Westfälische Münzgeschichte 1566-1622
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Westfälische Münzgeschichte 1566-1622
Unter diesem Arbeitstitel fand eine Ausstellung des Westfälischen Landesmuseums für Kunst und Kulturgeschichte Münster in der Ruhr-Universität Bochum vom 23. September bis zum 5. Oktober 1990 während des 38. Deutschen Historikertages statt.
3.300 Münzen an der Ruhr-Uni
Die Ruhr-Universität Bochum verfügt im Rahmen ihrer Kunstsammlungen über eine beachtenswerte Kollektion von ca. 3.300 Münzen, die vom Lehrstuhl für Alte Geschichte am Historischen Institut der Fakultät für Geschichtswissenschaft betreut und für die Ausbildung angehender Historiker und Althistoriker genutzt wird. Ausgangspunkt der Münzsammlung ist der aus mehr als 120 Mittelaltermünzen bestehende Querenburger Schatz, der 1966 bei Aushubarbeiten auf die Querenburger Höhe für einen Uni-Neubau gefunden wurde. Die Universität erwarb diesen bestehenden Schatz, zu dem die außerordentlich reichhaltige Münz- und Vasensammlung des Fuldaer Studienrats und Wissenschaftsmäzens Dr. Karl Josef Welz (1887 – 1964) kam. Der Bestand wird systematisch durch Kauf und Stiftungen ausgebaut.
Metallgeld Westfalens in der Neuzeit
Münzwissenschaftler Peter Peter Ilisch aus Münster äußerte sich zu diesem Thema schriftlich und mündlich etwa wie folgt:
Prägestätten Westfalens
Anders als im Mittelalter (bis etwa 1400) wurde das Metallgeld Westfalens in der Neuzeit nur zu einem geringen Teil in der Region selbst hergestellt. Gleichwohl gab es eine Vielzahl von Prägestätten, die periodisch Münzen schlugen. Mangel an Edelmetall durfte die wichtigste Ursache für diesen Wandel gewesen sein.
Aufsicht, Kontrollen
Vor 1566 überwachte keine Reichsinstanz die Prägungen der einzelnen Münzherrn, die ihr Recht zumeist aus einem mittelalterlichen Privileg ableiteten. Im Jahre 1551 war die Aufsicht über das Münzwesen den verschiedenen Reichskreisen übertragen worden, d.h. für Westfalen dem Niederländisch-Westfälischen Kreis. Konkreter wurden die Bestrebungen zur Kontrolle des Münzwesens aber erst nach dem Reichstag von 1566. Im Anschluß an diese Tagung fand im Sommer erstmals ein Treffen der Mitglieder des Kreises in Köln statt, um die Münzfrage im einzelnen zu beraten. Zu den vordringlichsten Aufgaben des neuen Gremiums gehörte es festzustellen, wer überhaupt prägeberechtigt war; alle Staaten, auch die kleinsten, waren nämlich bemüht, sei es durch die Vorlage entsprechender Urkunden, sei es durch den Hinweis auf eine frühere Prägetatigkeit einen solchen Nachweis zu erbringen. Das Thema war auch eine Frage des herrschaftlichen Prestiges.
Reichsmünzordnung 1559
Der Reichskreis beschloß die Anwendung der Reichsmünzordnung von 1559. Für die Münzstätten wurden Normen hinsichtlich des Edelmetallfeingehaltes festgelegt. Ein Kreiswardein sollte ihn überprüfen. Die Münzmeister waren verpflichtet, Register über die Ausprägung zu führen und diese vorzulegen. Ferner sollten von allen Prägungen Belegstücke in einer Büchse mit drei Schlössern deponiert werden, zu deren Öffnung der Münzmeister, der örtliche Wardein sowie der Kreiswardein jeweils einen Schlüssel erhielten. Letzterer überprüfte auch die im Umlauf befindlichen Geldstücke. Auf dem Gepräge selbst waren der verantwortliche Münzmeister und das Prägejahr zu vermerken.
Größtes Silberstück
Größtes Silberstück im Kreis war, wie in den übrigen Reichskreisen, der Reichstaler. Gemeinsame Normen bestanden auch hinsichtlich der Halb- und Viertelstücke. Nach der Ordnung von 1566 sollten in jedem Kreis nur vier Münzstätten in Betrieb bleiben, die auch die Auftrage für die anderen berechtigten Prägeherren ausführen sollten. Wohl um Fakten zu schaffen, wurden 1566 und 1567 in Rietberg und Rheda neue Prägestätten eingerichtet. 1571 wurden dann gemäß der Reichsmünzordnung Köln, Aachen, Münster und Emden als Kreismünzstätten festgelegt. Schon zuvor war die Prägung an vielen Orten eingestellt worden, so 1566 in Dortmund und Höxter, 1567 in Herford und Rheda, 1570 in Rietberg.
Partikularinteressen
Zwar war die Beschränkung auf die vier Kreismünzstatten volkswirtschaftlich vernünftig, um zu einer stabilen Währung zu kommen, aber tatsächlich ließ sie sich wegen der Partikularinteressen der Fürsten nicht durchsetzen. Im Unterschied zur eigenen Prägetätigkeit ermöglichte nämlich die Auftragsprägung keinen finanziellen Gewinn. Hinzu kam, daß die Kreismünzstätte Münster schon 1571 nach kurzer Tätigkeit den Betrieb einstellte. Zudem verstanden es viele Reichskreismitglieder, die Genehmigung einer eigenen Werkstätte durchzusetzen. Auffälligerweise entstanden diese zusätzlichen Offizine vor allem im östlichen Westfalen, etwa in Minden 1573, Bielefeld 1578, Paderborn 1592, Marsberg 1601, Höxter 1606, Rietberg 1614. So wurde die Reichsmünzordnung in diesem Punkt schon bald und gründlich unterlaufen.
Groschenprodukt
Hauptprodukt dieser Prägestätten war der Groschen zu 1/24 Taler, wie ihn der Niedersächsische Kreis bereits 1572 eingeführt hatte. Als Münzmeister fungierten Kaufleute, die ihrem Gewinnstreben verpflichtet waren und in pachtähnlichen Verträgen die Werkstätten von den jeweiligen Landesherren übernahmen. Oft stammten diese Kaufleute aus Familien, die schon seit langem im Geldgeschäft tätig waren. Die Arbeits- und Aufenthaltsorte der meisten Münzmeister wechselten zudem häufig. Unstimmigkeiten mit den Verwaltungen der prägeberechtigten Staaten waren daher an der Tagesordnung.
Minderwertiges Geld, Inflation
Die Vermehrung der Prägestatten zeigt, daß der Niederländisch-Westfälische Kreis wenig Durchsetzungsvermögen in Münzdingen aufwies, seine Mitglieder wohl auch wenig Interesse daran hatten. Die Kontrolle, die sich auf die Lieferung von Proben und Registern nach Köln beschränkte, war an sich wenig effektiv. So überrascht es kaum, wenn das Hauptprodukt der Münzstätten, nämlich die Groschen sowie die stark kupferhaltigen Kleinmünzen von Minden und Bielefeld, immer schlechter wurde. Beschwerden aus Niedersachsen über dieses minderwertige Geld kamen daher nicht selten vor.
Nach 1600 setzte sich dieser Trend fort. Die Konkurrenz der Münzstätten untereinander führte zu steigenden Silberpreisen und infolgedessen zu einem sinkenden Silbergehalt des Geldes - und damit zu höheren Warenpreisen, wenn diese in kleiner Münze entrichtet wurden. Der rechnerische Taler und das tatsächlich geprägte Stuck entwickelten sich auseinander. Der Absatz der Groschen lag nicht so sehr in Westfalen als vielmehr im Osten, wo sie sich in den Schatzfunden bis zur Ukraine hin wiederfinden.
Dreißigjähriger Krieg
Nach Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges machte der drastisch vermehrte Finanzbedarf die Staaten noch anfälliger gegenüber den zweifelhaften Schlagschatzangeboten seitens der Münzmeister. Die Prägekonjunktur erhitzte sich stark. Das Rohmaterial lieferten die im Umlauf befindlichen, im Verhältnis zu ihrem Kurswert hochrangigen Geldstücke, also vor allem die Taler. Sie wurden eingeschmolzen und zu schlechtem Silbergeld mit höherem Nennwert umgemünzt.
Kipper-Münzstätten
Eine Prägung nach altem Schrot und Korn vermochte sich in Konkurrenz zu diesen Kipper Münzstätten nicht mehr zu behaupten. Im Umlauf nahmen die nach der Reichsvorschrift hergestellten Taler ab; von Monat zu Monat wurden sie jetzt im Kurs höher angesetzt. Der Probationstag von 1621 zu Köln wurde unter Hinweis auf die Kriegsgefahr von vielen Münzmeistern überhaupt nicht mehr besucht. Seine Kontrollfunktion verlor er damit vollständig. Die Münzen verschlechterten sich an Gewicht und Silbergehalt zunehmend; die Talerprägung erschöpfte sich in geringen Stückzahlen und diente lediglich der staatlichen Repräsentation.
Ende der Kipper-Prägung
Für die münzprägenden Herrschaften ergab sich nur scheinbar ein Geschäft. Da das „gute" Geld aus dem Verkehr verschwand und durch eigenes oder fremdes Kippergeld ersetzt wurde, floß auch nur schlechte Münze in die Staatskassen zurück. Andererseits bestanden vor allem die Truppen auf Zahlung in vollwertigem Gepräge. So wurde die Kipperherstellung, an der sich in Westfalen die Abtei Corvey, das Bistum Paderborn und die Grafschaften Rietberg sowie Tecklenburg beteiligt hatten, nach intensiver Tätigkeit 1621 beendet. Die Kippermünzen wurden fast vollständig eingezogen, der weitere Umlauf untersagt. Sie lieferten nun ihrerseits das Rohmaterial für eine neue, nach der alten Norm vorgenommene Münzherstellung. Als das Kippermaterial verbraucht war, stellten die letzten Prägestatten ihre Tätigkeit vorerst ein und überließen die Geldversorgung denjenigen Staaten, die über den notwendigen Bestand an Edelmetall verfügten.
Kupfergeld
Während die Herstellung von Gold- und Silbermünzen vom Kreis überwacht wurde, war die Produktion von Kupferstücken unkontrolliert. Zur Zeit des Mittelalters hatte es solches Kupfergeld in Westfalen nicht gegeben. Seine Besonderheit lag darin, daß der Nennwert durch das Metall nicht gedeckt war. Den Anfang einer solchen Kupferprägung machte 1559 die Stadt Soest, die zur Grafschaft Mark gehörte; 1560 folgten die Stadt Münster, 1570 die Stadt Osnabrück, sodann weitere Landesstädte der Bistümer Münster und Osnabrück sowie die Städte Hamm und Unna. Auch wenn diese Prägung in mehreren Fällen ohne die Genehmigung des zuständigen Landesherrn erfolgte, unternahm dieser doch nichts Konkretes dagegen, zumal sich die hergestellte Menge in Grenzen hielt und im wesentlichen nur lokal umlief. Begründet wurde die Prägung von den Städten mit einem angeblichen Kleingeldmangel, aber in Wirklichkeit durfte das Finanzproblem der Stadtkassen selbst der eigentliche Grund gewesen sein.
Prägung in Dorsten
Dorsten war Kurkölnische Münzstätte vom 13. bis 17. Jhdt. In Dorsten wurden Pfennige geprägt nach Münsterschem und Soester Vorbild. In jüngerer Zeit (etwa 1650 bis 1690) prägte man kleinere Silbermünzen ohne Nennung der Prägestelle. Mit landesherrlicher Genehmigung (1653) wurden bis 1662 unterwertige 8- Heller-Stücke mit Wappen und Titel des Erzbischofs auf der Vorderseite, mit Stadtnamen auf der Rückseite geprägt.
Prägung in Haltern am See
Ohne landesherrliche Genehmigung wurden 1593 und 1624, vielleicht auch 1592, Kupfermünzen in der Stadt Haltern im Amt Dülmen (historisch) geprägt. Bekannt sind bisher Werte zu 9, 6, 3, 1 Pfg. mit Wappen auf der Vorderseite und Wertzahl auf der Rückseite. Dadurch ergaben sich schwere Konflikte mit dem Landesherrn in Münster, der durch den „recessus destitutionis“ von 1627 weitere Prägungen verbot.
Prägung in Recklinghausen
Königliche Münzstätte, Kaiser Heinrich IV. (1056 bis 1106) ließ in Recklinghausen Pfennige mit seinem Brustbild prägen. Aber auch Münzstätte der Erzbischöfe von Köln im 13. und 14. Jh. Bekannt sind Pfennige (meist nach münsterischem Vorbild) der Erzbischöfe Konrad, Engelbert IL, Siegfried, Heinrich II. und Walram. Die Stadt Recklinghausen schlug mit Erlaubnis des Erzbischofs von Köln 1662 Stücke zu 2 Albus und zu 8 Hellern, 1663 solche zu 8 Hellern. Außerdem gibt es 8 Heller ohne Jahreszahl, die auch wohl in dieser Zeit entstanden sind.
Erste Prägemaschinen
Zum monetären Problem wurde die Kupferprägung erst, als bei ihr im Unterschied zur Silberprägung die ersten Prägemaschinen während der letzten Jahre des 16. Jahrhunderts verwendet wurden. So ließ sich kostengünstig eine gewaltige Menge herstellen und zugleich der Gewinn vervielfachen. Der Zahlungsverkehr wurde durch solche Massen überschwemmt. Aber die Akzeptanz des Kupfergeldes ließ nach oder wurde sogar vollständig verweigert. Während der Kipperkrise griff das Problem auch nach Ostwestfalen über. Gerade 1621 und 1622 stellten mehrere Städte, z.B. Soest und Paderborn, sowie als erste Landesherren das Herzogtum Westfalen und die Grafschaften Lippe und Ravensberg Kupfermünzen her. Nach der Kipperzeit von 1618 bis 1622 ließ ihre Prägung zwar nach, doch sollte sie als ein chronisches Problem Westfalens bis in das 18. Jahrhundert hinein andauern.
Geld und Kaufkraft in Westfalen
Beispiele von Lebenshaltungskosten
- (N.N.)
Punktuelle Einkommensbeispiele
- (N.N.)
Bibliografie
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- Weinnch, Hans, Die Kupfermünzprägung des Domkapitels zu Münster Münster 1981
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