Lehrbuch der gesammten wissenschaftlichen Genealogie/020

aus GenWiki, dem genealogischen Lexikon zum Mitmachen.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
GenWiki - Digitale Bibliothek
Lehrbuch der gesammten wissenschaftlichen Genealogie
Inhalt
Vorwort | Einleitung
Erster Theil: Kap. 1234
Zweiter Theil: Kap. 1234
Dritter Theil: Kap. 123456
<<<Vorherige Seite
[019]
Nächste Seite>>>
[021]
Lehrbuch der gesammten wissenschaftlichen Genealogie.djvu
Hilfe zur Nutzung von DjVu-Dateien
Texterfassung: fertig
Dieser Text wurde zweimal anhand der angegebenen Quelle korrekturgelesen.


zur Handhabe des politischen Vorrechts wurde, aber in seinem Wesen und seiner eigentlichen Grundlage eine naturgesetzliche Erkenntnis bedeutet, welcher jedermann unterworfen ist. Der Unterschied zwischen den einen und den andern liegt nicht darin, daß der eine einen Besitz hat, der dem andern mangelt, sondern nur darin, daß der eine eine individuelle Erinnerung und Kenntnis verwertet, welche dem andern abhanden gekommen ist. Das Wesen der Genealogie zeigte sich auch auf dem Standpunkt ihrer praktischen Verwertung darin, daß sie lediglich als individualisirte Wissenschaft Nutzen bringen konnte und daß dem Bauern des vierzehnten Jahrhunderts kein Vortheil daraus entsprang, daß er im allgemeinen voraussetzte, alle Menschen stammten gleichermaßen von Adam und Eva ab.

      Das individualisirte genealogische Bewußtsein wurde in früheren Zeiten Adel genannt, aber mehr und mehr ist eine Trennung dieser Begriffe vor sich gegangen. Es giebt Adel ohne Stammbaum und Stammbäume ohne Adel. Die Kenntnis der Geschlechterabfolge in Rücksicht auf die persönliche Qualität eines Individuums übt aber ihre Wirkung völlig unabhängig von der Frage, ob in der politisch organisirten Gesellschaft durch dieselbe Stellung, Standschaft, Bevorrechtung, materieller Vortheil erworben worden ist oder nicht. Das ideale Moment des genealogischen Bewußtseins hat eine viel höhere, allgemeinere Bedeutung als das politische. Man kann vielmehr sagen dieses ist jenem untergeordnet, so gut wie das gesammte Dasein des Menschen ein Produkt von Zeugungen bestimmter vorhergegangener Geschlechter war. In der Erkenntnis und in dem Nachweis der individuellen Qualitäten liegt das Geheimnis der genealogischen Wissenschaft. Auch dem Adligen, der seine Ebenbürtigkeit nachzuweisen hatte, konnte es nichts nützen, so und so viele Namen als Vorfahren und Erzeuger zu beschwören, sondern durch die nachgewiesenen Eigenschaften derselben erlangte er erst die durch seine Abstammung ermöglichten gesellschaftlichen Vortheile. Auch das die Standschaft bewirkende genealogische Bewußtsein kann des idealen Moments nicht entbehren, welches bald eine ausgedehntere, bald eine einseitigere Bedeutung haben mochte, stets aber darauf beruhte, daß eine Reihe von Personen durch den Besitz gewisser