Großherzogtum Hessen/Regierungsblatt 1884/226

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Großherzogtum Hessen/Regierungsblatt 1884
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Nr. 28.



XII. Geschäfte im Gesundheitsdienst.

Allgemeine Grundsätze.
§ 22.
§ 22.
      In ihrer dienstlichen Stellung als Gesundheitsbeamte haben die Kreisärzte im Allgemeinen die Aufgabe, den öffentlichen Gesundheitszustand ihres Bezirks und in dessen einzelnen Gemeinden zu erforschen und fortgesetzt zu überwachen, aus die Verhütung und Abwendung gesundheitsschädlicher Einflüsse und auf Beseitigung vorhandener Schädlichkeiten hinzuwirken; ferner haben dieselben die Behörden bei der Ueberwachung der Ausführung der sanitätspolizeilichen Anordnungen, sowie der Befolgung der sanitätspolizeilichen Gesetze zu unterstützen. Der Kreisarzt hat hierbei, wie bei seiner ganzen amtlichen Thätigkeit niemals den Grundsatz aus den Augen zu verlieren, daß er selbst keinerlei anordnende oder vollziehende Machtbefugniß hat, daß er nicht Polizeibeamter ist, daß also die Ausübung der Gesundheitspolizei nicht ihm, sondern - wie die Handhabung der gesammten Polizei überhaupt – den Kreisämtern und unter denselben den Lokalpolizeibehörden, in oberster Instanz aber dem Ministerium zusteht.62
      Bei allen Gegenständen der Gesundheitspolizei, in welchen dem Kreisarzt polizeiliche Anordnungen oder ein polizeiliches Einschreiten auf Grund bestehender Anordnungen wünschenswerth erscheinen, hat er deshalb feine Anträge an die betreffenden Polizeibehörden zu richten und auf diesem Wege die erforderlichen polizeilichen Maßregeln zu veranlassen.63
      Sollten sich hierbei Anstände ergeben, welche er im Wege des Einvernehmens mit den Polizei- und Polizeiverwaltungs-Behörden nicht zu beseitigen vermag, so wird er die Angelegenheit seiner vorgesetzten Behörde vorlegen.64
      Wenn, nach dem Vorstehenden, dem Kreisarzte keinerlei anordnende
Befugniß (Executive) zusteht, und er wegen der Anordnung und Ausführung gesundheitlicher Maßregeln auf die Mitwirkung anderer Behörden ebenso wie vielfach der Gemeindevorstände angewiesen ist, so muß übrigens umsomehr von ihm gefordert werden, daß er den Werth und die Wichtigkeit der ihm zugewiesenen Anregungsbefugniß und Anregungspflicht (der Initiative) zu würdigen und mit Eifer und Erfolg auszunutzen wisse, sowie daß er das Vertrauen und Entgegenkommen der betheiligten Staats- und Gemeindebehörden zu gewinnen und die Durchführung nothwendiger hygienischer Maßregeln zu sichern verstehe, einmal durch unanfechtbare und überzeugende Begründung wohldurchdachter Vorschläge, durch Anpassung derselben an die gegebenen Verhältnisse, insbesondere also durch Einhaltung der Grenzen finanzwirthschaftlicher Ausführbarkeit, sodann durch taktvolle Führung der Verhandlungen mit den betheiligten Stellen, endlich aber durch eine von überstürzender Ungeduld und wankelmüthiger Gleichgültigkeit sich gleich weit entfernt haltende ruhige und nachhaltige Ausdauer in dem Betreiben nothwendiger hygienischer Verbesserungsmaßregeln.
      Unter steter Wahrung des vorstehend erörterten Grundsatzes werden nun im Uebrigen die den Kreisärzten als Gesundsheitsbeamten obliegenden dienstlichen Funktionen von denselben theils selbstständig und unmittelbar erledigt, theils aus Requisition oder unter Mitwirkung anderer Behörden.
      In dem Nachstehenden sollen ihre wesentlichen Dienstobliegenheiten zusammengestellt werden.

      62 Novelle zur Med. Ord. von 1876, § 19 im Eingang.
      53 Med. Ord. § 18.
      64 Med. Ord. a. a. O.