Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte/1/016
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Schleswig-Holsteinische Kirchengeschichte | |
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II.
Alte Verfassung der hier wohnenden Volksstämme, zunächst der
Germanischen: Sachsen, Dänen, Friesen.
Die Freiheit, nicht die Knechtschaft muß als das Ursprüngliche angesehen werden, sagt Möser, indem er von der alten Verfassung des Sachsenvolkes redet. Wir wollen zuvörderst diesen Volksstamm ins Auge fassen, weil er der erste unter den hier wohnenden war, unter welchem die Kirche eine feste Gestaltung gewann, ein Ereigniß, das zugleich den Untergang der alten Freiheit durch Einverleibung in das Fränkische Reich mit sich führte. Zugleich wurden sie in das Reich und in die Kirche aufgenommen. Bis dahin aber wußten sie von eigentlichen Herrschern nichts. Nur Herzoge wurden erwählt zur Zeit und für die Zeit des Krieges. Der Herzog war im eigentlichsten Sinne nur dux, Kriegs-Anführer, wie er seinen Namen auch von dem Heer hat, vor welchem er und welches er nach sich zog. Mit Eintritt des Friedens trat er zurück und seine Gewalt war erloschen. Er trat zurück in seinen Stand, den Stand der Edlen (Ethelingi), aus welchem, dem der angesehensten Geschlechter, begreiflich die Anführer gewählt zu werden pflegten. Der zweite Stand war der der Freyen (Frilingi), Gemeinfreien, dessen Mitglieder die eigentlichen Volksgenossen waren. Dazu kamen denn endlich die Unfreien oder Hörigen (liti, d. i. Leute) in verschiedenen Abstufungen bis hinab zu den Sklaven [1] Aber auch der Freie
- ↑ Nithard hist. 1. 4 nennt bei den Sachsen um die Zeit der Eroberung durch Karl d. Gr. diese drei Stände. Sunt inter illos qui Ethelingi, sunt qui Frilingi, sunt qui Lazzi eorum lingua dicuntur; latina vero lingua hoc sunt nobiles, ingenuiles atque serviles. Wenn Adam. Brem. I, 4 sagt: Quatuor differentiis gens illa consistit, nobilium scilicet et liberorum libertorumque atque servorum, und somit die Sklaven als vierten Stand rechnet, so hat dies freilich insofern seine Richtigkeit, als er die Menschen-Klassen aufzählen will; aber zum Volk gehörten die Sklaven als unberechtigte nicht. Adam erwähnt noch, daß auf die Vermischung der Klassen unter einander durch Heirathen die Todesstrafe stand, und somit die Stände in völliger Geschiedenheit erhalten werden konnten. Die oben genannten Lazzi heißen sonst Letti, Liti und mochten ursprünglich zum Theil Freigelassene sein. Das Wort Liti ist ohne Zweifel Lüde, Leute, eine Benennung, an der noch jetzt vielfach die Bedeutung Abhängiger und Dienstbarer haftet. Die alte Einheitsform "ein Leut" ist unserer Sprache abhanden gekommen. Dieser Standesunterschied tritt bekanntlich auch hervor in den Strafbestimmungen, z. B. in Caroli Magni Capitulatio de partibus Saxoniae, wo es heißt: Si quis prohibitum vel illicitum conjugium sibi sortitus fuerit, si nobilis solid. LX, si ingenuus XXX, si litus XV; und so regelmäßig in anderen Fällen der Edle doppelt so viel als der Gemeinfreie, dieser (der Wehr) doppelt so viel als der Leut. In dem angeführten Beispiel aber zeigt sich, daß mit Einführung des Christenthums die Todesstrafe für die Vermischung der Stände in eine Geldstrafe verwandelt ward. Diese aber war keinesweges eine geringe, denn nach dem Capitulare von 797 war ein Sächsischer Solidus oder Schilling an Werth einem jährigen Rind gleich, oder 15 bis 20 Scheffeln Rocken, doppelt so viel Scheffeln Hafer. Michelsen, Kirchengeschichte Schleswig-Holsteins.