Herforder Chronik (1910)/354

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Herforder Chronik (1910)
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Nachträge.
Herforder Rechtspflege im 17. Jahrhundert.

Den Greueln des dreißigjährigen Krieges ist es zuzuschreiben, daß „alle Bande frommer Scheu“ sich gelöst hatten und daß um die Mitte des 17. Jahrhunderts und noch darüber hinaus die Gemüter der Menschen, wie die geschichtlichen Zeugnisse beweisen, sich von abstoßender Härte zeigen. Die Herforder machten keine Ausnahme von der allgemeinen Verrohung, und gerade die Gebildetsten unter ihnen, Geistliche, Juristen und Bürger der besseren Stände, ragen durch widerwärtigen Ton und schmachvolles Gebahren hervor. Von den Kanzeln ertönt kleinliches Gezänk, verhetzende Worte regen die Andächtigen auf (s. Labadisten), und die damaligen Herforder Streitschriften des Dr. Thomas Schliepstein und Anton Fürstenau, eine so erstaunliche Belesenheit und juristische Gelehrsamkeit sie auch zur Schau tragen, sind reichlich gespickt mit persönlichen Beschimpfungen und Verlästerungen.

Was Wunder, wenn wir die Herzenshärte der oberen Volksschichten sich bei den unteren widerspiegeln und hier zu scheußlicher Unempfindlichkeit und Unbarmherzigkeit gegenüber dem Leiden anderer auswachsen sehen. Wir wollen unten aus dem IX. Kapitel der Gründlichen Deduktion einige Belege bringen.

Dr. Schliepstein vertritt als kurfürstlicher Rat in der gedachten Schrift die Sache des Großen Kurfürsten und weist den Herfordern alles von ihnen ausgeübte Unrecht nach, freilich nicht mit glimpflichen Worten, vielmehr mit den schärfsten Ausdrücken; er malt mit den schwärzesten Farben. Gleichwohl nehmen wir nicht an, daß er die den Herfordern vorgehaltenen Verstöße übertreibt, wohl aber, daß er sich die auffallendsten heraussucht, um die Notwendigkeit und Nützlichkeit einer so fest regierenden Hand, wie die des Kurfürsten war, darzutun.

Wem die nachstehend mitgeteilten Vorfälle gar zu unglaublich erscheinen, der vergleiche nur in geschichtlichen Schriften die Schilderungen der Sittenzustände jener Zeit aus andern Orten.

1. Wie es sich mit Jakob Trebbe verhielt. Dieser war bei dem Magistrat wegen gestohlenen Specks „in argwohn“ geraten. Man zog ihn gefänglich ein, stellte ihn vor das peinliche Halsgericht, d. h. folterte ihn und verurteilte ihn zum Tode durch den Strang. Als er seine Unschuld beteuerte und darauf hinwies, daß er zur Zeit des Diebstahls in Hameln gewesen sei, wurde er ins Gefängnis zurückgeführt, um dort einer schärferen Tortur unterworfen zu werden. Hierbei setzte man ihm so zu, daß er noch bekannte, er habe seine Schwester Stineke, die Verlobte eines Soldaten, die von diesem schwanger gewesen sei, geschändet und von seiner Mutter das Zaubern gelernt. Auch seine andere Schwester Ilse sei eine Zauberin. Die Mutter, über „die nie ein böses geruchte erschollen“, lag krank im Bette, als die Schergen kamen, sie ins Gefängnis zu schleppen, wo man versuchte, ihr