Kriegstagebuch des Walter Kabisius (1914-1921)
Das Kriegstagebuch des Walter Kabisius
- Zur Person
Walther Kurt Kabisius wurde am 8. Juli 1892 in Jena/Thüringen als jüngstes von 9 Kindern und 5 Monate nach dem Tode seines Vaters Franz Theodor Max Otto Bernhard Kabisius geboren. Seine Mutter, Juliane Bertha geb. Loch, hatte große Schwierigkeiten, ihre 6 überlebenden Kinder mit allem Nötigen zu versorgen.
Als Schulkind zog er mit einer Korrende durch die Straßen Jena's, um durch das Singen von Weihnachtsliedern Almosen zu erbetteln. Mit 14 Jahren trat er in die Firma Zeiss ein, wo er zum Feinmechaniker ausgebildet wurde. In späteren Jahren arbeitete er dort als Konstrukteur und gab Kurse für berufliche Fortbildung.
Am 19. August 1920 heiratete er in Jena Nachbarsmädchen Elsa Härtel; aus der Ehe entsprangen 2 Kinder: Joachim geb. 4. Juni 1920 (geboren vermutlich mit einem Herzklappenfehler, gestorben am 21. November 1922 an einer Lungenentzündung) und Eva geb. 13. November 1923 (gest. 17. August 2006).
Am 1. Weltkrieg nahm Walther Kabisius als Maschinengewehrschütze in der Maschinengewehr Kompagnie des Kurhessischen Jägerbataillons Nr. 11 teil.
Nach dem 2. Weltkrieg rückte Walther Kabisius durch seine Position als Konstrukteur bei Zeiss in das Interesse der russischen Besatzungsmacht und wurde zur Deportierung nach Russland bestimmt. Am 22. Oktober 1946, angesichts des vor der Haustür wartenden russischen Lasters, entzog sich Kabisius der Deportierung durch Einnahme einer giftigen Substanz. Der von den russischen Soldaten noch gerufene Arzt konnte nichts mehr für die Rettung seines Lebens tun.
Während des 1. Weltkrieges von 1914-1921 schrieb Walther Kabisius ein Kriegstagebuch,
Er war Jäger der Maschinengewehr Kompagnie
des Kurhessischen Jäger-Bataillions Nr. 11
Er fasste seine Erlebnisse in Notizbüchern zusammen; transkribiert wurden diese zunächst zeitnah von seiner Schwester Frieda, dann darauf basierend 2018 von seiner Enkelin Ute Grünewaldin der hier vorliegenden Form.
Alle mit Kreuz versehenen Kameraden sind gefallen, |
NOTIZBUCH NR. 1
- 31. JULI – 30. AUGUST 1914
Zurückberufung aller Beurlaubten. Österreichisch-Serbischer Krieg, Deutschland durch Russland mitverwickelt.
Das 11. Armeekorps steht unter Kriegsgesetzen
Abend 7 Uhr. Mobilmachungsbefehl eingetroffen.
Einteilung der Kompagnie. Abgeben der Sachen auf Kammer. Abend 8 Uhr. Abendmahlsfeier in der Universitätskirche. Verhaftung von russischen Studenten in der Stadt.
Sind immer noch in Marburg. Wir sind soweit gerüstet.
Heut Abend 10 Uhr soll Abmarsch sein. 6 Uhr Verladen der Fahrzeuge. 11:50 Uhr Abfahrt der M.G. Kompagnie und Radfahrer. Ganz Marburg auf den Strassen.
Fahrt geht über Wetzlar, Cooburg, das Moseltal entlang bis St. Vith. 10 Uhr in St. Vith angekommen. Ein mächtiges Gewitter bricht aus. Durchnässt kommen wir in unser Quartier.
2 Uhr Abmarsch des (11. Batl.) von St. Vith. 4:10 Uhr nachmittags überschritten wir die Belgische Grenze. 8 km weiter. Wir hörten die ersten Schüsse krachen.
Sind 7 Uhr hier angekommen. Immer noch keine Spur von den Franzosen zu sehen. Übernachten das erste Mal in Feindesland.
5:30 Uhr. Bin soeben wach geworden. Habe fein geschlafen. 25 km von hier ist ein Tunnel gesprengt worden. Die Radfahrer sind 25km weiter gefahren. Heut sind die Gardeschützen gekommen.
Nachdem wir den guten Wein verdrückt hatten, ging’s weiter. Nach 2 Stunden Marsch über die Berge, Quartier im Dorfe Bechen [Bèche, Belgien]. Es regnet schön. Ich habe Wache. Um 10 Uhr ziehe ich mit einem Kameraden auf. Von 11 Uhr an hören wir heftiges Geschützfeuer in der Richtung auf Lüttich-Brüssel. 2 Uhr Alarm. 3 Uhr Abrücken, einer gemeldeten feindlichen Kavallerie-Division entgegen. ½ 9 Uhr in Gouvy. Wir werden mit den Gardeschützen verladen. Auf dem Bahnhofsgelände großer Tumult. Einige Kisten Dinamitpatronen gefunden von den 178. Wir marschieren wieder ab. 11:30 Uhr Ankunft in Vielsalm. 4 Uhr Appell in Kriegsgarnitur. Die Nacht vom 8. – 9. August sehr gut im Pferdestall geschlafen. 9 Uhr aus dem Stroh gekrochen. 11 Uhr Bad im Bach vom Park. 11:30 Uhr. 2.Zug rückt aus zur Sicherung. 12 Uhr unter Leutn. Mohr Barrikadenbau vor dem Dorf Vielsalm. Nachmittag bis 5 Uhr frei. Es werden aus einem Keller eines Grafen unzähligeFlaschen Wein entwendet. Abschlachten von 2 Hühnern. Kurz vor dem Ausmarsch gegessen. Oberjäger H. 9:30 Uhr Abmarsch der Komp. Nach dem Bahnhof. Verladen bis 1⁄2 3 Uhr. Die Bahnlinie ist von den Eisenbahnern wieder zurecht gemacht worden. Die Bevölkerung hatte alles zerstört. Die Fahrt ging über Kautenbach nach... Wir haben die Nacht auf dem Wagen zugebracht.
Herrliches Wetter. Wegen dem Wein noch Scherereien.
Früh 8 Uhr Kautenbach umgeladen, dann nach Wiltz weiter. In Wiltz einen feindlichen Flieger beschossen. Ohne Erfolg. M.G.K. (Maschinengewehrkompanie) ist nicht in Tätigkeit getreten. Dann ging es ab nach Schimbach weiter. Von da zu Fuß etwa 6 km bei großer Hitze. An einem Waldrand Rast. Nach mehrstündigem Aufenthalt nach Wertien. Daselbst Quartier auf Heuboden. Gut.
7:45 Uhr Abmarsch in Richtung Tableau. Vor uns eine Kavallerie-Division. Beschießung eines französischen Fliegers. Über 2000 Meter hoch. Es herrscht wieder mächtige Hitze. Es haben viele abgebaut. Abend 8 Uhr kamen wir ins Quartier Chamblou (Vastanie). Alarmquartier. Hatte auch den Namen in der Tat, denn 12 Uhr brach ein Feuer im Nachbarhaus aus. Die Leute und Pferde konnten noch zur rechten Zeit ins Freie gelangen. Wir haben dann den Rest der Nacht auf dem Hof im Stroh zugebracht.
Früh 6 Uhr Abmarsch von Chamblon nach Marche. Es war wieder sehr heiß. Hier ist viel Kavallerie. 3 Ulanen, G.- Dragoner und Garde-Kürassiere. Wir wurden in einer Brauerei einquartiert.
war ein Ruhetag. Nachmittag 2 Uhr wurde Alarm gegeben. Eine Kavalleriepatrouille wurde von einer Französischen Kavallerieabteilung angegriffen. Ein Deutscher Dragoner ist gefallen. Ein französischer Offizier gefangen.
Früh 5 Uhr. Abmarsch mit unserer Kavallerie-Division. ½ 5 Uhr Essen in Ciney. Französische Kavallerie ist zurückgegangen. In einer Schule geschlafen. 2 Uhr Alarm. Abmarsch ½ 3 Uhr von Ciney nach Dinant. 8 Uhr. Die Truppen ziehen sich zusammen.
9 Uhr vorm. Unsere Bataillone besetzen die Höhen rechts der Maas. Die Franzosen liegen zum Teil auf den jenseitigen Höhen, die Mehrzahl in der Stadt Dinant. Das Feuer war sehr heftig und dauerte bis 2 Uhr nachmittags. Die Stadt wurde heftig von unserer Artillerie beschossen. Sämtliche Gehöfte und Schlösser brennen. Von unserem Bataillon sind 1 Offizier und 4 Mann verwundet. Am Nachmittag haben wir uns etwa 8 km zurückgezogen, um unsere Verrstärkung abzuwarten, und die Nacht in einem Gutshof unter dem Wagen zugebracht. Die Artillerie schoß bis 9 Uhr.
Früh 8 Uhr aus Sové abmarschiert. Wir hatten dort im Biwak gelegen. Zwischen 2 Wagen Zelte gespannt, auf dem Boden Stroh. Auf einer Höhe zwischen Dinant und Ciney in Stellung gegangen, eingegraben. Nachmittag wieder nach Sové.
Früh 6 Uhr Abmarsch aus Sové. In der Nähe von Dinant ein Gefecht. M.G.K. brauchte nicht mit einzugreifen. Das Bataillon hat wieder 2 Mann und 1 Oberleutnant verloren. 6 Uhr wieder ins alte Quartier zurück.
Früh 8 Uhr von Sové abmaschiert. Wieder die Höhen zwischen Dinant und Sové besetzt, ohne etwas anderes zu unternehmen. Abend ins alte Quartier nach Sové zurück.
Ruhetag. Früh 8 Uhr aus dem Zelt gekrochen. Es gibt kein Brot mehr. Wir kochen nir Kartoffeln. Offiziere und Mannschaften am Biwakfeuer. 6 Uhr Abend. Feldgottesdienst. Auf dem Rasen vor dem Schloß wird ein Franzose begraben.
9 Uhr Abmarsch aus Sové. Unsere Garde-Kavallerie-Division rückt nach Norden vor. Bei Miannoye eine Scheinstellung. 2 Stunden geschlafen, 3 Uhr Abmarsch nach Les Fontaines. Daselbst Quartier. Brot gibt es jeden Tag weniger. Wir müssen uns immer Kartoffeln kochen.
½ 5 Uhr durch lautes Kuhbrüllen munter geworden. Nebenan im Garten wurden Kühe gemolken. Einen Becher voll getrunken. Wetter unfreundlich. Die Nacht war kalt, Reif auf dem Zelt. 10 Uhr. Wir haben uns Kartoffeln gekocht. Butter war noch zufällig zu bekommen. Nachm. 4 Uhr Abmarsch. Abend 10 Uhr in Turnal angekommen. Die anderen Kompagnien biwakieren im Wald nahe dem Maastal. Wir schlagen in kurzer Zeit unsere Zelte auf. Ich habe Wache. Die ganze Nacht wird in der Richtung aus Namur Artilleriefeuer abgegeben.
Früh mit dem Oberjäger H. Leber gebraten. Bis 4 Uhr Nachm. Ruhe. 4 Uhr Nachm. Abmarsch nach.... Kurz vor dem Abmarsch ein feindlicher Flieger Bomben geworfen. Die Artillerie hat den ganzen Tag über geschossen, hauptsächlich vormittag. 11 Uhr im Biwak.
Der Feind ist fluchtartig zurückgegangen. Wir nehmen die Verfolgung auf. Marsch von 1⁄2 4 Uhr nachm. Bis 3⁄4 4 Uhr nachts. Im Biwak bei Ermelon. 25./8. Nach 3⁄4 Stunde geht es weiter über Philippeville nach Mariembourg. Mariembourg ist vom Feind besetzt. Die Artillerie nimmt das Dorf unter Feuer. Die Gardeinfanterie geht vor; in kurzer Zeit ist das Dorf genommen. Alles Schutt und Trümmerhaufen. Tote Franzosen und Belgier liegen auf der Straße. Auch unsere Gardeinfanterie und –Kavallerie hat Verluste. Wir schlagen unser Zelt bei Marienbourg auf.
5 Uhr gehen wir weiter über Couvin nach.... 2:30 Uhr überschreiten wir die Französische Grenze. Um 5 Uhr kommen wir in ein Gefecht bei Le Tremblois. Der Feind hat wieder ein Dorf besetzt. Am Eingang sind große Hecken. In der langen Reihe haben sie sich verschanzt. Wir haben den Wald besetzt. Nach 1 Stunde LeTremblois genommen. Die ersten Schützenlinien liegen 300-400 Meter vor uns. Wir sind das erste Mal mit dem M.G. tätig gewesen. Es liegen einige Franzosen im Graben.
Früh 6 Uhr. Wir werden von feindlicher Artillerie stark beschossen. Der dritte Zug geht bis an den Ausgang des Dorfes vor und nimmt Deckung hinter einem Haus. Das Feuer wird immer heftiger. Links und rechts von uns schlagen die Geschosse ein. Später nehmen wir Deckung hinter der Kirche, da wir wegen zu großer Entfernung (keine Treffer erzielen können?). Nachmittag nehmen wir die Verfolgung wieder auf. Quartier in Blombay.
6:30 Uhr Abmarsch aus Blombay. Wir hatten die Nacht im Quartier zugebracht. Die französische Zivilbevölkerung ist nicht so freundlich wie die belgische. Mittag kommen wir in Longy-Bongy an. Nach 2 Stunden Alarm. Weiter geht’s nach Sedan; von wo man starkes Artilleriefeuer hört. Sedan (scheint) ganz eingeschlossen (zu) sein. Bis 11 Uhr Marsch, bis Dorf Novion. Biwak im Straßengraben. Nach 3 Stunden weiter nach (5 Uhr) Novion-Porcien.
Artilleriefeuer. Dorf in Brand geschossen. Gefecht bis nach Corny. Daselbst einige Stunden geruht. Abend nach Novion- Porcien zurück. Ich nachts auf Posten. Gewehr 98. |
NOTIZBUCH NR. 2
30. AUGUST – 27. SEPTEMBER 1914
6 Uhr Alarm. 7 Uhr Abmarsch Richtung Rethel. Wir marschieren ungefähr 2 Stunden in SW Richtung. 9 Uhr gehen wir in Stellung. Vor uns feindliche Schützenlinien, meist Turkos. Neben uns kämpfen Husaren 2/20. Nach ½ Stunde Gegner geht zurück. Verfolgung wird aufgenommen. Wir kommen in feindliches Artilleriefeuer. 2 Mann verletzt. 2 Uhr morgens sehen wir auf der anderen Höhe feindliche Kolonnen. Artillerie fährt auf 12. Die Wirkung ist kolossal. Das Feuer dauert bis 8 Uhr Abend. Wir marschieren durch Rethel nach Acy, daselbst Quartier. Wäsche gewechselt. Das erste Mal.
4 Uhr Alarm. 6 Uhr Abmarsch. Der Feind hat sich zurückgezogen. Mittag werden viele gefangene Franzosen vorbeigeführt. Abend 8 Uhr kommen wir in dem Dorf Le Ménil an. Daselbst Quartiert. Es gibt schon zwei Tage kein Brot mehr. Am Nachmittag kommen unsere anderen Komp. ins Gefecht. Ein Hauptm., 1 Leutnant und gegen 10 Jäger sind verletzt.
6:30 Uhr Abmarsch von Le Ménil. Da unser rechter Flügel noch zu weit zurück ist, müssen wir auch etwas zurückgehen. Wir graben uns ungefähr 2 km nördl. Le Ménil ein. Gegen 9 Uhr hört man Schüsse fallen. 1 Uhr Mittag. Es wird abgebrochen. Abmarsch dem Feind entgegen. Es tritt starkes Artilleriefeuer ein. Wir sind wieder über Ménil hinausmarschiert. Bei Pauvris kam es zu einem kleinen Gefecht. Unser Batl. Hat wieder einige Verluste. Quartier in Pauvris.
½ 8 Uhr Abmarsch von Pauvris. Am Abend vorher eine Gans gekocht (unsere Inspektion). Der Feind hat sich wieder weit zurückgezogen. 10 Uhr Biwak bei Aubeliret. Am Tage große Hitze. Feind hat sich wieder zurückgezogen.
6 Uhr Abmarsch aus Aubelivet. 2 Uhr Kanonendonner hörbar in südwestlicher Richtung. Wir brechen auf. Wie ich hörte, sollten unsere Radfahrer und die Husaren eine Brücke sprengen. Ein Gefecht sollte nicht stattfinden. Nach 1 stündlichem Marsch Ankunft auf dem Truppenübungsplatz bei Chalon. Die Artillerie der Franzosen war in Übermacht. Wir befinden uns gar bald in gewaltigem Feuer. Ein Wunder, daß nur ein Mann von uns gefallen ist. Werner II bekam einen Schuß in das Ohr und wurde am selben Abend noch begraben. Es war der erste von uns. Unser Hauptmann sprach noch einige Worte, der Tschako und ein Tannenzweig zierten das Grab. Das Gefecht dauerte von ½ 3 – 11 Uhr nachts. Unser Bataillon hat ziemlich große Verluste. Das Regiment 107 und die Dresdener Jäger Nr. 13 haben tapfer gefochten. In diesem Gefecht lagen wir im dichtesten Kugelregen und Artilleriefeuer. 11 Uhr räumte der Feind das Feld. Wir brachten die Nacht in Mäntel gewickelt im freien Felde zu.
5:30 Uhr Abmarsch in westl. Richtung. 11 Uhr Pause. Abend 7 Uhr Abmarsch in westliche Richtung Biwak in Isse. Auf dem Wege vom Lager Chalons [=Chalons-en-Champagne] nach hier lagen viele tote Deutsche und Franzosen. Unser Angriff ist uns glänzend gelungen.
6 Uhr. Zelt wird abgebrochen. Es wird allerhand gemunkelt. Wir sollen nach Elsaß oder Rußland. Seit gestern ist eine Pause eingetreten. Wir bleiben den ganzen Tag über im Lager (Biwakplatz). 6 Uhr ist Feldgottesdienst. Der Geistliche sprach über die Freude der letzten Siege, nun danket alle Gott. Die Nacht wurde wieder im Zelt bei Isse zugebracht. Am Vormittag und Nachmittag haben wir im Kanal gebadet.
Früh 4 Uhr Wecken. 5 Uhr marschbereit. 5:30 Uhr Abmarsch in südlicher Richtung. Von Ferne ist starker Kanonendonner hörbar. Wir marschieren den ganzen Tag. 8 Uhr Abend Quartier bezogen. Nach 1 Stunde wieder weiter, bis 12 Uhr gelaufen. Quartier im Dorfe Coole. Coule. Sompuis.
6 Uhr Abmarsch von Coole. 8 Uhr bei Simuis besetzte Höhen. Wir gehen in Stellung auf einem Übungsplatz bei Simuis. Gegen Mittag müssen wir uns laut Divisionsbefehl zurückziehen. Vor uns lagen die 182 und das Schützenregiment Sachsen. Während wir keine Verluste haben, so hat das 182 Reg. große Verluste zu verzeichnen. Wir gingen bei Simuis in Biwak. Fahrt auf dem Bahngleis.
5 Uhr fertig machen. 6 Uhr Abmarsch. Sind den ganzen Tag auf dem Übungsplatz liegengeblieben. Das ständige Artilleriefeuer donnerte den ganzen Tag über. Die Geschosse schlugen zum Teil in nächster Nähe ein. Wir bezogen Biwak auf dem selbigen Platz.
Früh 5 Uhr fertigmachen. Wir bleiben noch auf demselben Platz. Gegen 8 Uhr begann die Artillerie zu feuern. ½ 9 Uhr. – Ich lag mit einem Kameraden gerade am Waldrand etwa 30 Meter von unserer Kompanie entfernt und beobachtete unsere schwere Artillerie, welche so gegen 200 Meter von uns entfernt schoß. Mit einem Male bekamen wir Feuer. Zwei Schritt von mir schlugen Schrappnellkugeln ein. Kurze Zeit darauf bekam unsere Kompanie Feuer. Unser Stabsarzt und ein Oberjäger (Fankhauser) erhielten Schüsse. Während der Oberjäger nur einen Streifschuß auf der rechten Hand bekam, erhielt der Stabsarzt einen Granatsplitter in den Leib. Wir mußten den Platz verlassen und nahmen Deckung in einem Hohlweg vor dem Dorfe. 10 Uhr gingen wir noch einige km zurück. Wieviel wir Verluste haben, weiß ich noch nicht. Die anderen Kompagnien, zumal die 1. hat große Verluste.
10 Uhr vormittags kommen wir in Sommesous an. Mit uns kommt noch eine Batterie Artillerie und etwas Infanterie an. 12 Uhr werden wir von feindlicher Artillerie beschossen. Wir nehmen im Dorf Deckung. Am Abend gehen wir in Stellung vor dem Dorfe. Wir kommen zwischen die 2. und 3. Komp. Auf den vorl. Höhen laufen Franzosen herum. Entfernung 800 – 1000 Meter. Man kann genau die Kommandos verstehen. Es wird mehrmals auf Patrouille geschickt. Unser Oberjäger hat mit der Pistole auf Infantr. geschossen. 15 Meter voraus. Es war sehr dunkel.
Bei Longy-Loisy. Mittag gegen 2 Uhr haben wir die Marne passiert. Allerdings Richtung Osten. Nach unserem Übergang wurde die Brücke gesprengt. 6:45 Uhr passierten wir Chalons. Die Bewohner waren fast alle noch in der Stadt. Die Artillerie- Kaserne ist als Lazarett eingerichtet. Ein feines Städtchen ist Chalons. Wir marschieren noch bis St. Hilare. Biwak in St. Hilare.
1:30 Uhr mittags kommen wir auf dem Flug- und Übungsplatz bei Mourmelon an. Wir werden in den französischen Baracken einquartiert. In der Nacht herrscht großer Sturm und Regen. Ich habe Wache (Stallwache). Wir schlachten eine Menge Hammel. 6 Uhr wurden große Sprengungen auf dem Übungsplatz vorgenommen. Große Bäume und Denkmäler werden beseitigt. Wir braten Kartoffeln.
5 Uhr Wecken. Abmarsch in östlicher Richtung. Starker Sturm und Regen. 2 Uhr Ankunft in Aubivert [Aubérive]. Daselbst Biwak.
5:30 Uhr Abmarsch, richtung Reims. Wir gehören jetzt zur II. Armee und sollen auf dem rechten Flügel kämpfen. Die II. Armee ist schon in hartem Gefecht. Eben ist die Nachricht von einem Seegefecht bei Helgoland eingetroffen. Nach den Reden der Vorgesetzten soll die französische Armee eingeschlossen sein. In aller Kürze wird wohl eine größere Schlacht stattfinden.
Wir marschieren noch über Dontrien nach .... Gegen 4 Uhr kommen wir an einer Feldbäckerei vorbei. Da wir alle großen Hunger haben, wird das Brot gestürmt. Seit langer Zeit wieder an Brot satt essen. Unser Marsch geht noch bis Neufchapel. Daselbst Biwak.
2:45 Uhr Abmarsch in westl. Richtung. Gegen 7 Uhr kommen wir bei Guigniecourt ins Gefecht. Die erste und die zweite Kompanie schwärmen sofort aus, die anderen Kompagnien und wir bleiben als Reserve zurück. Bis 9 Uhr abends bleiben wir in einem Wald liegen. Es regnet. Die Nacht bringen wir neben den Fahrzeugen im Strohl zu. Wir/unser Batl. hat große Verluste.
3 Uhr Abmarsch in Stellung. Wir schieben uns in die Feuerlinie ein. Gegen Morgen schießen wir auf 1400 Meter auf französische auffahrende Artillerie. Den ganzen Tag donnerndes Artilleriefeuer. 4 Uhr nachmittags. Auf den gegenüberliegenden Höhen anmarschierende Kolonnen, die Artillerie beschießt unter anderem ein Haus, in welchem unsere Verwundeten liegen. Gegen 8 Uhr abends stürmen die Franzosen den von uns besetzten Ort Berry-au-Bac. 10 Uhr gehen wir auf die Höhe und graben uns ein.
2:30 Uhr kommen unsere Feldküchen an. 3 Uhr nachts. Wir waren eben fertig mit Essen, da fallen Schüsse. Der Gegner macht einen Angriff auf unseren rechten Flügel. Mit Seitengewehr pflanzt auf geht es vorwärts. Nach ½ stúndigem Gefecht wird der Feind zurückgeworfen. Eine große Zahl Tote bedecken das Schlachtfeld.
Wir liegen den ganzen Tag im Schützengraben. Sonst nichts Neues. Es wurden eine Anzahl Kameraden von uns verwundet. Der 1. Zug von uns wurde gestürmt. Feldwebel Kühn Eisernes Kreuz.
Die Nacht hat es in einem fort geregnet. Wir sind sehr naß geworden. Die Stadt wurde heute wieder stark von uns beschossen. Das XIV Armeekorps nähert sich von links. Der Ring scheint sich zu verengen. Wir kommen heut nicht zum Schuß, die Stellung wurde gegen Artillerie mehr befestigt. 11 Uhr abends wurden wir durch ein Bataillon 56. abgelöst.
Guignicourt. Von 2 Uhr nachts bis 5 Uhr morgens Ruhe. 6 Uhr rückten wir nach Guigniecourt. Hier hatten wir bis 11 Uhr Ruhe. Von da ab bis abends Fahrzeug- und Gewehrreinigen. Der Sonntag war auf einmal seit langem ruhig.
6 Uhr Wecken. Anschließend instand setzen von Kleidungsstücken. 3 Uhr Abmarsch nach Variscourt. Hier wurde Quartier bezogen.
6 Uhr Wecken, anschl. In Ordnung Bringen der Sachen. 4 Uhr nachmittags Feldgottesdienst. Wir verlebten noch einen schönen Abend am Biwaksfeuer. Wir hatten uns eine Portion Deutsche Biefstücks gebraten. Auch wurde noch Wein verteilt.
7 Uhr Wecken. 9:30 Uhr Alarm. Der Gegner hatte im Nebel angegriffen. Habe heut die erste Nachricht von Zuhause bekommen. Eine Karte von Otto. Wir rücken bis ? vor. Es kommt der Befehl, daß wir nicht gebraucht werden, der Gegner ist zurückgeworfen. 1º ins alte Quartier zurück.
Ich habe Kartoffelpuffer gemacht. 3 Stück werden mit dem größten Behagen verzehrt.
sind wir auch in Variecourt geblieben.
Früh 4:30 Uhr wurden wir alarmiert. 5:30 Uhr Abmarsch. Bei dem Dorfe ? bleiben wir in Deckung liegen. Vor uns entwickelt sich ein heftiges Gefecht. 200 Meter links neben uns schießt unsere Fußartillerie. Entfernung 7400 Meter. 6 Uhr rücken wir wieder in Variecourt ein. Nachdem wir aus der Feldküche gegessen haben, werden wir wieder alarmiert. Wir marschieren ungefährt 1 Stunde lang, bis wir in die Schützengräben kommen. Hier lösen wir eine Bataillon 55er ab. Haben einen schönen Unterschlupf.
Die Nacht ist wenig geschossen worden. Bis 11 Uhr vormittag liegen wir im Schützengraben. Es werden neue Stellungen ausgehoben. |
NOTIZBUCH NR. 3
28. SEPTEMBER 1914 – 10. MÄRZ 1915
Am Morgen starkes Artilleriefeuer. Es wurde weiter geschossen. 10 Uhr Abend. Infanterie-Regiment 15 abgelöst. Wir rücken nach Condé, Zuckerfabrik. Condé, d. 29.9.1914 3 Uhr Wecken. Mittags Liebesgaben empfangen. Es kamen 100 Mann Ersatz.
10:30 Uhr Morgen. Alarm. Abend nach Condé zurück. Heut spielte unsere Musik das erste Mal im Feldzuge. Condé, 1. Okt. 1914 7 Uhr Abmarsch nach Auménancourt, da Quartier.
9:30 Uhr – 11 Uhr Exerzieren, Abend Liebesgaben.
Morgen und Nachmittag Appell. 6 Uhr Alarm. Lösen die 158 im Schützengraben ab.
Sonntag Zwischen 1 Uhr und 2 Uhr nachts warfen Pioniere Bomben in feindl. Schützengraben 400m vor uns. 10 Uhr abends vom Inf. Reg. 73 abgelöst. Dann 13 km zurück nach Bertriecourt. Abend noch reichlich Feldpost bekommen.
Von Bertricourt nach Guignicourt. Daselbst verladen. Die Fahrt ging über Saon, St. Quentin nach Cambrai. Auf deutscher Bahn. Quartier in Arleux. Die Gegend ist bisher vom Krieg verschont geblieben. In Arleux konnte man noch Schokolade usw. kaufen.
4 Uhr weiter nach Avion (Loretto Höhe). In der Nähe Aufnahmestellung. Rechts und links am Tage stärker Infanteriefeuer. Abend gingen wir mit den Bayern. Gegner geht zurück. Nachts bleiben wir in Stellung.
5 Uhr morgens besetzen wir die vorderen Schützenlinien (Gröbe, Schütze 4 (Otterbein) durch einen Halsschuss verwundet. Nach wenigen Minuten tot.
Unsere 3. Komp. Wurde durch eine Komp.55 abgelöst. Am Tag auf beiden Seiten große Ruhe. Von 5 – 7 Uhr wurden unsere Gräben von feindl. Artillerie auf 1800m stark befeuert. Ein Geschoss schlug 1 Meter von unsrem M.G. ein. Wir wurden nur mit Erde beschüttet. Auch das Gewehr blieb unbeschädigt. (Blindgänger)
Sonntag 6 Uhr morgens. 3. Zug in Reserve. Der 2. Zug erlitt starke Verluste. Oberjäger Jöns tot. 3 Mann verwundet. Ein Gewehr und viel Material beschädigt. 10 Uhr abends von Inf. Reg. 15 abgelöst. Wir bezogen Quartier im Ort Hénin.
Gewehrreinigen. Appell.
7 Uhr Abend. In ein anderes Dorf einquartiert.
Ruhetag. Der Ort wird ab und zu von Artillerie beschossen.
Tadellos geschlafen. In der Nacht großes Feuer. Franzosen Vorstoß gemacht. Am Tage gut gelebt. Fleisch gebraten. Wein getrunken. Wir sind bei den Bayern... 1 Flasche Wein, 1 Träne.
3:20 Uhr Abmarsch über Lens, Carvin nach Aumollin. Vor Carvin lagen 100te von toten Pferden. Anscheinend ein Überfall. Unser Quartier in Aumollin [=Annœullin] sehr gut.
Weiter kein Dienst. Wir haben wieder Ausbildung.
8 Uhr Appell in Bekleidungsstücken. Ich wieder Ausbildung am M.G. Tagsüber viel gebraten.
Nachmittag Feldgottesdienst in einer Kirche.
Mittags Alarm. Nachmittags Appell in Bekleidungsstücken.
4 Uhr Abmarsch. Allgemeiner Angriff (6 Armeekorps). Vor uns Engländer. 7 Uhr entwickelte sich das Gefecht. 3. Zug in Reserve. Von uns 2 Mann und einige Pferde verwundet. Wir mussten die anderen Züge mit Munition versorgen. Der 1. Zug Sturm auf ein Dort (mit M.G.). Feldwebel Kühn verwundet. Abend 10 Uhr. 3. Zug löst den 2. Zug ab. Der 2. Zug nach [Salomé (Nord) Salomé] in Reserve.
Der 1. und 3. Zug übernachten in einer Scheune. 10 Uhr geht der 3. Zug in Stellung und wird stark beschossen. 7 Uhr abend links Sturmangriff auf unsere Seite.
7 Uhr morgens Sturm auf unsere Seite. Das Dorf Lorche genommen.
Die Engländer haben ihre Stellung aufgegeben und sich zurückgezogen. Eine Menge Munition und Gewehre zurückgelassen. In der Nacht rücken wir vor, auf beschwerlichem Wege. Quartier in einem zerschossenen Gehöft. Es ist noch Wein vorhanden. 5 Uhr morgens kommen wir zur Feldküche.
Um 6 Uhr morgens gingen wir in Stellung. 2 Uhr wurde die Komp. eingesetzt. Schlechte Wege, 3 Mann Verlust. Kommen wir in die vordere Linie. Von 3 Seiten Feuer. Wir gehen etwas vor und graben uns ein. 11 Uhr Komp. Quartier in einem Gehöft. Wir erhalten reichlich Post.
Gefreiter Klein und Jäger Klosterhoff beerdigt. 8 Uhr Abend. II. Zug in Stellung. Schwörzel durch einen Handschuss verletzt. III. Zug bleibt in Reserve.
5 Uhr morgens geht der III. Zug in Stellung. Starkes Infanteriefeuer.
5 Uhr morgens abgelöst. Oberjäger Huppmann und ich von Herrn Hauptmann das Eiserne Kreuz.
Wir lösen wieder den 2. Zug ab.
Kommen wieder in die Scheune. Bin zum Gefreiten befördert.
Beim Ablösen starkes Feuer. Die Engländer haben Drahtverhaue vor ihren Gräben.
Zug löst den 3. Ab. Tagsüber Ruhe auf beiden Seiten. Das Batl. wird abgelöst.
Der 3. Zug löst den 2. ab.
2. Zug löst den 3. ab. Artillerie beschießt uns.
3. Zug löst 2. ab und erhält Artilleriefeuer. Unser Batall. löst das Inf.R.55 ab.
2. Zug löst 3. ab. Vor uns sind farbige Soldaten gesehen worden.
3. Zug löst 2. ab. Nachricht von der Erkrankung des Herrn Härtel.
2. Zug löst 3. ab. Ich habe ein Paket von Gretchen erhalten. Mittag wird ein verwundeter Inder hergebracht. Man findet Dum-Dum Geschosse bei ihm.
Wir lösen den 2. Zug wieder ab. Am Tag alles ruhig. Paket von Gretchen. In der Nacht schanzen die Engl. vor uns. Wir schießen mit M.G.
Der 2. Zug löst uns ab.
Es werden einige Inder gefangen.
3. Zug fährt mit einer Rollkutsche nach LaBassée. Da Quartier. Die Stadt ist sehr zerschossen.
3 LaBassée. 2 Uhr Alarm, großes Artilleriefeuer. 4 Uhr gehen wir wieder in Stellung.
LaBassée wird noch von der feindlichen Artillerie befeuert. Es kommen 30 Mann Ersatz.
Wir gehen in eine neue Stellung. Der Feind liegt 200m gegenüber. Des Nachts Artilleriefeuer.
Nach einer schweren Nacht schlafen wir in LaBassée fast den ganzen Tag über.
III. Zug löst II. Ab. Morgens starkes Artilleriefeuer.
Früh 5 Uhr kommen wir wieder in LaBassée an. Haben sehr gefroren.
Gutes Mittagessen gemacht. Brief von Mama, Paketchen von Jungks.
Wir wieder in Stellung. Sonst nichts Neues. Der erste Schnee. Sind wieder in LaBassée. Brief und Paket von Frida und Elselein.
Am Abend des 19.11. Der 1. und 4. Zug in Stellung. 4. Zug neu. Führer Oberjäger Heinemann. Aller Ersatz. Am 20. ein feines Mittagessen. Ein Paket von Siekmanns. Einen Brief von Ernst Bachmann. Es hat wieder gefroren und geschneit.
Wir gehen Abend 7 Uhr in Stellung. Es wird ein Schützengraben besetzt, welcher ungefähr 50m vor unserem alten Graben liegt. Es ist Schnee gefallen. Hart gefroren. Auf dem Weg dahin hören wir jemand rufen. Es ist ein Verwundeter. Ein Landwehrmann (Apotheker), 45 Jahre. Er hat einen Schuss in den Rücken bekommen. Armer Kerl. – Die Nacht über Ruhe, nur kalt. Unser Vorposten befindet sich 80m vom Feind entfernt. Man darf am Tag den Kopf nicht über den Graben tun.
Heut wurde ein gemeinsames Mittagessen bereitet. Mit Pudding zum Nachtisch. Um 5 Uhr sichert der 3. und 2. Zug die Stellung.
Am Abend wieder in L.B. angekommen, hat Kamerad Spehr für uns ein schönes Mahl bereitet.
Heut bezieht die Komp. Quartier in Salomé.
2. Zug löst 3. Zug ab. Tagsüber Gewehrfeuer. III. Zug geht 26.11. in Stellung. Die Engländer machen einen Scheinangriff. Starkes Artilleriefeuer.
Wir bekommen bei der Ablösung starkes Feuer. Eine schöne Wagenpartie im Mondenschein. Der Wagen vor uns verlor zum Gelächter der anderen ein Rad.
Nachmittag Stiefelappell.
Starkes Feuer.
Lebhaftes Feuer auf beiden Seiten.
Wir beziehen wieder Quartier in LaBassée.
Von unserem Zuge ist vor einigen Tagen wieder einer verwundet worden. Vizefeldwebel Huppmann. Am 18. Abends rücken wir daher mit weniger Leuten aus als bisher. Oberjäger Vetter übernimmt den vordersten Zug, welcher weit vorgeschoben ist und nur wenig Infanterie-Bedeckung hat. Es sind zwei Gewehre in Stellung. Ich bin Richtschütze am linken Gewehr.
4:30 Uhr greifen die Engländer an. Unsere vorderre Stellung muss geräumt werden. Zwei M.G. müssen wir zurücklassen. Gefr. Roland, Rings, Ölse fallen. Obj. Vetter, Jgr. Vierung und Pabe verwundet.
Allgemeiner Angriff. 10:30 Uhr 2 Schuss unserer schweren Artillerie. Dann zwei Leuchtkugeln als Zeichen. Ein Gehöft und ein Schützengraben der Engl. fliegen in die Luft. Unsere Pioniere hatten gut vorgearbeitet. Dann stürmt die 1. Komp, unsere alte Stellung wird auch schnell wieder genommen. Am Abend nehmen die Engl. den Heckenhof wieder, doch kurze Zeit danach ist er wieder in unseren Händen.
Ein großes Paket ist für mich da. Weihnachtssendung.
über 300 Gefangene. Engl., Inder und Schottländer werden nach LaBassée gebracht.
Heiliger Abend. – 5:30 Uhr Abmarsch (Fahrt) nach der einige Kilometer entfernten Front. Unsere Weihnachtsfeier soll am 1. Feiertag Abend sein. (wenn wir aus Stellung kommen). Unsere 2 Gewehre sind jetzt ungefähr 400m weiter links gekommen. Da wir keine Deckung in der neuen Stellung haben, kann ich meinen kleinen Christbaum nicht mitnehmen. Die Engl. scheinen die Nase noch voll zu haben von den Tagen zuvor, denn es fällt kaum ein Schuss. Wir singen Weihnachtslieder und feiern, so gut es geht. Weihnachten im Schützengraben, eine sonderbare Sache. Die Nacht vergeht auch. Am 1. Feiertag kommen ab und zu ein paar große Brummer zu uns herüber, sonst ist Ruhe. Am Nachmittag gehe ich mit noch ein paar Kameraden nach dem Heckenhof. Welch ein Jammer. Der Hof und der Garten, die Obstbäume und Zäune, alles ein Trümmerhaufen. Auf dem Weg dahin (Laufgräben) sehen wir noch eine Menge Tote liegen. Sie liegen noch von dem Sturm der letzten Tage dort. In den Gräben, den genommenen engl. Schützengräben, liegt Mann an Mann. Alles tote Engl. und Inder. Die Inder in ihren Schafspelzen. Schrecklich ist da gehaust worden. Am Abend, den 25., kommen wir wieder nach LaBassée. Ein schöner Baum brennt in unserem Quartier. Eine schlichte Weihnachtsfeier wird abgehalten. Leutnant Pira hält eine kurze Ansprache. Jeder bekommt ein kleines Geschenk, bestehend aus Zigaretten, Nüssen usw. [[ |thumb|center|500px|]]
Auf dem Friedhof zu LaBassée begraben wir zwei Offiziere: Leutn. Müller von der 1. Komp. und Leutn. Seebach der 4. Komp.
2 Gewehre werden zurückgeholt. 1 Gew. wird noch rechts eingebaut. Ich bleibe aus Stellung zurück.
Es ist im Dezember. Was es heißt, einen Winter in Flandern, meist im Schützengraben
zu verbringen, können sich wohl die wenigsten vorstellen.
7 Uhr kommen wir aus Stellung. Die Engländer entwickeln eine rege Tätigkeit. Neuerdings werden oft Minen geworfen. Man sieht sie in der Luft ankommen und kann zum Teil ausweichen. Sie richten, wo sie hinfallen, großen Schaden an. Vor allem schwere Verwundungen.
Die Schützengräben stehen halb voll Wasser. Durch Brettergestelle, welche in den Graben eingesetzt werden, ist für den Posten ein trockenes Plätzchen hergestellt.
Die Engländer eröffnen andauernd ein starkes Feuer. Sie versuchen anzugreifen. Sie haben öfter das Seitengewehr aufgepflanzt, riskieren aber nicht, in dem Schlamm vor uns vorzugehen.
1915 La Bassée. Die Engländer haben unsere Stellung entdeckt und schicken uns schwere Granaten herüber. Dadurch werden 2 Mann getötet und 2 Mann von uns verwundet. Des Nachts Stellungswechsel. Wir gehen 100m weiter rechts.
2 Maschinengewehre werden durch Infanterie beschädigt und müssen ausgewechselt werden. Die Schutzschilde wurden auf die nahe Entfernung (150-250m) durchschossen. 12. Januar 1915 In unserer jetzigen Stellung ist es bedeutend trockener. Wir bauen uns Unterstände.
Vom 12. – 17.ten läßt das Feuer nach. Dagegen donnern und blitzen die Kanonen in der Richtung Arras. Von da aus wird ein Durchbruch gemeldet. Vor uns werden starke Drahtverhaue angebracht (Spanische Reiter).
Schwager Fritz besucht mich hier in LaBassée unverhofft. Er hat Pferde zur 58er Artillerie gebracht.
Links von uns stürmen die 56er das Dorf Givenchy. Nach dem 3. Sturm müssen die tapferen Truppen zurückgehen. 600 Mann haben sie verloren.
Geburtstag des Kaisers. Gottesdienst.
Im Schützengraben. Ein Flieger wirft eine Bombe 30 Meter vom Schützengraben.
4 Uhr nachmittag beschießt uns die schwere engl. Artillerie in LaBassée. Ungefähr 50 Schuss gehen in unsere Nähe. Ein Schuss geht in den einen Stall, wo Pferde von uns stehen. 6 Pferde waren auf einen Schlag tot. 4 wurden noch von uns erschossen.
Im Schützengr. 9 Uhr morgens. Die Engl. beschießen uns mit schwerer Artillerie. 18 Schuss schlagen 30 Meter von uns ein.
Großer Auszug aus LaBassée, wir sind wieder in Salomé. Ganz gute Quartiere.
Wir haben ein gutes Quartier.
Waffenm. Schnorr und ich fahren nach Valenciennes. Kursus im Entfernungsmessen (Zeiss 14). Abend im Hotel de Flandres logiert.
Stadt angesehen. Flugplatz. Wenig vom Krieg berührt. Großer Betrieb in der Stadt.
Ausbildung am neuen Entfernungsmesser.
Mamas Geburtstag.
Wir fahren wieder von Valenciennes ab. Mittag 12 Uhr in Lille. Viele Häuser in Trümmer geschossen. Eine schöne Stadt. Wir wurden inder Französischen Jägerkaserne verpflegt. Abend fahren wir wieder über Dou nach Salomé. 11 Uhr wieder im Quartier.
6 Uhr Abend in den Schützengraben.
Am. 17. und 18.Feb. wurden 2 Mann von uns verwundet. Der eine tödlich.
Während des Tages starkes Artilleriefeuer.
Abend in Stellung. Ziemlich ruhig. Starker Nebel. Leichte Artillerie beschießt unsere Stellung.
Starker Nebel, Nachmittag starker Geschützkampf bis zur Nacht hin. 8 Uhr abend Angriff der Engländer auf das 14. Koprs.
Starker Nebel, eifrige Fliegertätigkeit (feindliche).
Tagsüber starker Geschützkampf.
4 Uhr morgens Probealarm.
mit Maschinengewehren. Gegen 9 Uhr feindliche Flieger kreisen bis 11 Uhr über unseren Schützengräben. Können sie nicht beschießen, nur die Batterien.
Unser Batl. wird aus der Stellung bei La Bassée abgelöst. Wir marschieren am Abend nach LingyLeGranc.
Bekommen ein gutes Quartier. Der Ort ist sehr zerschossen.
Am Tage lebhaftes Artilleriefeuer. Es hat gefroren. Am Abend nach Lingy le granc zurück.
Morgens großer Artilleriekampf. 10 Uhr morgens greifen die Engl. unsere durch das starke Beschießen gering besetzten Gräben an und kommen durch. Sie kommen bis Nueve Chapelle, ungef. 1 km Gelände verlieren wir. 2 Kompagnien von uns werden aufgerieben. |
NOTIZBUCH NR. 4
- 8. MÄRZ 1915 – 23. OKTOBER 1915
Abends 7 Uhr Abfahrt nach der Stellung bei Neuve Chapelle.
Am Tage lebhaftes Artilleriefeuer. Es hat gefroren. Am Abend nach Lingy le granc zurück.
Von morgens 7 Uhr an heftiges Artillerie- und Infanteriefeuer auf unsere Stellung. Um 12 wurde unsere Komp. Alarmiert. Die letzten 3 Gewehre gehen in Stellung. Der Gegner hat unsere Stellung bei Neuve Chapelle angegriffen. Durch seine Artillerie, welche von früh 7 bis 10 wie wahnsinnig geschossen hatte, hat er leichtes Spiel gehabt. Die Gräben waren alle zerschossen, sodass sich kein Mensch mehr darin aufhalten konnte. Um 10 ging feindl. Infanterie zum Sturm vor. Die wenigen Leute, welche sich nicht gerettet hatten, wurden gar schnell überrannt und gefangen genommen. Wir hatten 2 Gewehre in diesem Abschnitt stehen. Das rechte wurde gleich von einer der ersten Granaten unbrauchbar gemacht, die Mannschaft konnte sich bis auf einen nach rechts retten. Das linke Gewehr hat noch bis zum letzten Augenblick geschossen und musste sich dann ergeben. Einige von unseren Leuten haben gesehen, wie die Engländer gefangene Jäger vor ihren Sturmkolonnen zur Deckung hergetrieben haben, Schufte! Auch mussten dann nach der Erstürmung von Neuve Chapelle die Gefangenen schanzen. Zwei Kompagnien waren am 10.3. im Graben, davon sind nur wenige zurückgekehrt! Die anderen zwei Komagnien und die Radfahrer hatten die grössten Verluste beim Vorgehen durch einen Wald vor Neuve Chapelle. Auch die Verluste des Feindes waren enorm gross, im Vergleich zu dem geringen Erfolg. Neuve Chapelle wurde in einen Trümmerhaufen verwandelt. Am selben Tag abends 11 Uhr haben wir unsere anderen Gewehre, welche am Mittag ausgerückt waren, abgelöst.
Nachdem wir die Nacht über unsere Stellung in der Nähe eines Gehöftes besser ausgebaut hatten, erhielten wir morgens um 8 starkes Artilleriefeuer. 8,30 mussten wir die Stellung verlassen. Wir verbrachten den Tag im Keller eines anderen Gehöftes. Ein Ueberfall unserer Infanterie wurde am Morgen zurückgeschlagen. Der Kampf dauert fort. Abends 11 Uhr werden wir abgelöst.
Am Abend wieder in Stellung. Bauen das Gewehr hinter einem Strohschober ein.
Am Nachmittag erhalten wir Artilleriefeuer. Verluste keine. Der Vorstoss des Feindes ist zum Stehen gebracht. In der Nacht wird unser Bataillon abgelöst. Wir kommen nach Bauvan in Ruhe. – Das waren meine schwersten Tage! 14 englische Bataillone gegen drei deutsche!! Ich bin mit unter den wenigen Ueberlebenden!
Wir wohnen in einer Fabrik am Kanal.
Von uns sind wieder 3 Gewehre bei Anchy in Stellung. Man kann vom Dorfe Anchy aus im Laufgraben bis in die vordere Stellg. Gehen. In Billy haben wir gute Quartiere, die Zivilbevölkerung ist noch im Dorfe.
Abends um 7 fahren wir in Stellung, ich bekomme wieder Gewehr 4.
O s t e r n! Um 3 Uhr nachmittags Gottesdienst.
Abends 7 Uhr in Stellung, bleiben nur einen Tag.
Abends in Stellung, alles ganz ruhig. Wir bauen unseren Unterstand weiter aus. Vom Graben aus führen 6 Stufen hinab.
Morgens 5 Uhr Alarm. Der Feind hat ein Stück Graben von ca. 50m Länge bei der 12. Komp. 16 rechts von uns, durch Minen gesprengt, 16 Mann tot. Der Feind wurde, als er aus einigen Stellen aus dem Graben stieg, von unserer Infanterie und Artillerie zurückgetrieben. Das Feuer dauerte eine halbe Stunde. Am Abend, kurz vor der Ablösung, wurde ein Mann vom Gewehr 2 durch ein Infanteriegeschoss getötet.
Das grosse Osterpaket von zu Hause ist angekommen. Ich bereite mir ein feines Mittagessen: 2 Pfd. Spargel, Schnitzel usw.
Beerdigung unseres gefallenen Kameraden Streiber auf dem Friedhof zu Billy.
In der Nacht sprengen unsere Pioniere einige Minen bei R. 16.
In Stellung. Wir bauen unseren Unterstand besser aus. Eine Tür mit Glasfenster wird angebracht
Meine Beförderung zum Oberjäger.
Ich werde nach Dou zum Flieger-Abwehr Kommando kommandiert.
Die ersten Tage ist nicht viel zu tun. Es werden am Tage 1-2 Flieger beschossen.
Morgens 5,15 kommt ein franz. grosser Doppeldecker aus Richtung La Bassée und fliegt auf Bahnhof Dou zu. Er bewegt sich in einer Höhe von nur 4-500 m. Er wird tüchtig beschossen. Ueber Dou macht er kehrt, wirft 2 grosse Bomben ab und fliegt in Richtung Billy davon. Wir haben 3000 Patronen verschossen. Vor unserer Stellung bei Anchy musste er landen, da er über Salome schon gebrannt haben soll, muss er von uns schwer beschädigt worden sein. Am selben Tage beschossen wir noch 10 Flieger. Eine Bombe flog in die grosse Mühle von Dou. Ein Ulan Bein ab, 3 Pferde tot. Sonst ausser Fensterscheiben kein Schaden. – An der Front Arras – Lille, greifen die Engländer mehrfach an.
Nachmittag 2,30 wird ein Flieger von unserer Artillerie abgeschossen. Aus einer Höhe von 2000 m stürzt er brennend zu Boden. Bei Fournes lagen die Ueberreste. Zwischen Holzstangen und Drahtseilen lagen 2 verbrannte Leichen. (Englän.) Der Motor hatte sich über 1 m in den Boden gewühlt.
Abend 10 Uhr fahre ich nach Billy zurück.
Morgens 5 Uhr Abfahrt in Stellung, es regnet.
Ich ziehe in ein anderes Quartier in Billy. Die Engländer habe unsere alte Stellung bei La Bassée gestürmt. Zwei Kompagnien von uns, 3. & 4. Rücken zur Verstärkung der 57er nach La Bassée ab. Der Feind wird in der Nacht unter grossen Verlusten zurückgeschlagen. Unter anderen ist Hauptmann Bentien gefallen.
Bin wieder 2 Tage in Stellung. Am 29.5. abends 8 Uhr wird von uns aus eine feindl.Mine gesprengt. Eine Rauchsäule von 100-150 m türmt sich in die Höhe, verbunden mit einem furchtbaren Krachen und Zittern der Erde.
Die Engländer greifen bei Givenchy an. Von Mittag an schiesst andauernd die feindl. Artillerie. Abends 10 Uhr geht die Inf. zum Sturm vor und dringt in unsere Gräben ein. Am folgenden Morgen wird durch einen Gegenstoss der Feind unter schweren Verlusten zurückgetrieben.
Links von uns – wohl bei der Lorettohöhe – ist heftiger Kanonendonner zu hören.
Ich bin in Stellung, es ist alles ruhig. Nur regnet es schon seit 2 Tagen.
Abend um 7 gehe ich mit Unteroffizier Helbeck ein Glas Bier trinken. Das Kommendo in Dou ist aufgelöst.
Es ist Sonntag heut. Morgens um 10 Gottesdienst in der Kirche zu Billy. Ich habe heute Wintersachen nach Haus geschickt.
Ich bin in Stellung. Rechts von uns, beim Regiment 16 und vor allem J.R. 134 haben die Engländer nach vorheriger starker Artilleriebeschiessung angegriffen. Der Angriff ist an allen Stellen glatt zurückgeschlagen worden. Einzelheiten sind noch nicht bekannt. In unsere Stellung ist nur mit Schrapnells geschossen worden.
Von Mittag ab starkes Artilleriefeuer in Richtung La Bassée. Zahlreiche Flieger erkunden um 7 abends das Gelände, werden stark beschossen.
Am Nachmittag starkes Artilleriefeuer bei Givenchy-La Bassée. Die Engländer greifen am Abend die Stellungen der 134er an. Eine Komp.von uns rückt zur Verstärkung dorthin ab.
Von Billy aus hören wir wieder starken Kanonendonner in Richtung La Bassée und Lorettohöhe.
Ich bleibe zurück, vier Tage Ruhe.
Heute ist Lemberg gefallen.
Früh 4 Uhr Abmarsch in Stellung. Am Nachmittag starkes Artilleriefeuer. Der Feind schickt ungefähr 15 22er Granaten in unsere Stellung.
7 Uhr morgens. Ein Flugzeuggeschwader von 10 französischen Doppeldeckern überfliegt unsere Stellung in süd-östl. Richtung, von unserer Artillerie und Masch.Gew. stark beschossen, kehrt es nach einer halben Stunde aufgelöst zurück.
10,30 abends erfolgte eine Explosion am Eingang von Billy. Wie es sich herausstellte, waren 80 Handgranaten, welche in einem Hause lagen, durch ein Schwein, welches man in demselben Raum untergebracht hatte, zur Entzündung gekommen.
Morgens 4 Uhr Ablösung. Bis 26.früh in Stellung am Fliegergewehr. Am 26. ist mein Urlaubsgesuch angekommen.
Heute ist auch noch Warschau gefallen, in Billy läuten die Glocken.
Felddienstübung bei Wingles.- Ein bedauernswerter Vorfall hat sich heut Nacht ereignet. Ein Kriegsfreiwilliger von unserer Kompagnie hat durch leichtsinniges Hantieren mit einer Handgranate einen Landwehrmann der 4. Komp. schwer verwundet, er ist gestorben.
Die 2. Komp.hat ein Schild mit der Aufschrift; “Warschau verloren” vor den Drahtverhauen der Engländer befestigt.
In der Nacht ist am Gewehr Nr. 3 der Gefreite Ellersieck gefallen.
Mit der Zielfernrohrbüchse am Gewehr Nr. 3 drei Engländer geschossen. Kessel einen und am Abend ich zwei. Gute Beobachtg.
In Stellung.- Die Engländer haben wieder tüchtig geschanzt. – In der Nacht ein Gewitter. Am 16.nachmittag ein franz. Flieger in geringer Höhe über unserer Stellung. Am Tage heftiger Regen.
In Stellung, nichts Neues.
Durch Artillerie wurde ein feindlicher Flieger herntergeschossen. Aus einer Höhe von ungefähr 2500 m stürzte er herunter, die Insassen, 2 Engländer, tot, Apparat zertrümmert.
Hurrah! Es geht zur Heimat! Ich fahre 8 Tage in Urlaub. Die Fahrt geht über Lille, Brüssel, Lüttich, Aachen, Cöln. Die 6 Tage zu Haus waren wundervoll. Leider konnte Else aus Braunlage nicht kommen.
Nachmittags fahre ich wieder fort, in Weimar bei Sieckmanns traf ich Curt Härtel, welcher aus der Sommerfrische nach Weimar gekommen war. 7,15 geht es von Weimar ab nach Frankfurt, Saarbrücken, Metz usw.
Heute, am 2. September, bin ich zufällig gerade in Sedan. Es geht gleich weiter nach: Charleville, Valenciennes, Lille. Am
Abends 11 Uhr treffe ich, mit allerdings gemischten Gefühlen in Pauvin ein. Nach einstündigem Marsch lange ich Mitternacht in Billy an. Man sieht schon von weitem die Leuchtkugeln und der Geschützdonner erinnert an die Gegenwart. Grausame Gegenwart!
Am Morgen um 5 Uhr gehe ich schon wieder in den Schützengraben. Es ist noch alles beim Alten.
Das Artilleriefeuer nimmt noch immer zu.
Das Artilleriefeuer wird zum Trommelfeuer! Alles deutet auf einen baldigen feindlichen Sturm hin.
Ich gehe in Stellung. Mein Masch.Gewehr wird in der vorderen Stellung rechts der Bahnlinie eingeschoben. Die Gräben sind furchtbar zerschossen, man kann sagen, fast eingeebnet. Am Tage halten wir uns in den vorgetriebenen Stellen auf.
Es wird bekannt gemacht, dass laut Aussage eines franz. Ueberlaufers die Feinde auf der ganzen Front angreifen wollen. Am 25. soll der Sturm auf der ganzen Front ansetzen.
Es wird die ganze Nacht gewacht. In unserem Graben steht Mann an Mann. Gegen Morgen setzt wieder ein schreckliches Artilleriefeuer ein. Gegen 7 rückt die Komp. Infanterie, welche uns bei den Schanzarbeiten geholfen hat, ab. Ich lasse das Masch.Gewehr reinigen. 7,45, das Artilleriefeuer erreicht seinen Höhepunkt. Ein betäubender Geruch verbreitet sich über unsere Stellung, ein ganz gemeiner Säuregeruch! Ich rufe unserem Zugführer, Offizierstellvertr. Kühn, zu "Gasangriff !!" Wir ziehen unsere Schutzmasken über. Bis zum Maschinen- Gewehr sind es ca. 20 Meter. Wir hatten unser Gewehr auf einer Brustwehr aufgestellt. Das Gas kommt in dichten Wolken immer näher auf uns zu. Im Schutze dieser Gasnebel kommen die Engländer etwa 30 Meter an uns heran. Ich gebe Dauerfeuer. In diesem Augenblick durchbohrt mir ein feindliches Geschoss den Oberschenkel. Den Halt verlierend, gleite ich in den Graben. Im Fallen kann ich noch sehen, wie einer meiner M.G. Schützen von einem Sprengstück den Unterkiefer weggerissen bekommt. Wielange ich im Graben gelegen habe, weiss ich nicht. Das Gas hatte mich betäubt. Alles Schwere und Grausame der letzten Tage löste sich in mir auf in ein leichtes und körperloses Dahinschweben. Mit dem Bewusstsein, meine Pflicht getan zu haben fürs Vaterland, schwebte ich hinüber in’s Traumland. So hatte ich mir immer das Sterben vorgestellt.- Ruhig und mit den Gedanken an meine Lieben.
Im Feldlazaret Pou La Marc erwache ich nach 2 Tagen aus der Betäubung. Nur durch eingeflössten Rotwein wurde ich am Leben erhalten. Durch die eingeatmeten Gase und den starken Blutverlust bin ich sehr geschwächt. Neben mir im Bett liegt ein Engländer. Mit grossen verwunderten Augen schauen wir un san. Aber unsere Blicke sagen: nicht Feinde sind wir mehr, sondern Menschan, fast zu Tode gehetzte Menschen. Hat dieser Engländer nicht auch Angehörige daheim, welche um ihn bangen? – Am gleichen Tage erliegt mein englischer Nachbar seinen schweren Verwundungen. 16 Masch.Gew. Kugeln hatten seinen jungen Körper durchbohrt.
Ich erfahre mit Freuden, dass der engl.-franz. Angriff von uns abgeschlagen wurde. Ich schreibe nach Hause, dass ich leicht verwundet im Feldlazarett liege und hoffe, in kurzer Zeit wieder an die Front zurück zu kehren. Doch der alte gute Arzt hatte es anders bestimmt.
Ich liege im Lazarettzug München auf der Fahrt nach Deutschland.
Abend 9 Uhr Ankunft in Essen Hauptbahnhof, wurde per Tragbahre nach dem Huyssen-Stift getragen.
Komme vom Huyssen-Stift nach dem Lazarett Hoffnungstr. 9. Ich schreibe nach Haus, dass ich in Essen bin. – Heute, nach 3 Tagen, besuchen mich Mama und Else, sie waren gerade in Hörde. Freude gross.
Durch den Gasangriff starke Herz- und Lungenbeschwerden, Wunde heilt gut. Von Essen nach Heimatlazarett Jena überwiesen.
Morgens um 7 komme ich in Jena an. Von der Nordschule werde ich nach dem Fröberhaus an der Lache geschickt. Leitende Schwester: Frl. Ritter. Arzt: Dr. Leitner, dann Prof. Busse. Vom 30. Okt. an liege ich im Bett und bekomme täglich 2 Eisbeutel. Bekomme jeden Tag Besuch von zu Hause und Härtels. Else kommt 8 Tage später von Braunlage nach Jena. |
NOTIZBUCH NR. 5
- 1. DEZEMBER 1915 – OKTOBER 1916
Meine Genesung schreitet nur langsam vorwärts.
Weihnachten im Lazarett! Wo und wie werden sie Weihnachten feiern?
Das Neue Jahr hat seinen Einzug gehalten. Wird es uns den ersehnten Frieden bringen? Werden die Menschen zur Vernunft kommen? Oder sind es dcr Opfer noch nicht genug?
Zur vollständigen Wiederherstellung werde ich von Herrn Prof. Busse und Herrn Prof. Giese nach dem Genesungsheim Friedrichsroda verlegt. Die Kur dauert bis 5. August. Hier in der Waldeinsamkeit sammelt der Körper die alte Kraft wieder. Doch schmerzlich verfolgt mich das Gefühl und der Gedanke an die armen Menschen draußen an der Front. Alles ist geblieben wie immer. Die Natur erwacht aus dem Winterschlaf, die Vögel jubilieren wie sonst, die Blumen erwachen zu neuem Leben, - nur der Mensch drängt nach Zerstörung.
Ich komme nach Gotha in’s Lazarett. Nach 3 Wochen fahre ich
nach Cassel und werde im Oktober als dienstuntauglich (D.U.)
entlassen.
Nachwort
Dieses Tagebuch stellt keine ausführliche Beschreibung meiner Kriegserlebnisse dar, sondern ist, wie schon der Name sagt, ein Tagebuch, zusammengestellt aus Notizen, welche oft in den aufregendsten und schwierigsten Momenten dieser bewegten Tage in kleine Bücher und auch auf Zettel niedergeschrieben wurden. Dass mir diese Anhaltspunkte für die Zukunft erhalten bleiben, habe ich vor allem der Güte meiner Schwester Frieda zu danken. Denn schon in meiner Abwesenheit hat sie das Material geordnet und zum Schreiben gegeben. Die beigefügten Skizzen sind ebenfalls aus kleinen Originalskizzen entstanden, welche ich zum großen Teil an Ort und Stelle angefertigt habe. So groß und gigantisch auch mancher Augenblick dieses Feldzuges war, möchte ich doch hoffen, dass uns und unseren Nachkommen solche Zeiten erspart bleiben mögen. Wenn wir die 6 Millionen Gefallenen, welche dieses Völkerringen gekostet hat, in einem Zuge an unserem Geiste vorbeiziehen lassen, gefolgt von der doppelten Anzahl Verwundeter (Krüppel), anschließend der unendliche Zug der Waisen und Witwen, dann überkommt uns ein Gefühl der tiefen Trauer und großen Beschämung. Dieses Bild sollten sich alle Menschen, Freund oder Feind, vor Augen halten. Könnten wir den Blick dieser Unglücklichen auch nur eine Minute ertragen? – Muss sich unser Herz nicht bei dem Gedanken, dass dieser Zug monatelang, ohne Unterbrechung an uns vorbeiziehen würde, zusammenkrampfen in unfassbarem Schmerz? – Kann es einer wagen hinzutreten und den Krieg eine von Gott gewollte Sache nennen? Möchten doch die Menschen nur einmal in sich gehen, nur einmal die Politik ausschalten und als edle Wesen der Schöpfung über all’ das Traurige nachdenken! Muss es, weil es immer so war, auch in Zukunft Krieg geben? Ich glaube doch, dass die Zeit noch kommen wird, wo unsere Nachkommen mit Verachtung und einem bitteren Lächeln auf den Lippen an uns denken werden. Wo man an uns denkt, ähnlich wie wir an die „Wilden“ oder an die Grausamkeiten längst vergangener Jahrhunderte zurückdenken. Nicht durch Sozialismus u. Nationalismus oder durch die Kraft der jetzigen Kirche werden wir dahin kommen, sondern durch ein Streben nach oben, nach Besserem, Edleren. Solche Gedanken soll man nicht mit einem Achselzucken oder mit der Bemerkung „Überidealismus“ abtun, sondern ohne Rücksicht auf Traditionen weiter ausbauen. Wenn auch der Krieg nie auszuschalten sein wird, so doch der Krieg mit Waffen und Blut! Ist es nötig, dass man beim Handeln nach solchen Grundsätzen den Boden unter den Füßen verliert? Ich sage: Nein! Wie kann man im Kleinen gut und edel sein, wenn man im Großen, als Nation, mordet? ´Es hat eine Schlacht stattgefunden!´ Wieviel Unmenschliches und Verabscheuungswürdiges liegt in dem Wort „Schlacht“. Der Fleischer schlachtet das Tier. Wenn wir den letzten Blick eines sterbenden Tieres gesehen haben und uns Mühe geben, denselben zu verstehen, dann sagt er uns: was habe ich dir, oh Mensch, getan? Warum soll ich sterben? Der Mensch antwortet: damit ich leben kann und weil es ein Naturgesetz ist. Nun gut. – Doch wie naturwidrig ist es, wenn sich die Menschen untereinander schlachten! Ich habe viele blühende Menschenkinder neben mir fallen und sterben gesehen. Solche Momente rütteln uns auf und lassen uns das ganze krankhafte Gebaren der jetzigen Menschheit erkennen. Unvergesslich werden mir die letzten Minuten meines Kameraden Otterbein, droben auf der Loretto-Höhe, sein. Er zeigte mir gerade einen Brief von seiner Mutter und sagte mit Stolz und Freude – ein Schutzbrief, ein Talisman von meiner Mutter, welcher mich vor Gefahren beschützen soll. Und – mitten in der Unterhaltung durchbohrt ihm eine Kugel den Hals. Im Zusammenbrechen vernehme ich noch die Worte, - Mutter – Mutter – Mutter – dann verschied er. Einem anderen Kameraden wird bei der Ablösung, in einer dunklen, stürmischen Winternacht, von einem Geschoss der Unterleib durchbohrt. Die Schmerzen dieses armen Menschen waren furchtbar. Wie er sich krümmt, wie er sich die Finger zerbeißt in seinem wahnsinnigen Schmerz. – Keiner kann ihm helfen, er verblutet, er stirbt als ein Held, aber schlimmer als ein Tier. – Wer will es angesichts dieser Opfer noch wagen, den Krieg als ein Naturgesetz hinzustellen? Wenn dies der Fall wäre, dann gibt es keinen Gott! Wie widersinnig ist es doch, wenn Menschen, deren Uniform noch vom Blute des Nächsten befleckt ist, hintreten und zu Gott beten? Sind wir nicht große Heuchler? Uns vom Halbmenschen emporzuarbeiten, zu wirklichen Menschen, das sei unser Ziel, danach sollten wir streben.
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