Herforder Chronik (1910)/127
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Sobald die Pflanze den Erdboden verließ, begann die Zeit harter Arbeit für den Landmann. Um die Samenkapseln zu gewinnen, schlug er die Stengel durch die Flachsraufe[1], ließ einen Teil des Samens zur Aussaat übrig und preßte aus dem Rest das Leinöl. Bündelweise legte er nun die Stengel in Wasser, wozu er entweder fließende Rinnen benutzte - der Flachsgraben oder die Flasbeke in der Altstädter Feldmark erinnert noch daran - oder kleine, etwa 4 qm an der Oberfläche messende, von Weidenbäumen umstandene Weiher, Rötekuhlen genannt. Sie haben sich noch hier und da in den Feldmarken erhalten. Die Bündel beschwerte er mit Steinen, damit sie ordentlich unter Wasser blieben, denn dort sollten sie „rotten“, d. h. verrotten, verfaulen, was sich jedoch nur auf die Rinde der Stengel bezog. Die Rottung oder Rötung, die also mit der Farbe „rot“ nichts zu tun hat, ist ein Gärungsprozeß, welcher bewirkte, daß sich sowohl die harte Schale des Stengels, als auch das die inneren Fasern des Stengels zusammenkittende Harz auflösten. Den Rötekuhlen entströmten zur Zeit der Flachsrötung übelriechende Gärungsgase, welche die Luft weithin verpesteten. War die Rötung vollzogen, so wurden die Bündel aus der Rötekuhle oder dem Graben genommen und in der Weise am Ufer ausgebreitet, daß das Wasser ablief und die Stengel trocken wurden. Die nun leicht lösliche Rinde wurde mit dem Holzschlegel „gebockt“[2], d. h. abgeklopft oder mittels der Racke [3], d. i. Flachsbreche, entfernt, wozu sich umfangreichere landwirtschaftliche Betriebe der Bockemühle[4] bedienten. Die abfallenden holzigen Teile des Stengels hießen Schewe.
Damit ist der gröbere Teil der Arbeit vollendet, die feinere, wenngleich nicht weniger mühsame Verarbeitung übernimmt nun das Ribbeeisen, ein Schaber von dünnem Eisenblech mit Holzrücken zum Anfassen. Diese „ribben“ genannte Arbeit gehörte den Frauen, welche zu dem Zweck ein 30 qcm messendes Stück gegerbten starken Schweinsleders, den Ribbelappen, auf ihre Knie legten, eine Handvoll gebrochenen, gerackten Flachses darauf ausbreiteten und mit dem Ribbeeisen so lang darüber hinwegstrichen, bis der letzte Rest des Harzes, der die Fasern noch zusammenhielt, herausgeschabt war. Je feiner der Flachs werden sollte, desto länger mußte die Arbeiterin das Ribben fortsetzen.
Nach dem Ribben wurde der Flachs auch wohl noch einmal mit dem Büker oder Bocker geschlagen, um ihm größere Geschmeidigkeit zu verleihen.
Die letzte vorbereitende Arbeit an dem Flachse bestand im Hecheln. Die Hechel, plattdeutsch Hekel, war eine dichte Bürste von kreisförmig angeordneten spitzen Stahlzähnen, die weit- oder engständig waren. Der Flachs wurde zunächst auf der weitständigsten Hechel durchgezogen und diese Arbeit auf den feineren Hecheln fortgesetzt. Infolge des Durchhechelns wurde der