Herforder Chronik (1910)/385

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Herforder Chronik (1910)
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1757

Soldateska berichtet wird, so mag es auch bei uns gewesen sein, und die Geschädigten werden sich gehütet haben, alles zur Anzeige zu bringen, aus Furcht vor noch ärgerer Bedrückung und Belästigung. Die von den Feinden geübte Schrankenlosigkeit hatte sich auf den Teil der Herforder übertragen, der überhaupt niemals von Gewissensregungen angekränkelt war, wenn es sich um des Nachbars Eigentum handelte. Der Rat sah kein anderes Mittel, der eingerissenen Gewissenlosigkeit zu steuern, als in einer scharfen Bekanntmachung vom 16. Juli darauf hinzuweisen, „daß es doch gerechter und billiger sei, jedermann bei demjenigen, was ihm die göttliche Barmherzigkeit während der unvermeidlichen Drangsal des großen Heereszuges übrig gelassen, unbeeinträchtigt verbliebe“. Unter Androhung schwerer Leibesstrafen verbietet er „auf das härteste“, es solle sich niemand unterstehen, an des andern Gartengewächsen, Feldfrüchten, Gras, Holz, Hecken, Zäunen oder sonstigem fremden Gut und Eigentum sich zu vergreifen. Eigennützige Leute hätten sich nicht gescheut, allerlei an sich zu reißen und zu verschleppen, ja sogar von den auf der Gasse und anderswo öffentlich stehenden Wagen die Räder und andere Stücke zu entwenden. Diese sollen binnen drei Tagen das Entwendete wieder an seinen Ort bringen, sie würden sonst wie Diebe und Räuber bestraft werden. Denen aber, welche Wissenschaft von gestohlenem Gut haben und es nicht zur Anzeige bringen, wird gleichfalls die schwerste Ahndung angedroht.

Diese Bekanntmachung entrollt ein Bild schlimmster Verkommenheit; wir dürfen indes nicht außer acht lassen, daß mancher, ehedem in nicht ungünstigen Verhältnissen lebende Kleinbürger an den Bettelstab gebracht war und sich nun aus Not an fremdem Eigentum vergriff.

Im Umgange mit den in vielen Dingen leichtfertigen Soldaten waren die Städter u. a. auch ziemlich sorglos in der Bewahrung von Feuer und Licht geworden. Darum sieht sich der Magistrat genötigt, um großem Unheil vorzubeugen, auf das allerschärfste gegen die Übertretung seiner auf diesen Punkt bezüglichen Anordnungen vorzugehen, indem er darauf die schimpfliche Strafe der Karre setzt. (Die zu dieser Strafe Verurteilten wurden jeden Morgen in aller Frühe vor einen zweirädrigen Karren gespannt und mußten nach Angabe eines Aufsehers die Straßen reinigen, den Kehricht sowie den aus den Häusern zusammengeholten Unrat aufladen und an einen bestimmten Ort schaffen. Zuweilen wurde diese Strafe auf Wochen, Monate, ja Jahre verhängt.)

Diese Vorsicht sei besonders „bey der gegenwärtigen Sommerhitze und der mit Gott bevorstehenden Erndte nöthig“. Auch solle man sich, bei Vermeidung des Zuchthauses (nicht in unserem Sinne, sondern Besserungsanstalt), auf Gassen, in Häusern und Scheunen, wo Stroh und Korn eingefahren wird, des „Tobackrauchens[1] gäntzlich enthalten und solches allein in sicheren und von dergleichen feuerfangenden Materien allerdings (d. h. durchaus) befreyten Gemächern“ vornehmen.

  1. Man rauchte nur Pfeife; Zigarren waren damals noch unbekannt.