Pfingstbrauch in Westfalen
Kinderspiele: Wie haben unsere Großeltern als Kinder gelebt, wie haben sie gespielt, wie war der Schulweg im Winter, wie war das in der Schule, gab es Strafen in der Schule, gab es eine Weckuhr, wo hat die Urgroßmutter ihre Lahre gemach und was war der Urgroßvater von Beruf.....????? Historisch – familienkundliche Entwicklung im lokalen und regionalen Zusammenhang, Land und Leute, Siedlung, Aspekte, Archive, Quellen, Hinweise...
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Pfingstbräuche in Westfalen
Verspotten und feiern
War Pfingsten früher in einigen Teilen Westfalens ein vergnügliches Fest mit einem Umzug, wurden in anderen westfälischen Gegenden die "Spätaufsteher" unter Mägden, Knechten und sogar Kühen verspottet. Das kirchliche Fest zum Ende der Osterzeit, das vielerorts auch mit Prozessionen gefeiert wurde, war lokal von sehr unterschiedlichen Bräuchen begleitet.
Heischebrauch: Pingstebruet
Dieser Brauch wurde nach dem 2. Weltkrieg zumindest noch in Bauerschaften um Marl und Haltern am See gefeiert. Obwohl von der „Pfingtbraut“ die Rede ist, wurde in diesen Bauerschaften der Braut auch ein Bräutigam zur Seite gestellt und Mädchen und Jungen zogen gemeinsam von Haus zu Haus um Eier und Süßigkeiten zu erheischen. Dabei wurden Braut und Bräutigam auf einem mit Maien geschmückten und oft mit einem Halbreifen bekränzten Handwagen im Geleitzug durch die Nachbarschaft von Haus zu Haus gezogen um "Brautspenden einzusammeln".
Vor jeder Haustür wurde gemeinsam das Liedchen gesungen:
“Pingstebruet is upgestaohn.
Se wull wall giärn nao Bedde goahn.
Een Ei, dat schad öer nich,
Twee Ei`, dat batt öer nich,
Fiefentwintich an een Disk,
dann weeet de Bruet wat sorgen is.
Hebt it noch wat föer de Pingstebrut?
Laot us nich so lage staohn,
wie wüll`t noch ´n Hüsken widder gaohn!
Wurde nicht gleich geöffnet, wurde mehrfach gesungen. Als Dank für die gute Gabe wurde beim Abzug eine Handvoll Grün mit Blüten auf die Türschwelle gestreut. Da auch Eier als Gabe abgegeben wurden, hatten die Kinder auch Körbe mit, welche zur sicheren Aufbewahrung der Eier mit Häckselstroh ausgelegt waren. Erschien die Brautspende zu gering, wurde aus dem Korb eine Handvoll Häckselstroh in die „Gute Stube“ des schlechten Spenders geworfen.
Am Nachmittag wurden dann die „erheischten“ Gaben auf einer Deele, Tenne oder in einem Schuppen, welcher tags zuvor mit Maien (jungen Birken) und bunten Bändern geschmückt worden war, bei Kuchen und Lomonade verzehrt. Danach gab es Spiel und Spaß bis in die Abendstunden.
Ursprung: Verspottung von Langschläfern
“Pingstebruet is upgestaohn;
Se wull glieks wier nao Bedde goahn."
Spätaufsteherinnen hatten noch im 19. Jahrhundert in der Gegend um Lüdenscheid (Märkischer Kreis) an Pfingsten wenig zu lachen: Hier wurde das Mädchen, welches am Pfingstmorgen in der Bauerschaft zuletzt das Vieh (Kühe) aus dem Stall trieb, entsprechend als 'Pinkesbrut' verlacht: Wo sie sich an den Pfingsttagen auch zeigte, war sie dem Gespött der Jugendlichen ausgesetzt, welcher dem obigen Spottvers ähnelte. Einer der Bräuche, welche von Faulheit abhalten sollte.
Ein anderer Spruch im Bereich der Bauerschaften um Balve lautete:
"Pinkesbrut, fule Hut,
kom'st nit ut diäm Berre rut,
wär'st du frögger opestoahn,
wöü'ert di jetz biäter goahn!"
“Pingstebloom“ im Münsterland
Im südwestlichen Münsterland war es dagegen eine besondere Auszeichnung, als "Pfingstbraut" den Pfingstumzug der Kinder anzuführen: "Zwischen Bocholt und Lüdinghausen zogen die Kinder nämlich als Hochzeitsgesellschaft durch die Straßen. Dabei gingen meist ein Mädchen als Braut und ein Junge als Bräutigam unter einem Blumenbogen vor ihrem großen Gefolge durch die Nachbarschaft", schildert Böder einen weiteren Pfingstbrauch. Dieser Brauch, bei dem die Kinder um Süßigkeiten heischten, war in den Baumbergen (im Münsterland) und im Tecklenburger Land unter dem Namen "Pingstebloom" bekannt.
Pfingsthahn
Ähnliche Heischegänge gab es in ganz Westfalen: Im Mindener Raum trugen die Kinder dabei einen Pfingstkranz, der nicht nur mit Blumen und bunten Papierstreifen, sondern auch mit angemalten Eiern und einem Hahn geschmückt war.
Im Raum Borken krönte Kuchengebäck in Form eines „Pfingsthahnes“, verziert mit bunten Schleifen, noch um das Jahr 2000 ein ½ m hohes Birkenstöckchen, welches bis auf mehrere kurze Astansätze entblättert war. Die beim Rundgang der Kinder in der Nachbarschaft erheischten Gaben (Eier, Süßigkeiten) wurden daran aufgehangen oder in einem Korb gesammelt und anschließend gemeinsam bei einer Feier verzehrt.
Eiersingen
In Ravensberg und Lippe nannte man diesen Umzug deshalb auch "Eiersingen". In Willebadessen-Borlinghausen (Kreis Höxter) zogen Mädchen und Jungen getrennt als "Nünneken" und "Pöeterken".
Spott für Knecht und Vieh
Den Langschläfern unter den Knechten im Sauerland erging es noch im 19. Jhdt. nicht besser: Sie wurden "Pinkesvoß" oder "Pinkelhammel" genannt. Sogar die Kühe und Ochsen, die zuletzt auf der Weide ankamen wurden das ganze Jahr nach lokalem Brauch "Pinkeskauh" und "Pinkesosse" gerufen.
Heischebrauch: Wilder Mann
Im Siegerland und im Wittgensteiner Land gab es einen "Heischebrauch", bei dem einer der Jungen als "Pfingstlümmel" eine wichtige Rolle spielte: Er wurde so in frisches Buchenlaub eingebunden, dass er kaum noch sehen konnte und von zwei anderen Jungen geführt wurde. Außenstehende sollten den "Pfingstlümmel" nicht unbedingt erkennen. Der "Pfingstlümmel" wurde wie ein Tanzbär herumgeführt und musste obendrein noch Kunststückchen machen. Seine beiden „Bärenführer“ trugen Knüppel und führten den Jungen mit den Worten vor: "Wir kommen gegangen, mit Stangen und Prangen. Und haben einen wilden Mann gefangen, der nicht gut gehen kann. Drum gebt ihm eine kleine Gabe, woran er sich labe." Diese „erheischten“ Gaben wurden hinterher von den Jungen gemeinsam genossen.
Literatur
- Bremer, Bettina: Von Maiköniginnen, Sirenen, drei Jungfrauen und anderen heiligen Frauen (Verlag Christ. Göttert ISBN: 078-3-939623-80-9)