ragnit wieder hergerichtet und neben dem Denkmal aufgestellt.

Fundgrube

Bernhard Waldmann hat sehr spezifische Erinnerungen an seine ostpreußische Familie und an Groß Lenkeningken und damit an das Leben in damaliger Zeit:

Mein Großvater Georg Radtke stammte aus Uszballen bei Schmalleningken im Memelland. Meine Großmutter Marie, geb. Gudjons, stammte aus Alt Lubönen an der Memel. Aufgrund von Familientragödien waren beide Habenichtse, konnten aber durch unvorhergesehene glückliche Fügungen noch vor dem Ersten Weltkrieg einen kleinen Bauernhof in Schillenöhlen (Flussfelde) an der Szeszuppe erwerben. Das Dorf Schillenöhlen existiert nicht mehr, es lag an der damaligen russischen (eigentlich litauischen) Grenze.
In der Inflationszeit kaufte ein Heimkehrer aus Amerika den Hof seiner Eltern von meinem Großvater zurück und zahlte ihn in harten Golddollar aus. Dafür konnte Opa Geoerg in Ackmenischken ein stillgelegtes Sägewerk kaufen. Völlig unerwartet waren meine Großeltern zu bescheidenem Wohlstand gelangt.
Ackmenischken, in der Nähe von Lobellen gelegen, gehörte zum Kirchspiel Groß Lenkeningken. Meine fromme Großmutter Marie fühlte sich von einer evangelischen Sekte angezogen. Deren Zusammenkünfte fanden im Tanzsaal Otto Osterode in Groß Lenkeningken statt. Mein geduldiger Großvater ertrug den religiösen Wahn seiner Frau mit Gleichmut und fuhr sie regelmäßig mit dem Pferdefuhrwerk zu den Bibelstunden nach Groß Lenkeningken. Er nahm aber nicht an der Erbauungsandacht teil, sondern blieb draußen auf dem Wagen sitzen. Mein Bruder Theo, der manchmal dabei war, wunderte sich, dass der Grossvater auf der Straße alle Kirchelieder lauthals mitsang und fragte später: "Darf der das?"
Übrigens, mein Vater und meine Mutter sind 1924 in der Kirche von Groß Lenkeningken getraut worden.

Verschiedenes

K a r t e n

Groß Lenkeningken und Umgebung,
Ausschnitt aus einem Meßtischblatt, Stand nach 1938
Kreis Ragnit mit Kirchspielgrenzen 1844 © Martin-Opitz-Bibliothek, Herne, (www.martin-opitz-bibliothek.de)
Gr Lenkeningken Karte.jpg

Logo Leerstelle.jpg Logo Leerstelle.jpg

Lenkeningken auf der Schroetterkarte (1796-1802), Maßstab 1:50 000
© Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz

Logo Leerstelle.jpg


Internetlinks

Fotoalbum Groß Lenkeningken


Daten aus dem genealogischen Ortsverzeichnis

Request failed!

Logo Leerstelle.jpg

Prußische Stammesgebiete

Logo Leerstelle.jpg Logo Leerstelle.jpg Logo Leerstelle.jpg Logo Leerstelle.jpg Logo Leerstelle.jpg Logo Leerstelle.jpg Logo Leerstelle.jpg

Logo Leerstelle.jpg

Quellen

  1. Aus oestlicher Richtung von Hartigsberg kommend, Foto 2004.
  2. Quelle: aus dem genealogischen Ortsverzeichnis
  3. E. Weber, Ortsnamenverzeichnis Gebiet Kaliningrad (Nördliches Ostpreußen). Deutsch-Russisch. Russisch-Deutsch. Verlag "Nachtigall" Kaliningrad/Königsberg 1993
  4. Dietrich Lange: Geographisches Ortsregister Ostpreußen einschließlich des Memelgebietes, des Soldauer Gebietes und des Reg.-Bez. Westpreußen (1919-1939)
  5. Das Foto zeigt die Familie Bannat, Muehlenbesitzer in Groß Lenkeningken. V.l.n.r.: Die Tochter Lucie Bannat, Mutter Martha, Vater Franz Bannat, davor Tochter Erika. Der Name des Konfirmanden wird noch mitgeteilt. Das Foto (1930er Jahre) wurde von Werner Schaudin zur Verfügung gestellt.
  6. Der Geistliche müsste Pfarrer Walther sein, denn er hat in den 50er Jahren der Mutter von Karin Neumann bescheinigt, von ihm konfirmiert worden zu sein. Das Foto wurde von Karin Neumann aus Herborn zur Verfügung gestellt.
  7. Der letzte Geistliche von Groß Lenkeningken war Pfarrer Gerhard Walther (1902 - 1959). Als Mitglied der Bekennenden Kirche kämpfte er gegen eine Umgestaltung der evangelischen Kirche im Geiste des Nationalsozialismus. Die Pfarrersfrau Dr. med. Elisbeth Walther, geb. Pachaly, ist allen ehemaligen Lenkeningkern als fürsorgliche Landärztin noch gut in Erinnerung. Meine Tante Martha Radtke war bei ihrer Trauung mit Franz Grischkat (14.06.1940) sehr enttäuscht, dass der verehrte Pfarrer Walther bereits als Leutnant an dte Front eingezogen war. Martha und Franz mussten nach Wedereitischken ausweichen. Foto vom Pfarrersehepaar Mai 1941.
  8. Das Foto zeigt den Innenraum der ev. Kirche von Groß Lenkeningken, Blick zum Altar, Foto ca. 1910.

Teilweise in Anlehnung an Ernst Hofer Am Memelstrom und Ostfluß,Düsseldorf 1967, Selbstverlag des Verfassers