Von der Evidenz in der Genealogie (Gatterer)/E-Book

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Von der Evidenz in der Genealogie (Gatterer)
Autor(en):Johann Christoph Gatterer
Titel:Von der Evidenz in der Genealogie
in:Allgemeine historische Bibliothek, Band 12. Gebauer, Halle 1769. (Hier: S. 3-17)
Digitalisat des Göttinger Digitalisierungszentrums
Ort:Halle
Jahr:1769
Seiten: S. 3-17
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J. C. Gatterer von der Evidenz in der Genealogie.




      Daß, und wieferne die Gegenstände der eigentlichen Historie bis zur Evidenz gebracht werden können, habe ich bey einer[1] andern Gelegenheit zu zeigen gesucht. Damals ist im Vorbeygehn bemerket worden, daß es auch in den sogenannten historischen Hülfswissenschaften Evidenz gebe. Gegenwärtig will ich nur von der Evidenz in der Genealogie meine Gedanken äußern.

      Schon andere, und auch ich selbst, haben bewiesen, auch führt die Bedeutung des Worts schon auf diesen Begriff, daß die Evidenz überhaupt teils in der Wahrheit, teils in der Faßlichkeit der Dinge, von

denen man redet, besteht. Es kann also in genealogischen Dingen nur alsdann Evidenz statt finden, wenn diese Dinge nicht nur als wahr, sondern auch so vorgestellet werden, daß man sich von ihrer Wahrheit geschwind und leicht überzeugen kan.

      Alle genealogischen Werke lassen sich ungefähr auf 4 Gattungen bringen. Zur erstern rechne ich die unbeurkundeten Stammtafeln, das ist, solche, wo die genealogischen Sätze durch keine Art von Beweis unterstützet sind. Hieher gehören zum Beispiel die hübnerischen Tabellen, vieler anderer zu geschweigen. Man sieht leicht ein, daß unbewiesene Stammtafeln ihrer Natur nach nicht der geringsten Art von Evidenz fähig sind. Man muß die genealogischen Sätze dem Stammtafelmacher blos auf sein Wort glauben: man kann sich nicht einmal von der Wahrheit der Sätze überhaupt überzeugen, geschweige erst auf eine faßliche Art, das ist, geschwinde und leicht überzeugen. Unbeurkundete Stammtafeln sind in der Genealogie, was Landkarten in der Erdbeschreibung sind, denen kein Codex probationum beygefügt ist.

      Unter der zwoten Gattung genealogischer Werke verstehe ich die beurkundeten Stammtafeln. Die ersten guten Muster, ja die besten, die man zur Zeit hierin hat, rühren vom Du Chesne her. Unser sel. Prof. Köhler hat dessen Methode in seinen genealogischen Disputationen über die Kayserfamilien glücklich nachgeahmt, und unter uns beliebt gemacht. Durch diese Methode lassen sich nun zwar genealogische Sätze wahr, aber nicht faßlich genug vorstellen: folglich führt sie nicht zur Evidenz.

      Die dritte Gattung können die sogenannten Geschlechtshistorien ausmachen: eine unvermischte Art von Werken, die aus Genealogie und Historie zusammengesetzt sind, denn man beschäftiget sich darin nicht blos allein mit der Abstammung der Personen, die zu einem Geschlechte gehören, sondern zugleich auch mit ihren Begebenheiten. In den besten Werken von dieser Gattung ist der genealogische Theil ungefähr nach der Methode des Du Chesne bisher bearbeitet worden, das ist, man hat die Stammtafeln zwar zu beweisen gesucht, aber die Wahrheit der Sätze ist selten bis zur Evidenz erhoben worden. Was den historischen Theil anbelangt, so gehört die Untersuchung über die Evidenz der darin erzählten Merkwürdigkeiten nicht hieher, sondern zur Materie von der Evidenz der eigentlichen Historie. Als Beispiele sind bekannt Herrgotts Genealogia Domus Habsburgicae, die Origines Guelficae, Schöpflins Historia Zaringo-Badensis, Köhlers Wolffsteinische Historie, die pragmatische Historie des Hauses Geroldseck, Treuers historisches Geschlechtsregister der Herren von Münchhausen, und, wenn man will, kann man auch meine Historiam Genealogicam Holzschuherorum ab Aspach hieher rechnen.

      Man hat endlich auch Untersuchungen über einzelne genealogische Gegenstände. Ich mach aus ihnen, unter dem Namen genealogischer Erörterungen, die vierte Gattung genealogischer Werke. Lenzens historisch-genealogische Untersuchungen und Erläuterungen der erstern 34. Hübnerischen Tabellen, und Gebhardi genealogische Abhandlungen können als Beyspiele von

dieser Gattung angesehen werden. Dergleichen Werke gehören eigentlich in das kritische Fach der Genealogie, und müssen folglich nach der Evidenz der historischen Kritik, wovon hier nicht die Rede ist, beurtheilet werden.

      Dan nun, wie wir bisher gesehen haben, unbeurkundete Stammtafeln von Natur keiner Evidenz fähig sind, genealogische Erörterungen aber, so wie die historischen Artikel in Geschlechtshistorien zu andern Arten der Evidenz gehören; so bleibt mir hier blos die Evidenz beurkundeter Stammtafeln und der genealogischen Artikel in Geschlechtshistorien zu betrachten übrig. Ich werde aber weiter nicht thun, als die Methode beschreiben, durch die ich Stammtafeln und Geschlechtshistorien bis zur Evidenz bringen zu können glaube: ohne meine Methode denen aufdringen zu wollen, die entweder mit Recht hoffen, oder es sich wenigstens einbilden, auf einem andern Wege zu eben diesem Ziele gelangen zu können.

      Um des Zusammenhangs der Materie und der Vollständigkeit willen muß ich zum voraus mit wenigen von dem Entwurfe der Stammtafeln reden. Erfahrnen Kennern genealogischer Arbeiten verlange ich bey dieser Verrichtung nicht neues zu sagen; aber vielleicht darf ich doch hoffen, für viele andere, die sich mit genealogischen Dingen beschäftigen, oder noch beschäftigen wollen, etwas nützliches zu sagen, besonders in Ansehung der Gradation und des Werths der Quellen, aus denen man schöpfen muß.

      Urkunden und Denkmäler sind bekannter massen die besten Quellen, wie überall in historischen Dingen,

also auch besonders in der Genealogie. Ich ziehe um vieler Ursachen willen die Urkunden den Denkmälern vor, und hoffe dabey mit Zuversicht auf den Beyfall derjenigen, die den Werth von beyden aus Prüfung und Erfahrung kenen.

      1. Unter den Urkunden sind Lehenbriefe, Uebergabsbriefe (Chartae Traditionum s. Donationes), Testamente und Theilungsbriefe für den Genealogen am reichhaltigsten. Es versteht sich, daß ich dadurch den Gebrauch anderer Arten von Urkunden bey einzelnen genealogischen Sätzen nicht zu verwerfen gedenke. Die Anwendung der Urkunden ist bisweilen mit grosen Schwierigkeiten verbunden, die nur derjenige glücklich vermeiden kan, der in dieser Art von Wissenschaften sich durch viele Uebungen Fertigkeiten genug erworben hat. Ich habe bereits vor 12 Jahren den Ungeübtern die hier zu beobachtenden[2] Cautelen angepriesen, die ich aus der Erfahrung gelernet, und ich finde nichts sonderliches, was ich jetzt denselben beyfügen könnte.

      2. Die Denkmäler mache ich zur zwoten Classe der genealogischen Quellen, ohne durch diese Herabsetzung ihrem übrigen Werthe im geringsten zu nahe treten zu wollen: auch läßt sich ohnedem, wie in der Historie, also auch in der Genealogie, nicht alles aus Urkunden nehmen. Epitaphien, Grabmäler, bisweilen auch andere Arten

von Inschriften, auf Todtenschilden, gemahlten Fenstern, Münzen, u. d. gl. Sind hier vorzüglich zu nutzen.

      3. Glaubwürdige Geschichtsschreiber und andere gute Schriftsteller stehen den Urkunden und Denkmälern billig nach; aber weit unter sie, oder eigentlich zu reden, in die allertiefste Classe herunter gehören die sogenannten Stammbücher, die Stammbäume und alle übrige Familiennachrichten von gleichem Schlage: denn sie sind meistens kaum 200 Jahre alt, und voll von Familiensagen; nur diejenigen Stammbäume nehme ich aus, die in Stiftern bewährt gefunden worden, und dadurch völlig die Gestalt und die Gültigkeit der Urkunden erlanget haben. Kurz zu sagen, Geschichtschreiber, und noch weit mehr Stammbücher u. d. gl. Sind dem Genealogen das, was dem Teutschen Juristen das Römische Recht ist. Man gebrauchet sie nur im Nothfalle, in subsidium. Du Chesne, und sein Nachfolger in der Methode, Köhler, haben bey ihren Stammtafeln die Urkunden zu wenig genutzt. In der Vorrede zu meiner Holzschuherischen Historie ist die Abstammung aller jetztlebenden Herren von Holzschuher in ungetrennter Folge von Sigfried Holzschuher an, einem Manne, der im J. 1275 gestorben, ganz allein aus Urkunden hergeleitet zu sehen. Ich weiß nicht, ob viele adeliche Familien ihre Geschlechtsfolgen bis vom 13ten Jahrhundert her, diplomatisch darthun können.

      Hat nun der Genealoge nach der eben beschriebenen Gradation der Quellen allen nöthigen Vorrath gesammlet, alsdann zieht er daraus die genealogischen Sätze. Diese betreffen bekannter massen 1) die Herkunft, 2) Zeit und Ort der Geburt, 3) den Stand, das Amt, die Würde etc. 4) Zeit und Ort des Todes, 5) die Vermählung, da denn wieder des Gemahls oder der Gemahlin Herkunft, Geburt, Amt, Würde, Tod etc. vorkommen, 6) die Kinder, und zwar bey Personen männlichen Geschlechts allezeit, bey Weibspersonen aber nur alsdenn, wenn man vorhat, die mütterliche Abstammung einer Person zu zeigen.

      Wenn dieses bey allen Personen, die man genealogisch ableiten will, so weit es möglich ist, beobachtet worden; alsdann setzet man nach Anleitung der aus den Quellen gezogenen Sätze Eine oder mehrere Stammtafeln, nach der gewöhnlichen Art zusammen.

      In Geschlechtshistorien, das ist in solchen Werken, die, nach der besondern Absicht der Verfasser, nebst der Genealogie auch die Historie einer Familie oder eines Zweigs derselben enthalten sollen, werden die historischen Umstände im Texte der Werke selbst angeführt; ja man thut auch sehr wol, wenn mann in diesem Fall den grösten Theil der in blosen Stammtafeln sonst unentbehrliche genealogische Säze selbst, auf den Text verspahret, und in den Stammtafeln sonst weiter nichts setzet, als was zur Kenntnis der Abstammung und zur

Unterscheidung einer Person von der andern nöthig ist. Es versteht sich aber von selbst, daß man in den Stammtafeln die Paragraphen oder Absätze des Textes anzeigen müsse, in welchen von einer jeden Person alle bekannte, sowol historische als genealogische Merkwürdigkeiten nach der Ordnung erzählet werden. Auf diese Art sind die Stammtafeln z. E. in Treuers Geschlechtshistorie der Herren von Münchhausen und in meiner Holzschuherischen Historie eingerichtet.

      Woferne der Genealoge nach dem bisherigen alle seine Sätze aus guten Quellen gezogen hat, so ist er zwar für sich selbst von der Wahrheit derselben überzeugt: aber man verlangt mit Rechte, daß er auch andere davon überzeugen soll, und ich rathe ihm noch an, daß er diese Ueberzeugung bis zum höchstmöglichen Grad der Faßlichkeit, bis zur Evidenz erheben soll. Wie muß es nun der Genealoge anfangen, daß er nicht nur wahre Sätze, sondern auch faßliche, leicht und geschwind zu begreifende, kurze, evidente Sätze vorbringe?

      Die genealogische Wahrheit besteht, meiner Meinung nach, in der Uebereinstimmung der Quellen mit den genealogischen Sätzen, die man daraus gezogen hat. Wer demnach andere überzeugen kan, daß er keine andere genealogische Sätze anführt, als die in den Quellen enthalten sind, der hat sie von der Wahrheit seiner Sätze überzeugt. Aber was heist nun evidente Wahrheit in der Genealogie? Woferne meine Erklärung von der genealogischen Wahrheit richtig ist, so findet alsdenn Evidenz in der Genealogie statt, wenn die Uebereinstimmung der genealogischen Sätze und der

Quellen, aus denen sie gezogen sind, dergestalt ins Licht gesetzet wird, daß man diese Uebereinstimmung, diese Identität der Sätze und der Quellen, sogleich ohne Mühen wahrnehmen kan; oder, welches einerley ist: wenn es sogleich ins Auge fällt, daß das, was der Genealoge mit seinen Worten und in seiner Sprache sagt, völlig eben das ist, was ein Diplom oder ein Denkmal oder ein glaubwürdiger Schriftsteller hievon sagt.

      Hieraus folgt erstlich, daß man die Quellen der genealogischen Sätze nicht blos citiren, sondern die Beweisstellen selbst wörtlich beybringen müsse, und zum andern, daß man die genealogischen Sätze und die Beweisstellen unmittelbar zusammen stellen muß, damit man ihre Uebereinstimmung ihre Identität gleichsam mit einem Blickübersehen könne. Das erstere geschieht wirklich bey der Duchesneschen Methode: die Beweisstellen werden wörtlich mitgetheilt: und daher hat auch diese Methode mit Recht so vielen Beyfall und eine fast allgemeine Nachahmung gefunden. Allein die genealogischen Sätze und ihre Beweise können bey der Duchesneschen Methode einander nicht so nahe gebracht werden, daß man ihre Identität leicht und geschwinde wahrnehmen kan. Folglich läßt sich durch diese Methode die Kenntnis der genealogischen Wahrheit nicht bis zur Evidenz bringen. Die eine Ursache davon ist, daß die genealogischen Sätze nicht besonders ausgezeichnet werden, sondern blos in den Stammtafeln stehen, und die andere, daß ihrer meistens eine ganze Menge zusammen gepreßt wird, an statt daß jeder Satz einzeln mit seinem Beweise erscheinen sollte, auch sollten, da diese Vereinzelung der Sätze in dem engen Raum einer Stammtafel

nicht Platz findet, alle Sätze zusammen und von der Stammtafel abgesondert erscheinen. Man darf nur die nächste beste Stammtafel absondert erscheinen. Man darf nur die nächste die beste Stammtafel in Köhlers genealogischen Disputationen oder in andern nach der Weise des Duchesne ausgearbeiteten genealogischen Werken vor die Hand nehmen; so wird man bald die Unbequemlichkeit und Unsicherheit der Duchesneschen Methode wahrnehmen können. Ich wenigstens gestehe, daß ich sehr oft, um mich von der Wahrheit der genealogischen Sätze zu überzeugen manche Stelle 3 bis 4 mal durchlesen und durchdenken müssen. Jede Stammtafel macht hier für mich ein Ganzes, und die dazu gehörigen Beweisstellen machen wieder ein besonderes Ganzes aus, da doch beyde in der genauesten und sichtbarsten Verbindung stehen solten. Blos daraus sieht man, daß beyde zusammen gehören, weil in den Stammtafeln Nummern sind, denen gleichlautende Nummern in den besonders beygefügten Probationen entsprechen. Diese Nummern stehen nun freylich in der Absicht da, um die Uebereinstimmung, die Identität der genealogischen Sätze in den Stammtafeln und der Beweisstellen in den Probationen zu zeigen; allein da erstlich die Sätze und die Beweise von einander entfernt sind, und zum andern unter jeder Nummer meistens eine ganze Menge von Sätzen und Beweisen zusammen gefaßt worden; so sieht man zwar auf die letzte und mit Mühe endlich das Uebereinstimmige der Sätze und Beweise ein, aber eben diese Mühe, eben das langweilige hin und herschauen und das wiederholte Lesen und Vergleichen der Sätze und Beweise hindert die Evidenz.

      Noch mehr die Duchesnesche Methode, ob sie wol unter den jetzt gebräuchlichen unstreitig den Vorzug hat, ist nicht nur unbequem, mühsam und kan zu Irrthümern oder wenigsten zu Erschleichung mancher Sätze führen. Man prüfe nur die darnach ausgearbeiteten Stammtafeln, so wird man finden, daß bald aus Mangel einer genauen Zergliederung der Sätze, bald wegen des Abstandes der Sätze von den Beweisen, den Stammtafelmachern hier dieser, dort jener Satz entwischet ist, den sie erwiesen zu haben glauben, und doch nicht erwiesen haben. Es ist uns eingeschränkten Menschen nicht gegeben, zu einer und derselben Zeit mehr als einen Gedanken lebhaft und sicher genug zu denken.

      Diese Unvollkommenheit der zur Zeit bekannten besten Methode in der Genealogie auf der einen Seite, und auf der andern die Erwägung der Wichtigkeit und Unentbehrlichkeit genealogischer Arbeiten bewogen mich, soviel mir meine Kräfte verstatten, etwas zur Verbesserung dieser Methode beyzutragen. Ich habe es bereits oben erinnert, und wiederhole es für Leute, denen man so etwas nicht oft genug sagen kan, noch einmal, daß ich es mir nicht heraus nehme, andern eine genealogische Methode vorzuschreiben, sondern ich beschreibe nur die meinige.

      Ich verfahre so. An die Ausarbeitung der Stammtafeln denke ich ganz zuletzte, ob ich mir wol, wenn einige Geschlechtsfolgen ganz bekannt sind, oder für bekannt angesehen werden, einen rohen Entwurf von Stammtafeln auf ein besonderes Blatt hinschriebe. Das erste was ich thue, besteht, wie jeder leicht vermuthen

wird, in der Sammlung des Stoffs nach den oben bemerkten Stücken, die in die Stammtafeln kommen sollen. Habe ich den Stoff beysammen, so gehe ich an die Verarbeitung desselben, aber so daß ich dabey an die beyden Stücke mich erinnere, die nicht nur Wahrheit, sondern aucxh evidente Wahrheit in der Genealogie verschaffen, das ist, ich denke stets an hinreichende Zergliederung der genealogischen Sätze, und an die genaue Zusammenstellung der Sätze und Beweise. In der Verarbeitung des Stoffs selbst folge ich diesen Regeln:

      1. Bey jeder Person, die in die Stammtafel kommen soll, ziehe ich die sie betreffende genealogische Sätze einzeln aus dem gesammelten Stoff heraus, aber so, daß gleich unter jedem Satze die Beweise mit den eigentlichen Worten der gebrauchten Quellen und nach der oben beschriebenen Gradation zu stehen kommen. Dieß erleichtert die Einsicht in die Identität der Sätze und Beweise, und befördert die Evidenz bey dem Leser sowol als bey mir selbst.

      2. Damit man aber dennoch Satz und Beweis desto leichter und geschwinder von einander unterscheiden möge, so schreibe ich jenen mit gröserer, und diesen mit kleinerer Schrift. Auf eben die Art würde ich verfahren, wenn ich eine solche genealogische Arbeit drucken lassen würde.

      3. Ich fasse jeden genealogischen Satz so einfach ab, als es möglich ist. Dabey gewinnt der Leser und ich selbst. Ich, daß ich keinen Satz unerwiesen vorbey lasse: der Leser, daß er Satz und Beweis

leichter und geschwinder gegen einander halten und prüfen, auch den Grad der Wichtigkeit, den der Satz hat, bestimmen könne. Ich will damit nicht behaupten, daß alle und jede Sätze völlig einfach seyn sollen. Billig richtet man sich bey der Abfassung der Sätze nach den Beweisstellen. Diese lassen nicht allezeit die genaueste Zergliederung zu, wenn man nicht ohne Noth weitläuftig seyn will. Genug, wenn die Hauptabsicht, Evidenz bey dem Leser zu wirken erreicht wird, und diese wird erreicht, wenn Satz und Beweis gleich unter einander stehen, und die Identität derselben mit einem Blick übersehen werden kan.

      4. Ist dieses bey allen, zu einer Stammtafel gehörigen Personen geschehen, so sind die Belege zur Stammtafel fertig. Jetzt betrachte ich diese Belege, das ist, die ganze Folge der hinter einander gestellten und einzeln bewiesenen genealogischen Sätze, als Materialien zur Stammtafel selbst, die sich nun ohne Mühe daraus zusammensetzen läßt.

      5. Um indessen selbst auch den Belegen gewisser massen die Gestalt von Stammtafeln zu geben, das ist, um die Folge der Personen in den Belegen mit der Folge der Personen in den Stammtafeln und der Belege zu erleichtern, pflege ich bey den Belegen nicht nur die Geschlechtsreihen oder Generationen durch Linien von einander abzusondern, sondern auch alle einzelnen Personen durch Zahlen, so wie in

den Stammtafeln selbst, von einander zu unterscheiden.

      Endlich bezeichne ich alle genealogischen Sätze in den Belegen mit fortlaufenden Ziffern. Dieß hat nicht die Meinung, als wolte ich hier die mathematische Methode in einer sehr zufälligen Sache, in einem nur die äuserliche Gestalt, und das, was sich hier, wie alle Moden, mit der Zeit verändert, betreffenden Stück, anrathen; sondern die Bezeichnung der genealogischen Sätze mit Ziffern ist darum gut, weil man sich durch Hülfe der fortlaufenden Zahlen ohne Weitläuftigkeit auf Beweisstellen beziehen kan, die mehr als einen Satz beweisen, und daher bald bey einem der vorhergehenden Sätze schon angeführt worden sind, bald bey einem nachfolgenden Satze, als an dem eigentlichsten und bequemsten Orte, noch angeführt werden.




Nacherinnerung.

      Zur Erläuterung dieser Methode habe ich, als ein Beyspiel, eine Stammtafel des Kayserl. Hohenstaufischen Hauses ausgearbeitet: ich verspahre aber die Mittheilung derselben auf einen der folgenden Bände dieser histor. Bibliothek, und rücke dafür eine, vom Herrn Sprengel, Beysitzern des historischen Instituts, herrührende Arbeit ein. Hiezu gab die Veranlassung eine, vor kurzem zu Wetzlar auf 5. Bogen in Folio ohne Namen des Verfassers erschienene Schrift, die den Titel hat: Beurkundete Geschlechts-Verbindung

derer beyden hohen Häuser Habsburg und Fürstenberg – gegen P. Marquard Herrgotts – übel angebrachte Wortklügeley. Eigentlich ist diese Schrift eine gelehrte Beylage eines auf einem besondern Bogen gedruckten Glückwünschungsgedichts, das die Aufschrift hat: „Zur hohen Geburtsfeyer Sr. Hochfürstl. Durchl. Carl Egon des h. R. Reichs Fürsten zu Fürstenberg – Rittern des goldenen Vliesses, Ihro Röm. Kaiserl. Maj. Wirklichen Geheimten Raths und zur Visitation des K. und R. Cammergerichts allerhöchst verordneten Kaiserlichen Commissarien, Beytrag aus der Geschlechtsgeschichte von einem unterthänigsten Verehrer E. F. H. F. (Falke).

      Der junge Verfasser hat darin eine schöne und lobenswürdige Probe seiner bereits erlangten historischen und genealogischen Kenntnisse gegeben: und wenn Herr Sprengel in der folgenden Ausführung verschiedenes an seiner Schrift getadelt hat, so hatte weder er bey der Ausarbeitung, noch auch ich bey der Publication die Absicht, ihn fürs künftige abzuschrecken, sondern vielmehr seinen Fleis zu ermuntern, von dem wir uns allerdings mit der Zeit sehr viel versprechen. Auch geht Herrn Sprengels Meinung nicht dahin (wie er selbst in der Vorerinnerung ausdrücklich bemerkt), den Hauptsatz in der Schrift des Herrn Falke, das ist, die Verwandtschaft der hohen Häuser Habsburg und Fürstenberg, zu leugnen, sondern nur zu zeigen, daß er zur Zeit noch nicht völlig bewiesen ist, und ein Beyspiel zu geben, wie überhaupt, nach meiner unmaßgeblichen Methode, genealogische Wahrheiten bis zur Evidenz erhoben werden können.



  1. in der Vorrede zum ersten Bande des Boysenschen Auszugs der Welthistorie, die man im 3ten Theil dieser allgemeinen historischen Bibliothek S. 332-347 rezensirt findet.
  2. Die ganze zweyte Hälfte in meiner Abhandlung de difficultate artis diplomaticae handelt von der Anwendung der Diplomatik auf die Genealogie.