Handbuch der praktischen Genealogie/287

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Handbuch der praktischen Genealogie
Inhalt
Band 2
Tafel: I • II • III • IV • V • VI • VII • VIII • IX • X • XI
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darnach bezeichnet werden kann. Vergleiche zeigen, daß diesbezüglich das persönliche Empfinden des Kanzlisten maßgebend war.[1]

      Wenn man erwägt, daß sehr viele Burgnamen in verschiedenen Gegenden Deutschlands vorkommen und oft ein Name von zwei, drei und mehr Familien angenommen wird, daß selbst nur entfernt ähnlich klingende Namen infolge der unsicheren Schreibweise, in die sich gern der Dialekt der betreffenden Kanzlisten mischt, gleichartig geschrieben erscheinen, daß endlich jeder Burg-, Stadt- oder Landname, den ein Dynast übernahm, wohl ausnahmslos einem oder mehreren, oft einer ganzen Gruppe von Dienstmannen, Burgmannen usw. als Zuname diente, so ergibt sich klar, daß irgendwelche Arbeit aus urkundlichen Quellen des 12. und 13. Jahrhunderts, die sich an Zunamen hält und mit der modernen Idee der Namenfamilien operiert, unrettbar Irrtümern verfallen ist. Die Genealogie findet im 12. und noch bis in das 13. Jahrhundert in Zunamen nur ein bedingtes, sekundäres Mittel für die familienmäßige Gruppierung der Menschen.[2]

      Man muß beachten, daß es Familien gleichen Namens gab, die keine Verwandtschaft miteinander hatten. Noch im 11. Jahrhundert begnügten sich in den Urkunden sehr viele mit Titel und Taufnamen, auch Grafen und Edle. Erst seit Mitte des 12. Jahrhunderts waren Familiennamen bei diesen die Regel.[3] Doch war ein solcher die Örtlichkeit bezeichnender Familienname ursprünglich noch nicht so befestigt, daß bei einem Wechsel des Besitzes die Familie ihn beibehalten hätte; vielmehr wurde in solchen Fällen auch der Name vertauscht. So führten z. B. die Freiherren von Attinghausen diesen Namen erst seit ihrer Übersiedelung nach Uri; vorher hießen sie nach ihrer Stammburg im Emmental die Freien von Schweinsberg. So hießen die von Löwenstein früher Bischofshausen von Bischofshausen, jetzt Bischhausen an der Schmalm; als sie aber im 13. Jahrhundert ihre neue Burg erbauten, nahmen sie ebenfalls die neumodische Benennung an. Diese Weise wurde aber auch von Leuten nicht ritterlichen Standes frühzeitig befolgt, indem sie sich nach ihrem Stammorte oder ihrem Wohnsitze benannten. Wer aus einem fremden Orte zuzog, wurde beim Eintragen in die Bürgerrollen am einfachsten nach dem Orte bezeichnet, aus dem er kam. So sind in den Bürgerrollen von Nordhausen aus dem 13. und 14. Jahrhundert Personennamen, aus von (oder lateinisch de) und einem Ortsnamen gebildet, die gewöhnlichste Bezeichnung, z. B. Henricus de Erfordia, Ludovicus de Molhusen. Das „von" fiel später nach und nach weg. In Nordhausen z. B. hatten von 27 Mitgliedern des Rates im Jahre 1385 noch 13 das „von" mit einem Ortsnamen, dagegen 1401 nur 7, 1421 nur 2, 1475 noch einer, endlich 1484 keiner, obwohl nicht weniger als sieben einen Ortsnamen als Familiennamen führten.


  1. Mehr ü. d. Aufkommen d. Zunamen bei Otto Frhr. v. Dungern, Die Entstehung d. Landeshoheit in Österreich, Graz 1910. S. 96 f.
  2. Otto Frhr. v. Dungern, Ebd. S. 107 f.
  3. Lorenz, Lehrb. d. Genealogie, S. 177 f.