Großherzogtum Hessen/Regierungsblatt 1884/225

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Großherzogtum Hessen/Regierungsblatt 1884
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Grossherzoglich Hessisches Regierungsblatt 1884.djvu
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Nr. 28.



XI. Ausübung von Privatpraxis.
§ 20.
§ 20.
      Außerdem kann der Kreisarzt von seiner vorgesetzten Behörde in dem Falle für verpflichtet erklärt werden, die Behandlung erkrankter Armen gegen entsprechende Vergütung aus der Gemeindekasse zu übernehmen, wenn die Gemeinde nicht im Stande ist, durch Vertrag mit einem praktischen Arzte für die ärztliche Behandlung ihrer erkrankten Armen genügende Fürsorge zu treffen.
      In gleicher Weise kann der Kreisarzt, wenn eine Gemeinde überhaupt privatärztlicher Hülfe entbehrt und solche auch nicht durch Vertrag mit einem praktischen Arzte herbeiziehen kann, auch zur ärztlichen Behandlung nicht armer Kranken gegen entsprechende Vergütung aus Privat-Vereins- oder Gemeindemitteln für verpflichtet erklärt, beziehungsweise ermächtigt werden.
      Außerdem kann derselbe auch zur Uebernahme der ärztlichen Leitung und Behandlung in öffentlichen Civil-Krankenanstalten seines Bezirks gegen entsprechende Vergütung ermächtigt und nöthigenfalls verpflichtet erklärt werden.
      Alle Verträge jener Art bedürfen aber der speciellen Genehmigung der vorgesetzten Behörde des Kreisarztes.59
§ 21.
§ 21.
      Abgesehen von den vorstehenden Bestimmungen sind die Kreisärzte zur praktischen Ausübung der Heilkunde nicht verpflichtet.
      Uebrigens bleibt ihnen dieselbe zwar vorerst gestattet, jedoch mit der Maßgabe, daß der Kreisarzt außerhalb der Fälle des § 20 nicht als praktischer Arzt im Dienste einer Gemeinde, einer Körperschaft oder eines Vereins stehen darf. Jedenfalls darf bei
den an die Kreisärzte zu stellenden dienstlichen Ansprüchen keinerlei Rücksicht auf deren Privatpraxis genommen werden, und die vorgesetzte Behörde ist befugt, wenn und soweit es nach ihrem Ermessen aus dienstlichen Gründen nothwendig erscheint, einem Kreisarzt die Einschränkung oder selbst das Aufgeben seiner ärztlichen Praxis vorzuschreiben.60
{NE}}In seiner Eigenschaft als ausübender Arzt hat der Kreisarzt alsdann die allgemeinen Rechte und Pflichten der Aerzte.61
      Die sorgfältigste Wahrung der persönlichen und Standeswürde und ein besonders taktvolles Verhalten im Verkehr mit Collegen und Publikum muß von dem prakticirenden Kreisarzt umsomehr erwartet werden, als bei etwaigen Verstößen mit seinem persönlichen Ansehen immer auch das ihm als Gesundheitsbeamten nothwendige Zutrauen der Aerzte und Kreisangehörigen, also die Grundlage einer gedeihlichen dienstlichen Wirksamkeit, verscherzt oder doch geschädigt werden würde.

      59 Nov. z. Med. Ord. § 19 Pos. 7.
      60 Nov. z. Med. Ord. § 19 Pos. 8.
      61 Freiwilligkeit der ärztlichen Hülfe und freies Vereinbarungsrecht über die Bezahlung bei subsidiärer Geltung der Medicinaltaxe von 1865: D. Gewerbeordnung §§ 80 und 144.
      Recht, die Berufung zum Schöffen- oder Geschworenenamte abzulehnen: D. Gerichts-Verf.-G. §§ 35 und 85, dazu A. Bl. M. A. f. G. Nr. 40.
      Recht der Zeugnißverweigerung in Civil- und Strafsachen: D. Str. Pr. O. §§ 348, 350, 351.
      Vorzugsrecht der ärztlichen Honorarforderung im Concurs: D. Conc. O. § 54 Ziffer 4.
      Wegen besonderer unter Criminalstrafe gebotener Pflichten der Aerzte ist zu vergleichen D. Str. G. B. § 278 (unrichtige ärztliche Zeugnisse), § 300 (unbefugte Offenbarung von Privatgeheimnissen), sowie §§ 222 und 230 (Tödtung oder Körperverletzung in Folge ärztlicher Kunstfehler).